Google Play – ein Ökosystem der nächsten Generation?

In den letzten Wochen haben wir vor allem das Ökosystem von Apple betrachtet, das sich durch iBooks Author noch stärker beim Kunden zu verankern sucht. Und Amazon, das durch sein Ökosystem die größte direkte Bedrohung für den Handel und die Verlage darstellt. Es ist an der Zeit, einmal genauer auf den dritten globalen Riesen zu schauen: Google.

Seit einigen Wochen firmiert der ehemalige Android App Store nun unter dem Namen “Google Play”, seine Webpräsenz hat in diesem Zuge einen umfangreichen Facelift erhalten. Was ist nun aber der tiefere Sinn dieser Label-Änderung, fragen sich zur Zeit zahlreiche Kunden und Beobachter. Für sich alleine gesehen ergibt dieser neue Auftritt für die Android Apps auch recht wenig Sinn, betrachtet man aber die weiteren Teile der strategischen Initiative “Play”, fügt sich folgendes Bild zusammen: Unter Play soll der Kunde künftig alles aus einer Hand erhalten, als komplett Browser-basiertes Ökosystem, d.h. als eine Art “iTunes im Browser”. Mit Play sollen folgende Features gebündelt werden:

Gemeinsame Shop- und Download-Plattform

Angeboten werden hier:

  • Android Apps (Free & payed Apps)
  • eBooks (Verlagsangebot und das Portfolio aus der Digitalisierungs-Initiative)
  • Video-Content (Filme, Serien, alle Youtube-Inhalte)
  • Audio-Content (Musik, Hörbücher, Podcasts)

Kostenlose und bezahlpflichtige Inhalte werden dabei nebeneinander angeboten und sind durch die Indexierung der Suchmaschine komplett über google.com suchbar. Und es ist anzunehmen, dass Google eine kundenfreundlichere Trefferliste bieten wird als Apple.

Cloud Storage und Upload-Möglichkeit für eigenen Content

Alle hier erworbenen oder mit dem Google-Account verbundenen kostenlosen Inhalte werden in einem Cloud Storage gehalten. Sie stehen damit auf jedem Gerät des Nutzers zur Verfügung, auf dem ein Browser läuft, ohne Notwendigkeit zur Synchronisation von Inhalten oder Download der Dateien. Daneben ist der Upload von eigenen Dateien in den meisten für den jeweiligen Content üblichen Dateiformaten möglich. Der Speicherplatz ist zwar nicht unbegrenzt, dürfte aber selbst für große Medienbibliotheken einige Zeit reichen (z.B. 20.000 Musik-Dateien).

Player/Reader für Content im Browser

Ein weiteres Feature ist die direkte Integration aller Media Player in den Browser. Wo Apple mit iTunes zwar Musik und Video in der Shop- und Bibliotheks-Anwendung abspielen kann, für eBooks aber bereits auf eine weitere Anwendung zurückgreifen muss, findet hier die gesamte Mediennutzung direkt im Browser statt – und dies ohne zusätzliche Plugins/Codecs oder die Notwendigkeit für lokal installierte weitere Software.

Das Ökosystem aus Kundensicht

Für den Kunden wird das ganze einmal so aussehen:

Quelle/Copyright: Google

 

Die Zugriffs-Oberfläche ist dabei natürlich direkt in google.com eingebunden, jeder Content-Link ist mit den üblichen Share/Like-Funktionen für Social Networks verbunden.

Zukunftsmusik

Das skizzierte Bild wird noch ergänzt durch zwei weitere Entwicklungen des Google-Konzerns: Seitdem Motorola ins Unternehmen integriert wurde, beginnen die ersten eigenen Hardware-Projekte, in der Pipeline sind hier Smartphones, ein erstes eigenes Tablet sowie eine TV-Settop-Box.

Daneben kommt frisch aus den Google Labs ein Software-Projekt mit dem für Nicht-ITler zugegeben kryptischen Namen “Native Client” – dahinter verbirgt sich ein Browser-Zusatz, der sowohl eine Hardware-Abstraktionsschicht für Systemfunktionen, als auch eine Virtualisierungs-Schicht für die Ausführung von Programm-Code beinhaltet. Mit anderen Worten: Der Browser wird zum Hardware-unabhängigen Betriebssystem erweitert und kann Apps direkt ausführen, unabhängig vom Betriebssystem des Gerätes. Gelingt es Google, diesen Ansatz technisch sauber und performant umzusetzen, wäre dies nichts anderes als ein Großangriff auf alle anderen Ökosysteme.

Zumindest für Europa wird das aber sicher noch für einige Zeit Zukunftsmusik bleiben, aus zwei Gründen: Zum einen kommt Google bei den Rechtevereinbarungen mit den Content-Anbietern bei der fragmentierten Rechts- und Wirtschaftslage auf dieser Seite des Atlantik lange nicht so schnell voran wie in den USA. Mit google books hat sich der Konzern vor Jahren eigentlich schon eine besondere Position geschaffen, sie aber lange nicht genutzt. Vielleicht spielte auch die noch relativ geringe Akzeptanz der eBooks eine Rolle. Das hat sich mittlerweile geändert und der Konzern dürfte seine Bemühungen um eBooks wieder forcieren. Denn sie können zum Treiber des neuen Ökosystems werden.
Zum anderen ist ein rein Browser-basiertes Ökosystem für Kundenakzeptanz zwingend auf flächendeckende Verfügbarkeit von Breitband-Internet angewiesen. Bis dies jedoch bei uns der Fall sein wird, müssen die Mobilfunk-Konzerne als Partner von Google noch einige teure Investitionen in den Ausbau ihre Netze tätigen.

Resümee

Was zunächst für den App Store wie ein reiner Marketing-Facelift aussieht, fügt sich so zu einer breit angelegten Strategie zusammen, die darauf abzielt, ein komplett Browser-basiertes Ökosystem der “zweiten Generation” zu realisieren. Gelingt der Ansatz, wäre Google damit sowohl Parasit in allen anderen Ökosystemen, als auch auf allen denkbaren Devices präsent, egal ob Smartphone, Tablet, Notebook, Desktop, oder Fernseher. Bleibt abzuwarten, ob dieser Wurf gelingt. Das Potenzial jedoch ist immens.

Und noch eine Empfehlung zum Schluss: Wer über die Business View hinaus Interesse oder Bedarf hat, sich tiefer einzulesen in die Technologie-Strategie und den Unterbau von Google Play, der lese weiter unter  http://www.schmid-meil.de.

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.