Rapid Publishing auf der re:publica 2013

cover_0Die Web-Konferenz re:publica, mittlerweile regelmäßiges Highlight für die Digital-Szene, hatte dieses Jahr nicht nur jede Menge spannende Sessions zu allen Bereichen des Web zu bieten, sondern auch ein Publishing-Projekt der besonderen Art: Mit dem re:publica-Reader realisierte die Konferenz zusammen mit der ePublishing-Plattform epubli und der Deutschen Journalistenschule ein Experiment in “realtime publishing”, das in jeder Hinsicht als gelungen bezeichnet werden kann.

In einer Mischung aus Zeitungs- und Buchworkflow erstellten Studenten der Journalistenschule hier einen Reader zur Konferenz mit Beiträgen zu den einzelnen Sessions. Das Besondere: Die Beiträge entstanden bereits während der Konferenztage und der Reader zum Tag erschien jeweils am folgenden Morgen im EPUB-Format, sozusagen “konvertierungsfrisch” aus dem epubli-Framework.

Das Holtzbrinck-Spinoff epubli verfolgt bereits seit längerer Zeit konsequent den Ansatz einer Plattform für Selfpublisher. Nach der Meinung von CEO Jörg Dörnemann spielen für Autoren, die hier publizieren, vor allem zwei zentrale Vorteile eine Rolle: Eine hörere Gewinn-Marge als bei den meisten Verlagsprojekten, aber auch die Möglichkeit zu deutlich agilerem Vorgehen, als mit einem traditionellen Verlag als Partner. Im Rahmen der re:publica ein Projekt zu realisieren, bei dem genau diese Vorteile ausgespielt werden können, liegt also nahe.

Die Kooperation mit der Deutschen Journalistenschule zeigt dabei bereits klar den redaktionellen Ansatz: Der Workflow bei der Erstellung der Inhalte ist klar analog einem Zeitungsworkflow organisiert. Das Redaktionsteam ist in Zweier-Teams gegliedert, die mit einem Supervisor an der Spitze jeweils ein Themen-Ressort verantworten. Unmittelbar nach den Konferenz-Sessions entstehen die Beiträge, werden im Laufe des Tages redigiert und erhalten den entsprechenden Feinschliff.

Das Vorgehen erinnert in seinem agilen Ansatz ein wenig an die vom Booktype-Gründer Adam Hyde propagierten BookSprints, die auf der re:publica 2012 vorgestellt wurden. Im Unterschied dazu ist der re:publica-Reader aber von seinen Inhalten und seiner Zusammenstellung her sehr viel näher an einer Zeitung als an einem Buch, das eBook-Format EPUB wird dabei vor allem verwendet, weil es ein praktischer “Transport-Container” für den Content ist. Auch die Infrastruktur ist bewußt schlank gehalten: Statt in einem spezialisierten CMS werden die Inhalte in Google Docs als Redaktions- und Kollaborations-Plattform erstellt. Nach der Konvertierung in EPUB fließt der Reader dann nachts in die Distributions-Infrastruktur von epubli ein.

Der Newsroom der re:publica-Reader-Redaktion

Der Newsroom der re:publica-Reader-Redaktion

Die epubli-Plattform kann dabei ihre Stärken in der Distribution ausspielen: Was tagsüber erstellt wurde, steht am nächsten Morgen in den eBook-Shops von Amazon, Apple, Kobo, Weltbild und Hugendubel zur Verfügung. Durch die Schirmherrschaft von Redakteuren der ZEIT Online und von sueddeutsche.de wurde die journalistische Qualität gesichert, die naturgemäß bei auf Schnelligkeit ausgelegten Projekten besonders kritisch ist. Nach Jörg Dörnemann erhielt das Projekt durchgehend positives Feedback und auch als Teilnehmer muss man nach eigener Lektüre feststellen: Der Ansatz hat ausgesprochenen Charme, denn auf so großen Konferenzen wie der re:publica kann man nie alle interessanten Sessions besuchen. Hier einen Reader zu erhalten, mit dem man die interessantesten Beiträge beim Frühstück oder zuhause nachlesen kann, macht einfach Spaß.

Das Modell eines tagesaktuell erstellten Readers ist nicht nur innovativ, sondern bietet für Veranstalter wie für Content-Produzenten große Chancen und Potenziale. Neben Konferenzen und Events bieten sich sicherlich auch Firmenveranstaltungen und Medien-Events für diese Art der “Quasi-Live”-Berichterstattung an. Durch die Zusammenstellung als “paketiertes” Medium in EPUB entsteht die Möglichkeit für einen weiteren Monetarisierungskanal. Und auch die Reichweiten-Effekte, die sich durch Nutzung eines weiteren Channels neben den Online-Möglichkeiten ergeben, kommen sicherlich sowohl dem Event selber, als auch dem Produzenten der Inhalte zugute. Die vielen Ansätze von Zeitungen, Zeitschriften und News-Dienste mit eBook-Reihen und die Erfahrungen, die hier im Markt gemacht werden, zeigen die vielfältigen Wege zum Ausbau des Produktportfolios. Insgesamt: Ein Modell mit Zukunft, das sich jeder News-orientierte Content-Anbieter einmal genauer ansehen sollte.

 

 

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.