eReader vs. Tablet: Auf welche Geräte sollten Verlage setzen?

teaserDigitales Lesen und eBook-Konsum haben weltweit wie auch in Deutschland in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Wer jedoch sein Geschäft auf die digitalen Märkte ausrichten will, braucht dazu präzise Kundendaten. Regelmäßig versuchen sich Statistiker und Marktforscher deswegen an der “Vermessung der eBook-Welt”, wie jüngst etwa der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in seiner eBook-Studie 2013. Wir wollen jedoch den Blick auf eine andere Perspektive richten: Wie sieht der Markt der verschiedenen Endgeräte eReader und Tablet fürs eBook-Lesen in Deutschland aus und welche aktuellen Zahlen sind hier verfügbar?

Nun sind Statistiken und Zahlen ja vielfälig interpretierbar und erlauben selten einen direkten Vergleich, wenn sie aus verschiedenen Quellen stammen. Wir möchten hier den Versuch unternehmen, die frei verfügbaren Kennzahlen zum Geräte-Markt in Deutschland zusammenzufassen und den eReader- und den Tablet-Markt miteinander zu vergleichen.

eReader

Der Bereich der eInk-Reader für eBooks hat in Deutschland im internationalen Vergleich bisher ein ein Schattendasein geführt und erst im letzten Jahr spürbar angezogen. Im Herbst 2012 meldet der Branchenverband Bitkom erstmals eReader-Verkaufszahlen in relevanten Mengen, die damals veröffentlichte Grafik wird auch heute immer noch gerne für Analysen heran gezogen:

Verkaufszahlen eReader in Deutschland

Quelle/Copyright: Bitkom

Nimmt man die seinerzeit veröffentlichten Prognosen wörtlich und rechnet die (geringen) Verkäufe in 2010 mit hinzu, so wären nach den Bitkom-Zahlen etwa 2,55 Millionen eReader im deutschen Markt vorhanden. Bitkom wiederholte die Prognose für 2013 nochmals in einer Presseveröffentlichung vom März 2013. Nach einer Studie der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse von Juli 2013 dürften diese prognostizierten Zahlen in der Realität jedoch noch deutlich übertroffen sein. Nach den veröffentlichen Umfragen besitzen bereits 3,66 Millionen Menschen in Deutschland einen eReader, weitere 2,49 Millionen Menschen planen eine Anschaffung in den nächsten 1-2 Jahren. Rechnet man diese Planung linear auf die nächsten 2 Jahre hoch, könnte der eReader-Markt bis Ende 2013 bei etwas um die 4,0 Millionen Geräte bzw. bis Ende 2014 bei um die 5,0 Millionen Geräten liegen.

Leider ist es für den deutschen Markt kaum möglich, an seriöse Marktzahlen zur Verteilung der Geräte auf die verschiedenen Anbieter und Plattformen zu kommen. Die einzelnen Anbieter zeigen sich hier sehr bedeckt: Amazon z.B. hat Ende 2011 erstmals überhaupt Verkaufszahlen veröffentlicht, die Marktforscher von IDC sahen den Kindle seinerzeit bei etwa 48% Marktanteil bei den Readern – allerdings weltweit und somit in Konkurrenz z.B. mit dem Nook von Barnes & Noble, der hierzulande gar nicht verfügbar ist. Insofern dürften diese Zahlen kaum auf den deutschen Markt adaptierbar sein. Von der Tolino-Allianz war im Juni 2013 zu erfahren, die Erwartungen nach den ersten 3 Monaten seien mit Verkäufen im “hohen 5-stelligen Bereich” deutlich übertroffen worden – beim angestrebten Marktanteil rechnet man aufgrund der genannten Zahlen aber wohl noch mit den Bitkom-Prognosen von Ende 2012.

Tablets

Die Tablets haben als Gerätetyp einen Siegszug angetreten, der seines gleichen sucht. Bereits im November 2012 rechnete der Branchenverband Bitkom nach einer Untersuchung damit, dass in Deutschland 9,1 Millionen Personen (oder 13% der Gesamtbevölkerung) 2012 regelmäßig ein Tablet verwenden. Diese Sicht nach Nutzern wurde ergänzt durch eine Verkaufsprognose von 3,2 Millionen Geräten für 2012. Nach den realen Verkaufszahlen und den Prognosen bis Ende 2013, die das Statistik-Portal statista.com aggregiert haben, verändert sich das Bild noch deutlich nach oben:

Tablet-Umsatz in Deutschland 2010-2013

Quelle/Copyright: statista.com

Legt man die hier zusammengestellten Zahlen zugrunde, ergibt sich bis einschließlich Ende 2013 ein Gesamt-Markt von 12,3 Millionen Tablets in Deutschland. Nimmt man dazu – wie die Bitkom in ihrer Statistik – an, dass durch den “Familien-Effekt” jeweils mehrere Personen Zugang zu den Geräten haben können, dürfte die reale Reichweite der Tablets für den Konsum digitaler Medien noch höher liegen. Doch dürfte sich dieser Effekt insbesondere für den Medien-Verkauf kaum seriös quantifizieren lassen.

Durch diese Explosion der Verkaufszahlen hat sich bereits jetzt der Effekt eingestellt, dass Tablets mit den Verkaufszahlen von Notebooks nahezu gleichgezogen haben. Die Marktforschungs-Unternehmen IDC und NPD rechnen weltweit damit, dass bereits 2014 die Tablets die Notebooks überholen und bis 2017 einen Marktanteil von nahezu 75% erreicht haben werden. Die zunehmende Modellpflege der Hersteller mit immer billigeren und gleichzeitig besseren Geräten zusammen mit dem Boom des mobilen Internet-Zugriff begünstigen diesen Trend.

Absatz von Tablets und Notebooks in Deutschland

Quelle: smartdroid.de, Copyright: statista.com

Vergleicht man daneben noch die Marktanteile der verschiedenen Hersteller und Betriebssysteme, so macht sich auch im Tablet-Bereich der Trend zu Android als Systemplattform bemerkbar. Noch sieht der Markt noch nicht so eindeutig aus wie beim Smartphone, wo in Europa Android mit 70% Marktanteil klar führend ist (davon entfallen alleine die Hälfte auf den momentanen Marktführer Samsung). Nach den Statistiken von IDC hat sich hier der Markt jedoch klar gedreht: War 2012 noch Apple mit seinen iOS-Geräten Martkführer mit fast 60% Marktanteil, so hat das iPad mittlerweile an Markt verloren und liegt 2013 nur noch bei etwas unter 40%, während die Android-Geräte bei fast 60% liegen. Auch hier ist Samsung mit etwa 50% der Geräteverkäufe unter Android einer der dominanten Anbieter, während in allen Auswertungen Microsoft mit seinen Surface-Tablets klar abgeschlagen im unteren einstelligen Prozentbereich liegt.

Projeziert man diese Marktanteile nach Systemplattform im Zeitverlauf auf die Zahlen des deutschen Tablet-Marktes (was sicher methodisch nicht vollständig stimmig ist, aber zumindest eine gewisse Näherung erlauben dürfte – man nehme diese Zahlen also cum grano salis), ergibt sich folgendes Gesamtbild:

  • iOS-Geräte im Markt: 6,4 Millionen
  • Android-Geräte im Markt: 5,9 Millionen
  • Gesamtzahl Geräte: 12,3 Millionen

Die Android-Tablets haben also bereits jetzt mit den iOS-Geräten nahezu gleichgezogen und werden spätestens in 2014 die Gesamtzahlen von Apple-Geräten im Markt deutlich überholt haben, wenn sich die Trends weiterhin so fortsetzen.

Die Zahlen im Vergleich – Nutzungsverhalten eReader vs. Tablet

Stellt man die Marktzahlen aus den oben genannten Statistiken von Bitkom und IDC für eReader und Tablets gegeneinander (Zahlen jeweils in Millionen verkaufte Geräte), so ergibt sich folgendes Bild:

tablet vs. ereader

Marktvergleich eReader vs. Tablets. Eigene Zusammenstellung aufgrund der Zahlen von Bitkom und IDC.

 

In diesem Vergleich ist zunächst auffällig, dass der Tablet-Markt mit etwa 12,3 Millionen Geräten dem eReader-Markt mit etwa 2,55 Millionen Geräten deutlich überlegen ist. Gleichzeitig sind die Steigerungsraten im Tablet-Bereich auch auf absehbare Zeit deutlich rasanter als bei den eReadern.

Heisst das aber auch, dass auf diesen Geräten mehr gelesen bzw. mehr verkauft wird? Der eReader als Single-Use-Device wird ja ausschließlich zum Lesen verwendet, während sich das eBook auf dem Tablet Zeit und Geld mit vielerlei anderer Ablenkungen teilen muss. Zudem wird von vielen Kunden das Lesen auf dem eInk-Display als deutlich überlegen angesehen. Neben einem weiteren Blick auf die Marktentwicklung gibt dazu die folgende Infografik der Agentur “The Content Lab” interessante Aufschlüsse:

iC_Third_Device_Infographic_04082011_v2

Tablet/eReader im Vergleich der Märkte und des Nutzungsverhaltens. Quelle/Copyright: The Content Lab/iCrossing.

Immerhin 33% der Befragten geben hier an, ihr Tablet auch zum Lesen von eBooks zu nutzen – bedenkt man, wie hoch die Konkurrenz auf dem Gerät ist, ein akzeptabler Wert. In anderen Statistiken, wie etwa der hier auf ebookfriendly.com veröffentlichten Infografik wird der Anteil der eBook-Leser auf dem Tablet mit über 60% sogar noch höher geschätzt. Die Wahrheit bewegt sich dabei wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Jedoch, selbst wenn man hier sehr pessimistisch den Anteil der eBook-Leser auf dem Tablet sehr niedrig – etwa bei unter 30% einschätzt – würde man aufgrund der hohen Gesamtzahl von Geräten im Markt immer noch über der Zahl der eReader-Besitzer landen. Tablet-Besitzer sind also alleine aufgrund ihrer Menge als relevante Kunden-Gruppe für den eBook-Verkauf einzuschätzen.

Schlussfolgerungen

Natürlich basieren viele der hier vorgestellten Zahlen auf Prognosen und auf Vergleichen verschiedener Marktbereiche, die nur teilweise wirklich vergleichbar sind. Einen Eindruck der Größenordnungen und der Entwicklungsdynamik geben die Statistiken aber allemal. Und ein so schneller Marktwechsel wie in den USA, wo bereits wieder der Tod des eReaders prognostiziert wird, ist für Deutschland nicht erkennbar. Für Content-Anbieter, die darauf eine Planung für ihr eBook-Sortiment aufbauen wollen, gibt es darüber hinaus aber folgende Schlussfolgerungen zu ziehen:

  • Die eReader-Verkäufe in Deutschland ziehen in 2013 deutlich an. Neben dem dadurch spannenderen Gesamtmarkt ist für die Gestaltung des eBook-Sortiments dabei festzustellen: Bereits in 2013 werden mehr Geräteverkäufe prognostiziert, als Altgeräte im Markt sind. Eine Optimierung der Inhalte auf die jüngste Gerätegeneration mit ihren verbesserten Darstellungsmöglichkeiten für EPUB-Dateien ist spätestens ab Ende 2013 ausgesprochen sinnvoll. Dagegen kann man Abwärtskompatibilität zu Geräten, die vor 2012 auf den Markt gekommen sind, wohl alleine aus Gründen der Produktionseffizienz aussen vor lassen.
  • Innerhalb des eReader-Marktes wird es weiterhin einen hohen Fragmentierungsgrad geben. Auf der Geräte-Seite könnte dies in Deutschland heissen, dass ab Ende 2013 die zwei dominanten Plattformen Tolino und Kindle den Markt beherrschen – mit vielen kleinen Anbietern, die sich den Rest des Marktes teilen. Beide wird man kaum aussen vor lassen können – insofern sollte ein eBook-Sortiment immer auf beiden Plattformen getestet werden.
  • Die Gesamtzahl der Tablet-Kunden ist deutlich höher als die der eReader-Kunden. Selbst unter der Annahme, dass nur ein Bruchteil der Tablet-Besitzer auch eBooks auf seinem Gerät konsumiert, sollten die potentiellen Kunden in diesem Bereich für das eBook-Angebot nicht aussen vor gelassen werden. Innerhalb der Tablet-Geräte halten sich iOS- und Android-Geräte (noch) etwa die Waage, d.h. mit einem Content-Angebot sollte man unbedingt auf beiden Plattformen präsent sein.
  • Neben den jeweils eigenen eBook-Shops, die iOS und Android per Vorinstallation mitbringen (iBookstore bzw. Google Play Books) sind auf beiden Plattformen auch Amazon bzw. z.B. die Player der Tolino-Allianz über Reader-Apps präsent. Diese Multi-Plattform-Strategie sollte auch auf Content-Anbieter-Seite mit bedacht und nachvollzogen werden.

 

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.