Entwicklungen im App-Markt – und was sie für Content-Anbieter bedeuten

Beziehungen sind immer kompliziert. Und die zwischen Verlagen und App-Stores erst recht. Die Preis-Korridore und Gewinnspannen sind gegenüber Print-Produkten extrem niedrig, die Technologie-Zyklen atemberaubend und die Vermarktung ungewohnt. Und kaum glaubt man einmal ein funktionierendes Produktmodell gefunden zu haben, kommt das nächste Update.
Hat sich daran etwas geändert, betrachtet man die zentralen Entwicklungen dieses Jahres? Und was kann man als Content-Anbieter tun, um seine Inhalte zum Kunden zu bringen?

In den vielen Statistiken und Zahlenwerken zur App-Ökonomie sehen wir drei zentrale Kennziffern, die uns für die strategische Betrachtung der App-Stores als Vermarktungskanal für Content besonders bedeutsam erscheinen:

Deutschland ist ein Android-dominierter Markt

Der Marktanteil von Googles Betriebssystem für Smartphones und Tablets ist hierzulande mittlerweile bei um die 80% angekommen, Tendenz eher noch steigend. Im Gegensatz zum US- und UK-Markt, aber ähnlich wie in vielen Schwellenländern, dominiert das Mobilbetriebssystem für das mittlere und untere Preissegment bei uns. Bedeutend ist dies insbesondere, da Android-Nutzer im Durchschnitt sehr viel weniger Geld für Apps und Content ausgeben als iOS-Nutzer. Obwohl der Anteil von Google an den App-Umsätzen zugenommen hat, ist die Monetarisierung hier doch deutlich schwieriger als im Apple App-Store.

 

Android-Anteile Deutschland

Der Anteil von Android am Smartphone-Markt in Deutschland, im Vergleich zu China, den USA und Japan (Quelle/Copyright: statista)

 

Freemium-Apps und In-App-Käufe werden zum zentralen Geschäftsmodell

Die Netzpiloten gaben jüngst einen guten Überblick über die Statistiken von Distimo zu den verschiedenen App-Modellen, mit einem klaren Ergebnis: Über alle App-Stores und Kategorien hinweg sind In-App-Verkäufe innerhalb von zunächst kostenlosen Basis-Apps zum wesentlichen Kanal zur Monetarisierung von Content und Apps geworden: 2013 wurden unter iOS 92% aller Umsätze auf diesem Weg gemacht, die Zahlen unter Android liegen noch deutlich darüber. Mit Direktverkauf von Apps ist also kaum noch Geld zu verdienen, selbst wenn die Apps an sich exzellent gemacht sind und höchsten Ansprüchen an Kundennutzen und Usability genügen.

 

Umsatzentwicklung Apple App-Store

Die Umsatzentwicklung der In-App-Käufe im iOS-App-Store (Quelle/Copyright: Distimo)

 

Immer mehr Apps buhlen um die Zeit der Nutzer

Eine aktuelle Nielsen-Studie brachte es ans Licht: Während sich seit 2011 die Zeit um etwa 50% gesteigert hat, die Smartphone-Nutzer mit Apps auf ihrem Gerät verbringen, ist die Zahl der dabei verwendeten Apps nur unwesentlich höher geworden und dabei über die letzten 2 Jahre nahezu konstant geblieben. Mit etwa 25 scheint eine “magische Grenze” von Apps erreicht zu sein, die der durchschnittliche Nutzer noch sinnvoll parallel und regelmäßig verwenden kann. Und um diese 25 Plätze auf dem Homescreen kämpfen unter iOS momentan 1,2 Millionen Apps – in dieser Menge nicht nur wahrgenommen zu werden, sondern auch in der Nutzung zu bleiben, ist eine riesige Herausforderung für jeden Anbieter.

 

Mobile app usage

Nutzungszeit von Mobile Apps vs. Menge genutzter Apps: ein schwieriges Ringen des Content um die Aufmerksamkeit der Nutzer. (Quelle/Copyright: Nielsen)

 

Schlussfolgerungen für Content-Anbieter

Welche Aufgaben stellen sich nach diesen Zahlen für Verlage und andere Anbieter von Content-basierten Modellen? Wie kann man die Investitionen in App-Projekte dennoch amortisieren?

  •  Plattform-übergreifendes Angebot: Wer im Massenmarkt präsent bleiben will, muss unter iOS und unter Android präsent sein – auch wenn dies zunächst höhere Projektkosten bedeutet. Die Entwicklung browserbasierter Lösungen oder von Hybrid-Apps können hier Wege sein, die Implementierung dennoch in sinnvollem Rahmen zu realisieren. Durch die Integration in die Google-Indexierung kann ein Angebot unter Android dabei aber auch für an sich nicht kostendeckende Modelle SEO-Effekte haben und Traffic auf die eigene Web-Präsenz lenken.
  • Mischfinanzierung für Apps mitdenken: Kaum ein Anbieter wird App-Projekte aus sich selbst heraus zu rentablen Modellen machen können. In einem größeren Portfolio aber kann sich das trotzdem rechnen: Traffic-Steigerung für die eigene Web-Präsenz kann in Online-Werbeerlöse und Affiliate-Umsätze umgerechnet werden. Kooperationen, eigene Online-Produkte und Shop-Umsätze können sich gegenseitig befruchten – vorausgesetzt, das eigene Angebot im Netz ist stimmig miteinander verzahnt und bietet dem Kunden einen realen Mehrwert.
  • Auch Freemium lebt vom Kundennutzen: In-App-Verkäufe erscheinen zwar als attraktives Modell, sind aber auch nicht der allein selig machende Weg. Denn Freemium-Apps leben davon, dass die kostenlose Basis-App für den Nutzer bereits hinreichend attraktiv und sinnvoll ist – mit einer reinen “Marketing-Hülle” sind App-Kunden schon lange nicht mehr zum Download zu bewegen. Wer hier verkaufen will, muss mit einer nützlichen Lösung in Vorleistung gehen, und die direkte Monetarisierung zunächst hinten anstellen.
  • Eigene App vs. Präsenz des Content in anderen Apps: Die Schwierigkeiten, mit einer eigenen App die Aufmerksamkeit des Nutzers zu behalten, sprechen dafür parallel so viel wie möglich in anderen Apps präsent zu sein. Da (neben Spielen) die meistbenutzten Apps aus den Bereichen News und Soziale Netzwerke stammen, ist Online-Vermarktung der eigenen Inhalte, Content-Marketing und das Schaffen von teilbarem Content eine zentrale Aufgabe für die Sichtbarkeit des eigenen Angebots.
  • Das eigene Online-Angebot kommt vor den Kanälen zum Nutzer: Als übergeordnete Schlussfolgerung kann dazu gelten, dass ein online monetarisierbares Angebot von Inhalten auf der eigenen Web-Präsenz und über eigene Shop-Kanäle die zentrale Basis des Portfolio sein sollte. Alle weiteren Wege zum Kunden, ob über Content-Marketing, Präsenz auf anderen Online-Kanälen oder eben über die eigene App, sind darauf aufbauende Channels, die für die Vermarktung essentiell sind. Aber ohne ein attraktives Angebot als Zentrum aller anderen Aktivitäten werden diese hauptsächlich viel Geld verbrennen und wenig einbringen.

 

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.