Mobile Publishing: Update Oktober/November 2014

Manchmal fühlt man sich bei seinen Einschätzungen auf erfreuliche Weise bestätigt. Beim Artikel von Sebastian Matthes über den aktuellen Medienwandel in der deutschen Huffington Post ist es uns so gegangen: Denn die Einschätzung, dass der eigentliche Wandel erst gerade richtig beginnt, teilen wir in jeder Hinsicht. Ob es das disruptive Potenzial von ubiquitär verfügbarem mobilen Breitband-Internet ist oder die Traktion sozialer Plattformen als Startseite des Internet – das Mobile Publishing ist auf dem Weg in die Zukunft. In diesem Sinne sammeln und kommentieren wir die spannendsten Trends und Tendenzen des Monats:

So entwickelt sich der Markt

Das eBook-Plateau: Aller Orten ist es momentan zu lesen – das Wachstum im eBook-Markt flacht ab, der Markt gerät in seine erste Plateau-Phase. Kein Wunder und ein gutes Zeichen für eine gesunde Marktentwicklung, denn ewig konnten die Zeiten des 3-stelligen Umsatzwachstums ja nicht weitergehen. Während eine aktuelle PwC-Studie dem englischsprachigen Markt noch mehr Entwicklungspotenzial bescheinigt, fragt sich manch anderer, ob das eBook Print jemals wirklich überholen wird. Klar ist: Publizieren wird unter diesen Bedingungen nicht einfacher, lesen.net spricht vom “Kater nach der Party”, während Mark Coker von Smashwords gute Tipps dazu gibt, wie ePublishing für Autoren und Verlage dennoch erfolgreich bleiben kann.

Amazon nach der Kontroverse: Amazon und Hachette haben im November nun endlich ihre Kontroverse um die Vertriebskonditionen beigelegt – und bescheren der Verlagswelt damit hoffentlich etwas Entspannung in der Diskussion, die im Laufe des Jahres zum Teil hysterische Züge angenommen hatte. Nach dem erfolgreichen Deal mit Simon & Schuster dürfte das Feld der Handelsbedingungen damit zumindest eine Zeit lang geklärt sein. Die Reaktionen der Verlagswelt sind natürlich zwiespältig – titelte Nate Hoffelder auf Digital Reader noch im Oktober, Amazons Monopol sei “unzweifelhaft, aber legal”, so bürstet Baldur Bjarnason die Diskussion in einem lesenswerten Kommentar wie immer brilliant gegen den Strich: “There will never be peace in the war between Amazon and traditional publishing because there is no war.”

Amazon dagegen rüstet munter weiter auf: Mit Echo kommt ein in Hardware gepackter, persönlicher Assistent a la Siri auf den Markt, natürlich mit jeder Menge Shopping-Hubs in die Amazon-Welt, und mit Privacy-Diskussions-Garantie (für alle, die Amazon gegenüber kritisch eingestellt sind, sei auch die Parodie auf Amazons YouTube-Video empfohlen). Geplant sind außerdem ein neuer Service für Hotelbuchungen sowie ein Service-Portal für Handwerker und ähnliche Dienstleistungen. Und auch das stetig ausgebaute Geschäft mit Cloud-Services und Anwendungs-Virtualisierung wird für die Zukunft noch einiges an disruptivem Potential bereithalten.

Nicht mehr ganz neu, aber dennoch exzellent finden wir dazu insgesamt die Analyse des Think-Tank FaberNovel zu Strategie und Taktik von Amazon, hier zu finden auf Slideshare:

Amazon.com: the Hidden Empire – Update 2013 from FΛBERNOVEL

 

Google zerschlagen? Echt jetzt? Bei manchen Newsmeldungen ist man sich ja nicht so sicher, ob man jetzt wirklich eine Zeitung vor sich hat, oder den Postillon. So auch beim EU-Plan, Google in einem Kartellverfahren zu zerschlagen. Was auch immer die Kommission hier geritten hat, auf absehbare Zeit wird dies ein reines Zeichen symbolischer Politik ohne jede juristische Wirkung bleiben. Lesenswert dazu sind immerhin die Kommentare von Nico Lumma sowie der ausführliche Essay von Jeff Jarvis in der ZEIT.

 

Die Technologien zur Umsetzung

Bücher im Browser: Ausgelöst durch zwei exzellente Umsetzungen in diesem Bereich hypt das Thema “Books in Browsers” momentan durch die Medien – kein Wunder, denn die neue Plattform von Pelican Books, aber auch das Storytelling-Projekt von Land Rover sehen einfach spektakulär gut aus. Auf digital publishing competence geben wir einen ausführlichen Überblick über die Modelle und eine Analyse des Potenzials. Und passend dazu kommt eine gemeinsame Initiative von W3C und dem IDPF: mit EPUB-WEB sollen die Welten von Internet und eBooks auch technisch enger verschränkt werden, so dass am Ende wirkliche Konvergenz möglich ist.

 

homepage-02

eBooks im Browser: So exzellent kann das aussehen, wenn man die richtigen Technologien nutzt… (Quelle/Copyright: Pelican Books)

 

Editoren im Browser: Wer für das Erstellen von eBooks auf Browser-basierte Anwendungen setzen möchte, kennt bereits PressBooks und Booktype, die seit mehr als 2 Jahren am Markt sind. Das in diesem Jahr gestartete Liberio hat jüngst seine Plattform aktualisiert und integriert nun weitere Content-Quellen: Neben Dropbox und OneDrive können nun auch Inhalte aus Soundcloud, Vine und GitHub für die eBook-Produktion verwendet werden. Ganz auf GitHub als Backend setzt der ebenfalls recht frisch gestartete Editor von GitBook: Auch hier wird der Content im Browser editiert, wahlweise in Markdown oder mit einem einfachen visuellen Editor. Die Inhalte werden in GitHub verwaltet, dabei kann man sich alle Funktionen für Versionskontrolle zunutze machen, die das Code Repository besitzt. Naturgemäß wird GitBook wohl hauptsächlich für Programmierbücher interessant sein, da aber besetzt das Tool eine spannende Nische.

Apps für alle: Auch in der Welt der App-Stores wird das Geschäft nicht einfacher. Auf Digiday erschien zum Thema ein Artikel über die fatalen, aber dennoch verbreiteten Fehler von News-Anbietern beim App-Design. Geek.com weist zurecht darauf hin, dass neben den Projektkosten auch die Marketing- und Vertriebsaufwände für erfolgreiche Apps chronisch unterschätzt werden. Wie trotzdem eine erfolgreiche App-Strategie aussehen kann, dazu gibt das stets lesenswerte Developer Economics einen guten Überblick. Warum die Unterscheidung zwischen Native- und Web-App fast nur noch für die Entwickler von Bedeutung ist, beschreibt John Gruber auf Daring Fireball. Und im Smashing Magazine gibt es einen Abriß über die Entwicklung nativer Benutzererfahrung mit Web-Technologien.

 

Das ist die Zielgruppe

Digitalmedien bei Kindern und Jugendlichen: Väter lesen lieber aus eBooks vor, Mütter lieber aus Print. Das iPad wird gerne unterwegs genutzt, das Kinderbuch zum Vorlesen vor dem Einschlafen – der Tagesspiegel gibt erfrischend lebensnahe Einblicke in den modernen Medienkonsum. Wenn die Kinder dann aber größer werden ist klar: Es gibt kein Leben ohne Smartphone mehr. Wer daneben noch einen weiteren Überblick über die Mediennutzung von Jugendlichen sucht, dem sei Hugo E. Martins Zusammenfassung der JIM-Studie 2014 empfohlen.

 

Dieses Produkt will der Kunde

Genuine Online-Produkte: Mit “Economist Espresso” bringt die renommierte Wirtschaftszeitung ihr erstes dediziertes Smartphone-Produkt auf den Markt, das auf paid content basiert. Wir sind gespannt, wie das Modell bei den Kunden am Ende ankommt. Fast sicher kann man sich dagegen sein, dass der aus Washington Post-Content generierte News-Channel für den Kindle Fire am Ende seinen Markt finden wird – zumal die App bereits mit aller Marketing-Macht von Amazon gebundelt und beworben wird. Wer dagegen ein Problem mit Inhalten in walled gardens hat, wird sich freuen, dass Joe Wikert am Beispiel von Disney zeigen kann, wie das auch anders gehen kann, wenn man als Marke genug Reichweite und Reputation für ein eigenes Modell hat.

 

So erreiche ich den Kunden

Perfekter Content für jeden Kanal: Wie man das viel strapazierte Konzept “Big Data” für Verlagspublikationen einsetzen kann, haben wir im November in einer Zusammenfassung einer aktuellen Kobo-Studie gezeigt. Bei SocialMediaToday ist eine schöne Infografik zu den idealen Content-Längen für alle denkbaren Kanäle und Netzwerke erschienen. Und bei digital publishing competence ist zu lesen, wie man Twitter als Marketing- und Vertriebstool für eBooks einsetzen kann.

In 10 Schritten zu Personas: Stets wissen wir in der Beratung das Arbeiten mit Persona-Modellen zu schätzen – denn wenn man Produkte und Strategien nah am Kunden entwicklen will, braucht man handhabbare Methoden für die Zielgruppen-Analyse. Eine exzellente Infografik unter dem Motto “10 Steps to Personas” findet sich bei der Interaction Design Foundation.

 

Sie wollen mehr wissen?

Anfang Dezember findet in München die 7. eBook-Konferenz der frisch umfirmierten Akademie der Deutschen Medien statt, bei der Marketing und Vertrieb von eBook ein Schwerpunkt-Thema ist – wir sind dabei vertreten mit einer Table Session zu aktuellen Trends im Bereich enhanced eBook und eBook-Apps. Und wer sich ausführlicher einlesen will, dem sei natürlich unsere Publikation  “Mobile Publishing” empfohlen, unser Überblick über Konzeption, Erstellung und Vertrieb von Digitalmedien in den mobilen Ökosystemen – seit kurzem auch als EPUB direkt beim Verlag erhältlich.

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.