Mobile Publishing: Update Januar 2015

Kaum hat das neue Jahr so richtig begonnen, schon zeigt es, dass die Dynamik der digitalen Transformation kaum abnehmen wird. Einige Startups und Digitalfirmen, denen wir Erfolg gewünscht hatten, haben aufgeben müssen. Auf der anderen Seite des Atlantik aber hat die diesjährige Digital Book World viele beachtenswerte Ansätze gezeigt, die wir gespannt verfolgen. Und wie jeden Monat geben wir einen kompakten Überblick über die zentralen Trends und News im digitalen Publizieren:

So entwickelt sich der Markt

App-Store-Trends: Wie immer am Anfang des Jahres gibt es neue Zahlen für die App-Stores und ihre Umsätze. Der US-Analytics-Anbieter App Annie präsentiert dazu seinen App-Store-Report für 2014, den Überblick dazu gibt es bei TechCrunch, die komplette Studie zum kostenlosen Download direkt auf der App Annie-Seite. AppFigures, ein weiterer Analytics-Anbieter für Apps, zeigt auf seinem Blog, wie der Google Play Store mittlerweile gegenüber dem iOS-App-Store aufgeholt hat, was die Zahl der Apps und der Downloads angeht. Leider schweigt sich AppFigures nur über einen entscheidenden Faktor aus: die dazugehörigen Umsätze…

Was tut sich bei Apple? Im Content-Bereich war ja trotz vieler Innovationen in anderen Bereichen länger nichts mehr von Apple zu hören. Umso mehr überraschte der Konzern mit der Neuigkeit, dass die für sich genommen relativ banale Standard-Installation von iBooks seit iOS8 Apple etwa eine Millionen neue Kunden pro Woche beschert hat. Die Frage dabei bleibt nur, ob die sich auch in zahlende eBook-Kunden konvertieren lassen – oder wie Steffen Meier es ausgedrückt hat, ob “Apple jetzt endlich der Einstieg in den eBook-Markt gelingt”. Der strategische Schwerpunkt liegt jedenfalls momentan auf anderen Bereichen: Im April soll die lange angekündigte Apple Watch nun tatsächlich starten. Und mit dem Bezahldienst Apple Pay und den Bemühungen im Enterprise-Bereich Fuss zu fassen, liegen große Eisen im Feuer, die 2015 zum Jahr von Apple werden lassen könnten. Gerne verweisen wir zur Apple Watch auch auf unseren Artikel zur Frage, was Wearables und ähnliche Geräte an Konsequenzen für Content-Anbieter implizieren.

Der US-Buchmarkt: Auf der Digital Book World in New York wurde Ende letzten Jahres unter anderem die aktuelle Marktstudie von Nielsen Bookscan vorgestellt, mit interessanten Einblicken in den Buchmarkt der USA. Spannend erschien uns vor allem, wie unterschiedlich sich hier verschiedene Produkttypen entwickeln. Auch zeigt der Report die bemerkenswerte Korrelation, dass Abonennten des eBook-Abos Kindle Unlimited mehr Geld für Print-Bücher ausgeben, als andere Kundengruppen – mit allen dazugehörigen Interpretationsfragen. Und dass solche Marktzahlen immer noch einmal anders aussehen, wenn man sie aus Autorenperspektive betrachtet, zeigt der aktuelle “Author Earnings”-Report aus den USA. Insbesondere wird hier deutlich, wie groß der Markt der Selfpublishing-Titel ohne ISBN mittlerweile ist, der in den offiziellen Branchenzahlen gar nicht mehr abgedeckt wird.

Wer die Präsentation von Nielsen Bookscan auch im Original studieren möchte, findet sie hier auf Slideshare:

 

The Changing Mix of What Sells in Print – Jonathan Nowell, Nielsen Book from Publishers Launch Conferences

 

Gescheiterte Modelle: Während in Deutschland das Modell der Tolino-Allianz floriert und gerade mit Draft2Digital ein erster Partner aus den USA an Bord gegangen ist, sieht es in anderen Bereichen deutlich finsterer aus. Nachdem letztes Jahr bereits Sony und Samsung ihr Geschäft mit eBook-Content aufgegeben haben, steigt nun auch Tesco aus dem Rennen aus und schließt seinen eBook-Marktplatz Blinkbox – und wie bei Sony übernimmt am Ende Kobo den Kundenstamm. Nicht zum Erfolg gereicht hat es auch bei txtr: Nach Versuchen mit diversen Hardware-Projekten und zuletzt mit dem Flatrate-Projekt Bloon, muss das Berliner Unternehmen Insolvenz anmelden. Eine gute Zusammenfassung dazu findet sich auch im Podcast “Die Buchbranche und ihre Startups” bei Exciting Commerce.

Auch bei Weltbild nimmt die Krise kein Ende. Seit dem Einstieg der Droege-Gruppe als Investor vergeht kaum eine Woche ohne neue Hiobsbotschaften. Und selbst wenn sich das Gerücht bewahrheitet, dass der Thalia-Haupteigner Advent eventuell bei Weltbild einsteigen könnte – klar ist, dass vom einstigen Buchketten-Riesen nur noch Stückwerk übrig bleiben wird, mit allen Folgen für das Marktgefüge der Branche. Gut dazu passt wiederum ein Artikel des Nieman Lab, in dem die Frage diskutiert wird, wie groß das Loch in der Geschäftskalkulation der Zeitungsbranche momentan ist. (Spoiler: ziemlich groß…)

 

Die Technologien zur Umsetzung

Neue Werkzeuge braucht das Land: Lange hat es gedauert, doch mittlerweile hat Adobe nahezu alle Teile seiner Toolbox für eBook-Produzenten und Leser EPUB3-fähig gemacht und an vielen Stellen Funktionen für nahtloses Produzieren von anspruchsvollen Projekten umgesetzt. Auf digital publishing compentence findet dazu sich ein Überblick über die Werkzeug-Palette. Hinzu kommt seit letzter Woche eine erschienene Version von Adobe Digital Editions für iOS – zwar noch mit den üblichen Version 1.0er-Macken behaftet, aber immerhin ein Anfang. Ebenfalls die Version 1.0 hat nun endlich das Readium SDK erreicht: Damit liegt nun nach langen Projektjahren ein Open-Source-Framework für die Implementierung von EPUB3-kompatiblen Reader-Apps vor.

Amazon vs. iBooks Author? Im Januar gelauncht ist bei Amazon ein neuer KDP-Bereich für Lehr- und Schulbücher sowie für jede Art von didaktischem Content, wie so oft verbunden mit einem neuen Tool zur Content-Erstellung, dem “Kindle Textbook Creator”. Lange hatten wir schon ähnliches vermutet, doch das Tool entpuppt sich bereits beim ersten Test als das genaue Gegenteil einer iBooks Author-Konkurrenz: hier werden lediglich PDFs in ein Containerformat gewandelt, das auch auf den Kindle Apps lesbar sein soll. Von der Tiefe der didaktischen Erschließung wie in iBooks Author keine Spur, sehr viel mehr als Notizen und Markierungen soll die Software am Ende nicht ermöglichen. Insofern stellt Nate Hoffelder bei Ink, Bits & Pixels zurecht fest, dass von einer direkten Konkurrenz von Apple und Amazon in diesem Bereich keine Rede sein kann. Und TeleRead fragt zum selben Thema: “Why are people still surprised by Amazon?”

Produkte als Multiscreen-Experiences denken: Der Mediendesigner Wolfram Nagel macht sich Gedanken über künftige Content-Szenarios, insbesondere darüber, wie Produkte funktionieren können, die von vorne herein zum Konsum über die verschiedensten Geräte und Displays ausgelegt sind. Seinen sehr ausführlichen und lesenswerten Artikel zum Thema findet man auf Medium, die dazugehörige Präsentation hier auf Slideshare:

 

Next Generation Information Experience – Gedanken über die Zukunft von Content (Management) from Wolfram Nagel

 

So erreiche ich den Kunden

Neue Wege zum Kunden: Genauso wie auf der einen Seite Startups scheitern, schießen wieder an anderen Ecken neue Ansätze und Unternehmen aus dem Boden. Vor allem die Digital Book World hatte hier einiges zu bieten: Macmillan experimentiert nach langer Weigerung mit Abomodellen über Oyster und Scribd, während Wiley sich an Print/eBooks-Bundles versucht. Mit Trajectory präsentiert sich ein neues Unternehmen im Bereich Discoverability, dessen Ansatz zur algorithmischen Analyse von Büchern wirklich spannend und vielversprechend ist. Auch Jellybooks sollte man sich einmal ansehen, wenn man an Analytics im eBook-Bereich interessiert ist. Und mit Aerbooks kommt ein Anbieter mit einem Modell in den Markt, der individuelle Online-Shops für eBooks und Digitalcontent auf eine neue Ebene bringen könnte – einen Blick wert ist deren Plattform aer.io auf alle Fälle.

Strategien für das Produktportfolio: Joe Wikert beschreibt auf seinem Blog, wie Verlage über Crowdsourcing neuen Kundennutzen in ihre Produkte bringen können. Und bei Diginomica sind interessante Fallstudien zu lesen, die zeigen, dass es keine gute Idee ist, Unternehmen wie Amazon direkt angehen zu wollen – viel sinnvoller ist es, ein vertikales Business auf seinen eigenen Themen und Zielgruppen aufzubauen. Wie man dafür wiederum Datenanalyse verwenden kann, um systematisch sein Geschäft danach auszurichten, zeigt Jose Furtado am Beispiel von Harper Collins und Hachette, und Mike Shatzkin am Beispiel der Kinderbuch-Branche. Und gerne verweisen wir dazu auch auf unseren Artikel zur Kundenansprache von Anfang des Jahres.

 

Die Umsetzung

It’s the user experience, stupid! Sich systematisch mit der Nutzererfahrung in einem Produkt auseinander zu setzen, scheint ein neuer Trend für 2015 zu werden. Das UX Magazine gibt ein Plädoyer dazu, dass die Gesamterfahrung einer Anwendung das entscheidende ist, nicht so sehr die einzelnen Funktionen – und gibt praktische Hinweise, wie dies im Produktdesign umgesetzt werden kann. Im Detail dazu auch lesenwert sind 3 goldene Regeln fürs App-Design von Yahoo-CEO Marissa Mayer. Im Smashing Magazine stellt Design-Veteran Paul Boag seine Methode des “Customer Journey Mapping” vor, mit der die gesamte Kette des Kundenkontaktes erfasst und systematisch in die Gestaltung von Produkten und Services abgebildet werden kann. Wie man diese Planung strategisch in die Konzeption von groß angelegten Digitalprodukten einbeziehen kann, zeigt UX Booth mit der Artikelserie “Designing digital strategies”, bisher erschienen der erste Teil zur “Kartierung von Nutzerbedürfnissen” und der zweite Teil über “Connected user experiences”.

 

Sie wollen mehr wissen?

Nächste Woche können Kurzentschlossene noch zu unserem Seminar über “Digitale Geschäftsmodelle” bei der Akademie der deutschen Medien dazustoßen. Am 28.02. findet in München das zweite eBook Camp München statt, das wir in jeder Hinsicht empfehlen möchten. Im März geben wir an der Akademie der deutschen Medien unser Seminar “Enhanced E-Books und Apps − Planung, Umsetzung und Vermarktung”. Daneben sind wir am 13.03. mit im Programm des Typo Day in Berlin vertreten und berichten über die “Unübersichtlichkeit des digitalen Publizierens”.

 

 

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.