Mobile Publishing: Update April 2015

Man kann schon mal diesen launigen April als Metapher für die Ungereimtheiten der Welt nehmen. Da wird einem Frühling versprochen und doch bleiben Regen und Schnee nicht aus. Da werden die Möglichkeiten für die Entwicklung digitaler Produkte immer günstiger, und doch vertreiben sich Ängste und Rückgänge in den klassischen Verlagen ihre Zeit. Da werden absurde Wachstumsraten verkündet und trotzdem sacken die Börsenkurse in den Keller. Aber lesen Sie selbst unsere Nachlese und Zusammenstellung aus dem letzten Monat.

So entwickelt sich der Markt

Facebook bietet sich den Werbetreibenden immer besser an. Die Entwicklung im Bereich Werbung und Video verläuft ebenso positiv wie die Nutzerzahlen und der Ausbau der mobile Apps. “Go mobile” ist die Devise und die Kennzahlen im ersten Quartal geben dem Recht.
Das gilt nicht nur für Facebook, auch Anbietern wie tumblr oder reddit setzen auf diese Karte, hier aktuelle Kennzahlen in der Infografik von bitly.

Googles Update des Algorithmus, der seit dem 21.4. die mobile Suche in den Vordergrund stellt, stand natürlich im Zentrum und der Schritt zeigt nochmal die Bedeutung von mobile Publishing. Bei aller Kritik an Google – beispielhaft für alle Unternehmen ist die gute Dokumentation der Änderungen über FAQs und die unterstützenden Tools wie den Test der eigenen Webseite. Das ist einfach der Standard bei Änderungen, die viele Kunden betreffen.
Die Analysten gehen dennoch kritisch um mit den Entwicklungen im ersten Quartal und Googles “nur” 11%-Wachstum.

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Wenn 140 Zeichen nicht mehr reichen
Aber selbst bei einem Umsatzwachstum von 74% kann der Aktienkurs schon mal in den Keller sacken, wie unlängst bei Twitter passiert. Denn der Ausbau kostet Geld und damit Rendite:
Periscope soll künftig nicht mehr an U-Boote erinnern und bastelnde Jungs, die um die Ecke sehen können, sondern an Twitters Ausbruch aus dem Korsett der 140 getippten Zeichen. Live-Streaming ist die schnöde Übersetzung – “die Welt mit den Augen anderer sehen” die blumige Werbeaussage. Twitter versucht dabei Konkurrenten wie Meerkat auszukontern, indem es die Überführung von Nutzerdaten erschwert. Interessant ist der Zweikampf allemal und belegt die Bedeutung von Videos im Netz. Der schnelle Kommentar auf Twitter, der mittlerweile auch im Fernsehen oder auf Plattformen wichtiger Bestandteil ist, soll jetzt durch den Dokumentarfilm ergänzt werden. Gerade die Kombination dürfte in den nächsten Jahren vor allem die Nachrichtensender herausfordern. Wer Bild und Wort vor Ort beherrscht, ist in der Regel die wichtigste Nachrichtenquelle. Und das Wochenende scheint das zu bestätigen: “I watched the Pacquiao-Mayweather fight on Periscope and saw the future” titelt Mashable angesichts der vielen kostenlosen live-streams. Bei t3n gibt es erste Erfahrungsberichte über den Einsatz im Business.

Wer hierzu ein paar praktische Tipps und Beispiele für Marketer sucht, wird beim socialmediaexaminer fündig.

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Die Technologien zur Umsetzung

Früher war alles besser. Wirklich? Jetzt kann man schon für einen Dollar sein Buch einscannen lassen und erhält ein fertiges PDF. Für wissenschaftlich Interessierte durchaus interessant, um die Recherche der eigenen Bibliothek nicht auf ein “das Buch stand irgendwo rechts oben und hat glaube ich ein blaues Cover” zu reduzieren. Manchmal rettet es auch Ehen, wenn der eine Partner auf das Wegschmeißen von Altlasten besteht.
Der Punkt ist, dass wie immer in neuen Märkten schnell die Preise für Standardprozesse noch weiter zurückgehen und sich die Dienstleister überlegen müssen, für was sie gutes Geld verlangen können. Sieht man sich z.B. die Entwicklung von Jimdo oder WordPress an, so hat sich das Ikea-Geschäftsmodell “ich bau mir meine Webseite, meinen Blog selber zusammen” etabliert. Und die Webagenturen müssen gut argumentieren, wenn sie höhere Preise verlangen.
Listen zu den wichtigsten Tools für eBook-Entwickler oder von mobile testing software zeigen dasselbe: die nächste Generation von Tools schont den Geldbeutel und verlangt ein wenig Einarbeitung, Grips und Zeit.

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Das ist die Zielgruppe

Wie immer ist der Kunde natürlich dort, wo man ihn nicht vermutet. Die digitalen Fallen wollen ihn festhalten und zwingen ihn, ein paar Schleimspuren zu hinterlassen. Damit diese nicht nur in den Universen von Google, Amazon, Facebook und Apple bleiben, gibt es zahlreiche Tools. Peter McCarthy hat einige festgehalten und sehr schön aufgezeigt, wie man über die Zusammenstellung von Kundenrezensionen, die Nutzung von Google Trends oder similar web und andere Tools der NSA zwar nicht Paroli bieten kann, aber immerhin deutlich mehr erfährt als bisher. Er verweist auch auf die Liste von SEO-Tools, die David Portney unter dem Titel “my (insanely large) list” zusammengestellt hat. Die Zeiten sind vorbei, in denen man im Tal der Ahnungslosen auf die Nachrichten von Durchreisenden warten musste. Und wer jetzt noch behauptet, in Blogs fände man keine relevanten Informationen, der hat das Netz nicht verstanden.

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Dieses Produkt will der Kunde

Die Apple Watch inspiriert Sascha Lobo zu schönen ersten Gedanken über künftige Formate, die sich dafür eignen, von den obligatorischen Haikus bis zu werbenden Zusammenfassungen. Und natürlich: erste Ergebnisse zeigen, dass Nutzer einer Apple Watch deutlich weniger häufig ihr Smartphone aus der Tasche ziehen. Noch gibt es kaum sinnvolle Inhaltesangebote (die New York Times experimentiert schon), aber bald werden mehrere kommen und wie bei allen Innovationen wird es darum gehen, dass manche Produktformen in die Ecke gedrängt werden und andere in anderem Gewand wieder auftauchen.
Einen Schritt weiter, aber immer noch im Entwicklungsstadium, ist man rund um Augmented Reality, auch wenn es hier schon eine Reihe von schönen Beispielen und Erfahrungsberichten gibt.
Denn Martins beispielhafte Diskussion um den Niedergang des Gedruckten und den sich verlangsamenden Aufschwung des eBooks führt nach wie vor in den Buchverlagen zu Unsicherheiten und Ängsten: Wie gut, dass er hier eine Reihe von Experimenten wie The Silent History oder The Pickle Index aufzeigt, die zwar noch kein Geschäftsmodell, aber sehr wohl Innovationskraft in der Branche zeigen.

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So erreiche ich den Kunden

Wahrscheinlich ist es noch ein weiter Weg, bis Paypal auch die Titel von Selfpublishern vertreibt, aber interessant ist doch die Einschätzung von Nate Hoffelder zur dort geplanten Distribution von digitalen Inhalten wie eBooks und Apps.

Währenddessen liefern Javier Celaya und Elisa Yuste einen schönen Überblick zu den Möglichkeiten des stationären Handels durch die digialen Technologien und die vermehrte Nutzung des Smartphones: Die schnelle Erkennung von Daten ermöglicht ein unkompliziertes Einkaufen. Individuelle Empfehlungsmöglichkeiten schließen sich daran an und situative Meldungen lassen mich die besten Angebote zum besten Preis vor Ort entdecken.
Und dass dies keine reine Zukunftsmusik sein darf, wird nochmal an der Infografik über t3n deutlich, die den Multiplikatoren auf den mobilen Geräten eine besondere Bedeutung zuweist.

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So rechnet sich das

Mit der schönen Überschrift “Jumping in Bed with Facebook: Smart or Desperate?” umschreibt Frederic Filloux treffend das Problem: Wie nutze ich die Reichweite der großen Player für mich, ohne am Ende von der Bettkante gedrängt zu werden, weil die Margen nicht mehr stimmen? Die SZ stößt in dasselbe Horn (und ganz uneitel verweisen wir auf unsere Artikel der letzten Jahre zu Facebook paper und Newsfeeder).
Dazu passend kommentiert der Economist-Vize Tom Standage seine Zufriedenheit mit der Strategie, mehr auf Abos zu setzen als auf Werbung. Denn dort konkurriert man mit anderen, kleineren Anbietern und nicht den Großen.
Da lohnt es sich doch, in der Übersicht von Javier Celaya zu aktuellen Geschäftsmodellen zu stöbern, ob da nicht doch auch was drin ist für einen selbst.
Ob das dann auch Abomodelle für Bücher sein werden, dürfte fraglich sein. Bill Rosenblatt stellt in seiner Analyse des US-Marktes zu Recht die Frage, warum man sich ein Abomodell anlachen soll, wenn man jederzeit auch ohne Zugang zu noch viel mehr haben kann.

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Die Umsetzung

Können große Verlage die nötigen Innovationen in der Weiterbildung meistern – und was können sie im Vergleich zu Start ups nicht? Clancy Marshall von Pearson hat die, nicht neuen, Thesen nett formuliert: Sie haben Visionen, können rund um HTML5 auch die nötigen technologischen Lösungen gruppieren, Bestehendes gut weiterentwickeln – aber sie sind zu sehr auf die Buchprozesse fokussiert, beherrschen die Softwareentwicklung nicht und meinen, nur fertige, 100%-Produkte auf den Markt bringen zu können. Im Gegensatz zu Start-ups, die alles tun, um viel Geld für innovative Phantasieschlösser einzusammeln, haben sie ein Controlling, das jeden Cent im voraus bewertet wissen will.

 

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.