Mobile Publishing: Update Oktober 2015

Wer erinnert sich noch an die Zeiten, als Manager mit ihrem Blackberry die digitalen Vorreiter in Unternehmen sein konnten und Jugendliche ohne Spielkonsole nicht cool waren? Dann bitte weiterlesen – oder zumindest die Grafiken in diesem Artikel genüsslich ansehen! Wir fassen wie jeden Monat die wichtigsten Entwicklungen und Trends im Mobile Publishing zusammen:

Nach der Buchmesse ist vor der Buchmesse

Die Frankfurter Buchmesse war wie jedes Jahr eine Fundgrube für Trends und neue Geschäftsmodelle: Auf der Konferenz “The Markets” wurden zahlreiche Erfolgsstrategien aus dem globalen Geschäft vorgestellt. T3N berichtet von seiner Startup-Tour und stellt spannende Newcomer vor. Rüdiger Wischenbart sieht die Chancen der Verlage vor allem im internationalen Geschäft in den aufstrebenden Märkten der Schwellenländer. Michael Kozlowski gibt auf Goodereader einen guten Überblick darüber, wie die Messe aus internationaler Perspektive wirkt. Und wenn selbst die traditionell digitalkritische FAZ mit Blick auf die Innovationen des Jahres konstatiert, dass es “den eBooks so schlecht gar nicht geht”, dann kann das nur gut sein für die Branche. Die zentralen Trends zur Messe aus unserer Sicht haben wir ebenfalls in einem aktuellen Artikel zusammengefasst.

 

So entwickelt sich der Markt

Aktuelles aus dem Hardware-Markt: Business Insider zeigt in seiner Studie über den weltweiten Mobilmarkt hauptsächlich die Dominanz der Großen: Auf der Software-Seite setzt sich das Duopol von Android und iOS immer weiter durch, im Hardware-Markt sind weltweit weiterhin Samsung und Apple die wichtigsten Player – allerdings mit Apple als dem bei weitem profitabelsten Hersteller. Die Studie im Original findet sich bei Business Insider, eine gute deutsche Zusammenfassung auf dem Blog der Wirtschaftswoche.

 

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Der weltweite Smartphone-Markt nach Betriebssystemen: Das Duopol von Android und iOS ist ungebrochen. (Quelle/Copyright: uk.businessinsider.com)

 

Die Studien des renommierten Pew Research Center sind regelmäßig eine gute Quelle für Trends und Tendenzen im US-Markt. Aktuell erschienen ist eine Studie über die Geräteverbreitung in den USA. Wenig überraschend nimmt hier die Durchdringung mit Smartphones und Tablets stark zu, PCs, Laptops und Game-Konsolen stagnieren und der eReader-Besitz geht wieder zurück. Die wichtigsten Zahlen auf einen Blick:

 

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Der Boom von Smartphones und Tablets im US-Markt setzt sich fort. (Quelle/Copyright: www.pewinternet.org)

 

Die Bilanzen der großen Ökosysteme: Die aktuelle Quartalsbilanz zeigt Amazon ausnahmsweise mit deutlich weniger operativen Verlusten als sonst, der größte Umsatztreiber ist hier momentan das Geschäft mit Cloud-Services und SaaS-Modellen. Im Bereich Discoverability zeigt sich, dass der Amazon-Shop mittlerweile eine der dominantesten Plattformen für die Produktsuche weltweit ist. Aber auch Amazon ist nicht unbesiegbar: Das Beispiel Indien zeigt, dass Besonderheiten regionaler Märkte für den eCommerce-Riesen ein großes Problem sein können.

Apple feiert mit der aktuellen Bilanz das erfolgreichste Geschäftsjahr seiner Geschichte, dafür verantwortlich ist hauptsächlich der exzellente Absatz des iPhone. Auch Google hat die Umstrukturierung zu Alphabet offenbar betriebswirtschaftlich gut getan, wie die Bilanzen des dritten Quartals zeigen. Von den großen Anbietern schwächelt einzig Microsoft: Die Zahlen sehen nicht gut aus, schuld daran ist vor allem das im Grunde nicht vorhandene Mobilgeschäft. Und auch der Windows-App-Store hat momentan echte Probleme, denn es gibt nicht nur insgesamt zu wenig Apps – auch namhafte Hersteller lassen ihre Apps wieder auslaufen.

 

Die Technologien zur Umsetzung

Deep Learning und intelligente Algorithmen: Nicht nur im Internet der Dinge wird die intelligente Verarbeitung von Informationen immer zentraler, auch in Content-Anwendungen. Zum Thema gibt Golem einen ausführlichen Überblick über Deep Learning und die zugrunde liegenden Verfahren. Und zum Aspekt “kognitive Systeme” haben wir aktuell einen eigenen Artikel im Portfolio.

Innovationen fürs Web: Gleich drei Innovationen kommen von Google: Nach einem aktuellen Artikel plant das Unternehmen, seine Betriebssysteme zu vereinen und in den nächsten Jahren Chrome OS und Android zu einer Systemplattform zu verschmelzen – der Konvergenz von Desktop und Mobile im Web-Bereich kann das nur gut tun.

Als Reaktion auf die Facebook Instant Articles oder Apple News kann die jüngste Initiative von Google für optimiertes Laden von Web-Content gewertet werden: Mit den “Accelerated Mobile Pages” kommt eine neue Technologie in den Markt, mit der Artikel für die mobile Anzeige über ein weltweites Content Delivery Network per Cache optimiert werden. Wie das im Detail funktioniert und welche Chancen darin liegen zeigt Wired in einem aktuellen Überblick.

Ebenfalls für den Mobile-Bereich ist Googles Versuch gedacht, in seinen Technologien den Unterschied zwischen Web-Content und Apps immer mehr verschwimmen zu lassen. Eine dazu entwickelte Suche-API macht es nun selbst unter iOS möglich, Inhalte innerhalb von nativen Apps auch für die Web-Indexierung zur Verfügung zu stellen – The Next Web bringt dazu einen Technologie-Überblick.

“Progressive Enhancement” ist ein zentrales Schlagwort für die mobile Web-Entwicklung – wer sich für diese Technologie und ihre Anwendung interessiert, findet hier einen tollen Vortrag von Jeremy Keith auf der “Beyond Tellerrand”-Konferenz dieses Jahres:

 

 

Dieses Produkt will der Kunde

Enhanced eBooks – dem Trend zum Trotz: Im Bereich Enhanced eBooks ist ja nach anfänglicher Euphorie etwas Ernüchterung eingetreten: Die Produktion ist aufwändig und die Zielgruppen sind dann doch nicht so groß wie erhofft. In England jedoch trotzt Joanne K. Rowling dem Trend und kommt mit einer iBooks-Version der Harry Potter-eBooks auf den Markt. Man darf durchaus gespannt sein auf die Digitalausgaben, denn darin wurde nicht nur Material aus den Filmen verwendet, sondern auch der Content-Pool von Pottermore für die Ergänzungen genutzt.

Ebenso ungerüht von der Diskussion um Sinn und Unsinn von iPad-Ausgaben zeigt sich Wiley Publishing: Der Fachverlag bringt in diesem Tagen seine 320. iPad-App (!) auf den Markt – von kostenlosen Teasern über Titel mit normalen eBook-Preisen bis hin zu teuren Fachpublikationen ist im Portfolio alles vertreten. Und so schlecht kann das Geschäft nicht laufen, wenn in derartigen Mengen für die Apple-Plattform produziert wird…

Aber auch in Deutschland werden immer wieder neue Digitalmodelle entwickelt: Der auf der Buchmesse zum zweiten Mal vergebene Deutsche eBook-Award zeigte mit seinen Nominierungen einen guten Überblick über den aktuellen Stand des digitalen Publizierens im Lande. Ebenfalls eine schöne Produktinnovation kommt von Audible: Mit einer Kombination aus Graphic Novel, Hörbuch und Virtual Reality-Elementen wird “Locke & Key” zum Leben erweckt. Einen guten Eindruck gibt das Demo-Video auf Youtube:

 

 

So erreiche ich den Kunden

Kundenzugänge für den eBook-Markt: In den letzten zwei Jahren hat sich deutlich gezeigt, dass Marketing, Kundenzugang und Touchpoints entscheidend sind für den Erfolg im eBook-Markt. Peter Schmid-Meil schreibt dazu bei bookbytes über die entscheidende Rolle von Metadaten für den eBook-Verkauf. Mike Shatzkin sieht die Chancen von eBooks besonders im Bereich Backlist-Verwertung und Export in neue, unerschlossene Märkte mit neuen Kundenzugängen. Und Michael Bhaskar gibt einen Überblick über die Herausforderungen für die nächsten 5 Jahre: Content-Kuratierung, Discoverability und Metadaten sind auch bei ihm die zentralen Konzepte. (Wir hatten in diesem Jahr schon mehrfach auf das Thema verwiesen, sei es in Empfehlungen, wie wichtig die Metadaten bei Amazon sind oder wie man spielerisch Metadaten generieren kann.)

eBook-Flatrates erleben dagegen eine schwierige Zeit: Nach dem Exit von Oyster gibt nun auch die txtr-Ausgründung Blloon den Geschäftsbetrieb auf. Davon allerdings lässt sich Bonnier nicht irritieren, denn mit Bookbeat kommt hier eine eigene Abo-Plattform neu in den europäischen Markt.

Plattformen und Strategien für News-Anbieter: Eine der Innovationen des Jahres für News-Anbieter war die Einführung der Facebook Instant Articles.  Wie sich die Erfahrungen mit der Plattform in der Praxis entwickeln, darüber berichtet ausführlich Nieman Lab. Ebenfalls ein Schlagwort des Jahres ist Blendle – die Content-Plattform für Zeitungen und Zeitschriften aus Holland hat doch einiges Potenzial, auch in Deutschland. Monday Note berichtet dazu sowohl über die Strategie von Blendle, als auch über die zugrundeliegenden Werkzeuge für Publisher. Und einen guten Einblick in die aktuellen Überlegungen und Diskussionen im US-Markt für News gibt ein sehr lesenswerter Longread zur Zukunft des Journalismus im Blog der New York Times.

 

Die Umsetzung

Mobile-Strategien für alle Medienbereiche:  Bob O’Donell führt bei Tech.Pinions richtig aus, dass Mobile eben mehr ist als nur eine Technologie, sondern ein eigenes Mindset – das auch auf strategischer Ebene gelebt werden will. Benedict Evans skizziert die aktuellen Veränderungen in den Mobilbetriebssystemen in Bezug auf intelligente Assistenten, Indexierung und Suche – und zeigt, dass gerade für Publisher Mobile alles andere als eine “neutrale Plattform” ist. Mobile Zeitgeist gibt einen guten Überblick über die aktuellen App-Store-Trends – und was sie bedeuten, wenn man erfolgreiche Apps publizieren will. Und wer im News-Bereich einmal nicht nur über die hochtrabenden Strategien, sondern auch einen tiefgehenden Einblick in das zugrunde liegende Zahlenwerk erhalten will, findet bei Nieman Lab einen lesenswerten Longread über die Digitalstrategie der New York Times.

 

Wir wünschen wie immer eine gute Lektüre!

 

 

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.