Zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Amazons Logistik-Offensive

Schon in den Frühzeiten als reiner Lieferant physischer Medien waren Auslieferung und Logistik für Amazon ein kritischer Faktor des gesamten Geschäftsmodells. Und mittlerweile hat der eCommerce-Riese seine weltweiten Lieferketten soweit optimiert, dass dem Unternehmen letztlich egal ist, ob darüber eine CD oder ein Kühlschrank distribuiert wird. Darunter leiden natürlich nicht nur mediennahe Branchen, sondern auch Bau- und Gartenmärkte, der Spielzeug-Handel oder wie vor allem in den USA die Lebensmittel-Lieferdienste. Dazu kommen aktuell eine ganze Reihe von Modellen, mit denen Amazon im Logistik-Bereich erneut in die Offensive geht:

Die aktuelle Unternehmens-Entwicklung und der Faktor Logistik

Über lange Jahre war es ein gewohnter Effekt, dass Amazon sein immenses Wachstum mit zum Teil heftigen Bilanzverlusten erkauft hat – das Jahr 2015 zeigt nach einem Bericht der Wired dagegen wieder deutliche Profite. Treiberfaktoren sind dabei Bereiche, die schon recht weit weg sind vom traditionellen Mediengeschäft: die größten Wachstumsraten hat aktuell der Bereich Video-Streaming, der profitabelste Bereich ist die digitale Cloud-Infrastruktur der Amazon Web Services, die mittlerweile im amerikanischen Markt fast dasselbe Volumen ausmachen wie das eCommerce-Geschäft.

Ein kritischer Faktor für den eCommerce-Bereich sind dabei klassischerweise die Logistik-Kosten: Mit 3,2 Milliarden Dollar im 3. Quartal 2015 macht dieser Kostenblock über 10% des Gesamtumsatzes von 25,2 Milliarden Dollar im selben Zeitraum aus. Und Optimierungspotenzial ist dabei immer vorhanden – ein guter Grund, in die Auslieferung zu investieren.

 

bilanz amazon Q3 2015

Amazons Quartalsbilanz für Q3/2015: Mit “Fulfillment” macht die Logistik einen der größten einzelnen Kostenblöcke aus. (Quelle/Copyright: www.amazon.com)

 

Der jüngste Streich: Einstieg in den Seefracht-Transport

Das aktuell meldet ZDNet dazu, dass Amazon über seine chinesische Tocherfirma Flexport in den Seefracht-Transport einsteigen will. Insbesondere das Übersee-Frachtgeschäft China/USA scheint dabei im Fokus zu stehen. Auf der einen Seite ist dieser Schritt kommerziell etwas erstaunlich, denn im Seefracht-Bereich wurden in den letzten Jahren eher Überkapazitäten aufgebaut und es herrscht international ein gnadenloser Preiskampf.

Auf der anderen Seite ist das Gesamtvolumen dieses Marktes erheblich, und beim regionalen Fokus liegt die Vermutung nahe, dass Amazon hier seinem chinesischen eCommerce-Konkurrenten Alibaba an den Karren fahren will. Und vielleicht ist ja auch beim Schiffstransport die eine oder andere Automatisierungs-Schraube zu drehen?

Die Ausweitung der Logistik per Spedition

Schon länger bekannt sind dagegen die vielen Anstrengungen, den landgebundenen Transport in die eigenen Hände zu nehmen: Für den Langstrecken-Transport baut Amazon in den USA seine Truck-Flotte aus, während für die “letzte Meile” der Auslieferung zum Endkunden spätestens seit Amazon Fresh eine eigene Auslieferung unterwegs ist.

Auch in Deutschland regt sich dazu einiges: Seit Sommer letzten Jahres macht Amazon hier seinem Partner (oder bald: Ex-Partner?) DHL Konkurrenz und verstärkt seine Direktauslieferung über lokale Partner. Seit Herbst stellt Amazon in München beispielsweise selbst Pakete zu, daneben soll die Stadt auch Testgebiet für die Einführung von Prime Now (Lieferung am selben Tag) in Deutschland werden und die direkte Auslieferung bald auf weitere Städte ausgedehnt werden.

Bei der “letzten Meile” ist Amazon traditionell erfinderisch: In New York wurden dazu schon Fahrrad-Kuriere und ein Uber-ähnliches System von Franchise-Fahrern getestet, in logistisch herausfordernden Märkten wie Indien sind auch schon einmal Amazon-Rikschas unterwegs.

Luftfracht als Geschäftsfaktor

Als letzter Baustein im Logistik-Karussell kümmert sich Amazon aktuell um die Luftfracht: Im Dezember wurde bekannt, dass das Unternehmen in Verhandlungen für das Leasing von 20 Boing-Frachtjets steht, um eine eigene Luftflotte aufzubauen. Das soll sowohl Kapazitätsprobleme beim Hausdienstleister UPS aus dem Weg räumen, wie auch den Weg in ein eigenes Geschäftsfeld ebnen. Auch dieser Schritt ist konsequent und wenig verwunderlich: Luftfracht verursacht von allen Transportwegen die höchsten Stückkosten und in Sachen Logistik-Optimierung hat Amazon hier einen erheblichen Kostenhebel in der Hand.

Die Folgen für den Wettbewerb

Für Verlage und Medienhäuser dürfte diese Entwicklung zunächst einmal wenig neues bringen – außer, dass im Erfolgsfall der Strategie die Marktmacht von Amazon noch größer wird als ohnehin schon. Ganz anders sieht es bereits für den Buchhandel und die eCommerce-Konkurrenz aus: Eine verbesserte Logistik versetzt das Unternehmen in die Lage, neue Dienste wie z.B. Lieferung am selben Tag schneller und billiger anzubieten – über Kundenbindungs-Programme wie Amazon Prime dabei z.T. auch noch ohne zusätzliche Kosten für den Kunden. Und wer gerne mobil shoppt, aber dann doch einen physischen Distributor braucht, der bleibt am Ende oft schon aus Bequemlichkeit bei dem, der die Hürden am niedrigsten legt (siehe auch unseren Beitrag zum Thema Cross-Channel-Commerce und Amazon als Konkurrenten).

Die großen Leidtragenden der Entwicklung werden aber vor allem die anderen Logistik-Dienstleister sein: Sie könnten immer öfter in die Situation kommen, dass ein großer Kunde und Partner daneben gleichzeitig als großer Konkurrent auftritt – eine Zwangslage, die Verlagen in ihrem Verhältnis zu Amazon ja nicht ganz unbekannt ist…

 

 

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.