Die Entwicklung im Cross-Channel-Commerce haben wir kürzlich erläutert. Diese Veränderungen betreffen vor allem Verlage und Buchhandlungen, denn diese müssen sich anders aufstellen, wollen sie die Chancen auch richtig nutzen. Durch mobile commerce informieren sich die Kunden online und dort müssen auch die Verlage Präsenz zeigen, wollen sie offline gekauft werden. Die crossmediale Vermarktung erhöht den Druck auf die Anbieter, denn man muss auf mehreren Hochzeiten tanzen, ohne dass man dadurch schon mehr verdienen würde. Das zeigt sich z.B. an den Trends, die Publishing Technology für den Publikumsmarkt in den USA sieht:
- Die Märkte für das gedruckte Buch bleibt die Domäne der großen Verlagshäuser. Daneben entwickelt sich ein unabhängiger eBook-Markt, der vor allem von Selfpublishern und Amazon geprägt wird. (Und hier ist anzumerken, dass die Beteiligungen an und die Eigenentwicklungen von Selfpublishingplattformen durch die Verlage jetzt schon für eine Durchmischung der Märkte sorgen.)
- Bestseller prägen das Geschäft und die hohen Aufwände für eine crossmediale Vermarktung lassen weniger Spielraum für die Titel der 2. Reihe. (Diese Tendenz ist nicht neu und die Konzentration auf starke Marken schon länger ein Gebot.)
- Dem folgend bieten sich die größten Wachstumschancen im Kinderbuchbereich mit seinen starken Marken und Potenzialen bei crossmedialen Angeboten. Ähnliche Wachstumsperspektiven sieht man im Audiobereich. (Diesen Konzentrationsprozess kann man schon länger im Bereich der Apps und enhanced eBooks beobachten. Nach den bisherigen Erfahrungen führt eine crossmediale Kampagne auch zu guten Erfolgen, muss von Verlagen aber auch erst gelernt werden. Partnerschaften ermöglichen erst die aufwändige Vermarktung und die Entwicklung von Marken.)
Shatzkin sieht in Dienstleistern wie Aerbook die Chance für alle Verlage, sich einen eigenen Zugang zu ihren Kunden zu verschaffen. (In unserem Update Januar 2015 hatten wir neben Aerbook auch noch andere Dienstleister vorgestellt.) Dies ist sicherlich eine zentrale Aufgabe, die Fachverlage schon längst gelöst haben und Zeitungsverlage gerade lösen. Aber es dürften nur wenigen wirklich gelingen, denn der Aufwand erhöht sich in den Verlagen und das Beherrschen der neuen Prozesse und der Komplexität muss man auch wollen. Berichte über schlecht gemachte Marketingkampagnen mit falschen Daten kann wohl jeder aus seinem Alltag als Kunde liefern. Aber ein Blick über den Tellerrand hinaus lohnt sich hier für Publikumsverlage allemal.
Einen Ausblick kann man nicht ohne Amazon machen. Laut Macquarie Research ist Amazon 2015 für die Hälfte des Wachstums im e-Commerce in den USA verantwortlich. Dabei spielt Prime eine wichtige Rolle. Auch die erhöhten Ausschüttungen an Autoren aus dem kindle-unlimited-Programm verdeutlichen die Wachstumschancen.Denn die Kundenbindung erfolgt zunehmend über Abodienste. Und hier liegt auch die Chance der Verlage und Buchhandlungen, wenn sie sich ihre eigenen Zielgruppen systematisch erschließen. Eine schöne Liste an Empfehlungen zur Positionierung gegen Amazon für Verlage und Buchhändler gibt Steven Blake Mettee, indem er vor allem darauf hinweist, nicht auf denselben Feldern zu konkurrieren und doch auch überall präsent zu sein.
Die Zukunft von Amazon liegt nach wie vor im Handel – und in den Cloud-Services. Beide Bereiche bilden die gesamte Wertschöpfungskette ab und machen Amazon schwer angreifbar. Zudem machen die Entwicklung zum Marktplatz für andere Händler sowie die Verfügbarkeit fast aller Produktkategorien Amazon zu einem unerreichbaren Vorbild. Dass SEO künftig nicht nur auf Google, sondern auch auf Amazon bezogen sein muss, sagt hier alles.
Unabhängig sein von anderen zeichnet den Konzern aus. Das fördert sein Image als zuverlässigen und günstigen Anbieter, der nur an den Kunden und nicht an Seilschaften und Kompromisse denkt. Es reicht, wenn man geachtet wird, man muss dabei nicht geliebt werden. Denn man ist auch den eigenen Mitarbeitern gegenüber unabhängig, Verlagen wie Hachette oder Selfpublishingplattformen oder Hardwareanbietern.
Die Konkurrenz von Amazon sitzt wohl auch in den USA. Das Google Merchant Center verspricht dem Kunden die bestmögliche Darstellung der eigenen Produkte und eine hohe Sichtbarkeit. Und wer möchte nicht bei der meistgenutzten Suchmaschine präsent sein? Zumal Remarketing das Gebot der Stunde ist und man dem Kunden immer wieder auflauern muss, weil er irgendwann auch zubeißt. Der Preis für das Wissen über die Kundenbewegungen sind bei Google jedoch Google Shopping Campaigns, die kontinuierlich Geld kosten, will man denn auch nachhaltig profitieren. Dafür bietet Google eine gute Checkliste an, so dass der Kunde seine Produkte auch mit den richtigen Metadaten versieht (vor allem die Global Trade Identification Numbers, GTINs), damit sie aufgefunden werden. Und Google schlägt weitere Produkte vor, die im eigenen Shop ebenfalls von Kunden gekauft werden könnten. Auch die local inventory ads dürften 2016 laut internetworld dazu beitragen, dass Google im mobile commerce weiter an Boden gutmacht. Lokale Händler können dann direkt über Google ihre gerade im Lager verfügbaren Produkte noch gezielter bewerben. Und auch die Ausweitung der Produktbewerbung über YouTube
Da sich Google jedoch nicht wie Amazon als Handelsunternehmen positioniert, dürfte es für Anbieter eher eine sinnvolle Fingerübung sein, um kontinuierlich auch auf das eigene Shopangebot zu leiten und nicht alle Kunden Amazon zu überlassen.
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