Vor über vier Jahren haben wir zum ersten Mal über Selfpublishing berichtet und zum Test innerhalb eines Tages die wichtigsten Blogbeiträge als Buch veröffentlicht (als eBook in den verschiedensten Formaten und über CreateSpace in gedruckter Version). In den USA ein Trend wurde es in Deutschland von den meisten Verlagen belächelt. Und heute?
Es gibt schon im dritten Jahr einen Selfpublishing-Day mit zahlreichen Sponsoren und die Self-Publisher-Bibel informiert die Autoren über jedes Detail. Es gibt gute Anleitungen für Selfpublisher und Mark Coker ist mit seiner Analyse des Marktes auf Smashword nicht mehr alleine und Studien wie die von BoD oder der Ableger des buchreports zum Indie-Publishing belegen das Interesse am Markt. Und das hat gute Gründe.
Die fünf großen Verlagshäuser in den USA haben die letzten vier Jahre kontinuierlich Federn gelassen und nur Selfpublisher und Amazon verkünden Wachstum. Wie hoch das wirklich ist, lässt sich nur ahnen, denn es gibt keine überprüfbaren Zahlen. Author earnings machte im September letzten Jahres auf sich aufmerksam, als sie ein Abflauen des eBook-Marktes nur bei den großen Verlagen konstatierten, nicht jedoch bei den Selfpublishern. Auch in UK sollen die Marktanteile der Selfpublisher im eBook-Markt bei 22% liegen, bei Steigerungen deutlich über dem Durchschnitt. Ein Schatten liegt über dem traditionellen Verlagsgeschäft.
Dabei ist das Spektrum im Selfpublishing breit: Von kollaborativen Plattformen für Kreative wie Oetinger 34 über Selfpublishing als Wettbewerb und Event bei LYX Storyboard bis zur Sammelstelle für alle Seminararbeiten bei grin ist so ziemlich alles vertreten.
Mittlerweile haben sich alle großen Verlagshäuser eingedeckt und Droemer ist mit neobooks schon lange nicht mehr allein. Random House kooperiert bei twentysix mit BoD, Bastei Lübbe investiert in BookRix, Ullstein (forever) und Carlsen (impress und Instand Books) setzen auf kuratierte Inhalte, ars edition bietet Vorlagen für eigene Fotobücher (geschenkeschatz) und mit tolino media wird deutlich, dass die klassischen Grenzen zwischen Handel und Verlag schon längst überholt sind. Und die Selfpublishing-Plattformen bauen auch systematisch ihre Vertriebspartnerschaften aus, so wie Smashwords erst kürzlich seine Kooperation mit Tolino, Odilo und Yuzu bekanntgab.
Dass das Geschäft so einfach nicht ist, zeigen Konsolidierungen: Letzte Woche kaufte Macmillan Pronoun (aus Vook hervorgegangen, die wiederum erstmal byliner und booklr verdauen mussten; zu den Hintergründen mehr von Andrew Rhomberg), neobooks und epubli werden bei Holtzbrinck zusammengeführt und Penguin Random House verkauft Author Solutions, was von manchem als Kapitulation vor Amazon in diesem wachsenden Markt gesehen wird.
Bewertung und Ausblick
- Die Autoren sind eine eigene Größe im Markt
Selfpublishing ist wie das Internet nicht einfach abzuschalten. Es gehört zur digitalen Welt, weil digitale Medien (fast) jeden zum Autor befördern, und sei es nur von Katzenfotos. Die Produktionsmittel liegen mittlerweile in den Händen vieler. Diese Entwicklung wird sich kaum zurückdrehen lassen. - Die Wertschöpfung muss überdacht und zugespitzt werden
Viele Verlage haben die Herausforderung angenommen, über ihre Wertschöpfung nachzudenken. Sie müssen ihren Autoren einfach einen besseren Dienst erweisen können. Und der kann und muss sehr unterschiedlich aussehen, denn alles wird man nicht schaffen. Aber einmal mehr entscheidet hier die Qualität der Arbeit. Früher konnte man noch behaupten, man wisse als einziger, wie man einen Setzer anweist oder wie man zu einem Büchertisch bei Hugendubel kommt. Die Zeiten sind vorbei. Die Autoren sind anspruchsvoller geworden und können sich überall informieren. - Autoren als Multiplikatoren sind ein Schatz
Dabei verlagert sich der Kampf in der Zukunft leicht. In einer Ökonomie, in der Aufmerksamkeit zum teuren Gut geworden ist, sitzen die Autoren am längeren Hebeln, die die Vermarktung ihres Titels gleich mitbringen. Und hier wächst eine neue Generation heran, die mit ihrem Verlag auf Augenhöhe reden will, wenn es um SEO, Metadaten und Discoverability in den sozialen Netzwerken geht. - Markenbildung zahlt sich aus
Und hier liegt auch die Chance für Verlage: Sie bringen Kunden und eine Marke mit. Sie versprechen durch ihre Auswahl Qualität. Weil sie selektieren. Diese Leistung wird von Kunden geschätzt. “Wenn man an jeder Ecke einen Roman für 1-2 Dollar kaufen kann, wieso soll man dann selber einen schreiben?” wusste schon Mark Twain. - Die Pflege der eigenen Kunden ist ein USP
Dazu müssen Verlage jedoch auch den eigenen Zugang zu ihren Kunden ausbauen. Sonst springen die Autoren ab oder sichern sich bestimmte Rechte in Nebenmärkten oder für andere Formate. Ohne ein gutes Kundenmanagement und die passenden Daten verliert man an Boden. - Selfpublishing kostet wie die Verlegerei Geld und Zeit
Selfpublishing ist keine Gelddruckerei. Die Preise für die Titel liegen im Keller und werden aus diesem auch nicht mehr herauskommen. Dazu gibt es einfach zu viele Angebote und die Kunden zahlen auch nur für Leistung. Zudem macht man aus Aschenputtel nur selten ohne Anstrengung eine Prinzessin und die vielen Täubchen kosten Zeit und Geld. Sprich: Wer die Prozesse und Kosten nicht streng im Blick hat, crossmediale Vermarktungen nutzt und die Kundendaten für weitere Angebote sammelt, der wird hier nicht glücklich. Schon gar nicht, wenn er sich auf Kurzstrecken freut und merkt, dass die Verlegerei erst beim Marathon Früchte tragen kann. Jede Selfpublishingplattform erkennt schon bald, dass sie eigentlich ein kleiner Verlag geworden ist, wenn auch mit einem innovativeren Ansatz. Aber mit all den Freuden und Leiden des Verlegens muss man jetzt umgehen.
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