Multichannel – die ersten Schritte zur richtigen Strategie

Christin Krooss von Google hat auf die Möglichkeiten des Handels hingewiesen, die Online- und Offlinewelt miteinander zu verbinden. (Auf dem Data Summit am 29. November werden wir das Thema vertiefen). Omnichannel scheint der einzig gangbare Weg für den Einzelhandel zu sein, außer man sucht sich eine ganz spezielle Nische: Die Kunden sind online und die Attraktivität der Einkaufsmeilen schwindet. Und auch wenn die Analyse der der IFH Köln dem Sortimentsbuchhandel eine stabile wirtschaftliche Entwicklung bescheinigt: Weltbild bekräftigt seinen Weg zum Multichannelanbieter und verweist auf die schwierige Lage im stationären Handel, wo die Mietpreise immer noch auf einem hohen Niveau sind, während die Umsätze durchgehend sinken.

Thalia verkündet im eCommerce Zuwächse und den Ausbau der Omnichannel-Strategie. Und auch eine kürzlich veröffentlichte Studie zum Einzelhandel in Deutschland von ibis research zeigt, dass fast alle Händler weitere Verschiebungen im Markt in Richtung Digitalisierung und Multichannel erwarten. Umso erstaunlicher ist, dass die dazu nötigen Maßnahmen langsamer in Gang kommen als nötig. Denn die Erwartungen der jüngeren Generationen und die Möglichkeiten durch digitale Tools liegen auf der Hand (hier unsere Übersicht hierzu). Aber noch haben anscheinend viele mit der richtigen Darstellung ihrer Produkte und der Basisarbeit zu tun.

 

Über 80% der Befragten sehen die Einkaufsveränderungen bei den Kunden durch die Digitalisierung, die Notwendigkeit des Multichannel und neuer Geschäftsmodelle – und damit einhergehend einen Rückgang im rein stationären Handel. Die Marktmacht globaler Plattformen wie Amazon sehen viele als Bedrohung und als Chance betrachten die Digitalisierung verständlicherweise vor allem die Onlinehändler. (Quelle ibi research, Der deutsche Einzelhandel 2017)

Umso überraschender ist das zögerliche Agieren der Händler bei ihrer Digitalstrategie. Wir alle wissen, dass das nicht von heute auf morgen funktioniert und langfristige Maßnahmen nötig sind, um einen Umschwung zu schaffen. Das deutet darauf hin, dass vor allem fehlendes Know-how und mangelnde Ressourcen die Faktoren sind, die dem Handel zu schaffen machen.

Nur 17% der Befragten gibt an, eine dokumentierte Strategie zu haben. Das ist erschreckend wenig, wenn man bedenkt, dass derartige Veränderungsprozesse nicht mal so aus der Hüfte geschossen werden können. Nicht dass in klugen PowerPoint-Charts die Weisheit läge, es geht darum, dass nur über Projektpläne, statistische Analysen und eine Planung der Meilensteine sowohl technologische Projekte wie auch der Changeprozess begleitet werden können. (Quelle ibi research)

Die schwierige Situation zeigt sich auch bei näherer Betrachtung der technologischen Möglichkeiten. Mit Sicherheit werden sich einige der hier abgefragten Lösungen nicht flächendeckend durchsetzen. Aber es ist für den Händler zentral, hierzu eine eigene Position zu haben und zu wissen, wo er seine Schwerpunkte setzt. Einer Studie aus den USA zufolge sind die meisten Kunden technologischen Neuerungen gegenüber offen, aber die Innovation muss sinnstiftend sein und zum Einkauf passen, sonst wird sie abgelehnt.

Immerhin kennen sich über 50% der Befragten mit kostenfreiem WLAN aus. Aber an anderen Stellen ist doch noch erheblicher Nachholbedarf zu sehen. Das ist auch verständlich, bedenkt man, dass fehlende Ressourcen (Zeit, Geld, Know-how) das größte Hindernis darstellen bei der Umsetzung einer digitalen Strategie. (Quelle: ibi research)

Problematisch erscheint jedoch die Tatsache, dass die vielen Kanäle zur Kundenkommunikation kaum oder nicht genutzt werden. Hier erkennt man deutlich, dass die Ressourcen der größeren Händler einen Vorteil bringen. (Wir werden auf dem Data Summit hierzu einen Vortrag von Christin Krooss von Google präsentieren können, der den Einzelhändlern Unterstützung aufzeigt.)

Auch hier geht es nicht darum, dass Twitter oder Pinterest die besseren Kanäle sind, sondern um die Tatsache, dass noch viel Potenzial zu heben ist für den Einzelhandel, wenn er sich besser im Netz positioniert. Vor allem die persönliche Empfehlung kann durch digitale Tools verbessert werden. Dieses Potenzial wird noch nicht ausreichend gehoben. (Quelle: ibi research)

Denn die Suche startet im Netz: research online, purchase offline (ropo) heißt das Gebot der Stunde für den Einzelhandel, will er nicht alle seine Kunden an digitale Plattformen verlieren. Wenn er jedoch nicht präsent ist im Netz, dann sind weitere Verluste vorprogrammiert. Dabei gibt einer aktuellen Studie zufolge der Handel am meisten Geld für Onlinewerbung aus. Das wirkt jedoch eher wie ein Wettrüsten im eCommerce als eine breiter angelegte Digitalstrategie, die von Contentmarketing über Plattformangebote bis hin zu technologischen Lösungen reicht.

Die Onlinerecherche beginnt meist bei Amazon. Eine konsequente Entwicklung des Katalogs hat dazu geführt, dass Amazon neben Google die wichtigste Anlaufstelle im Netz geworden ist. Aus einem Buchkatalog mit vielen Artikeln wurde die weltweite wichtigste Plattform durch die ständige Optimierung der Produktsuche, der Trefferliste und der relevanten Metadaten. (Quelle: ibi research, Einkaufsverhalten im digitalen Zeitalter)

 

Von anderer Seite erhält die Annahme eine Bestätigung, dass sich die Investitionen in den Onlineauftritt lohnt: Onlineshopper sind in der Regel treue Markenkunden. Branding funktioniert dort besser. Nicht umsonst sind deshalb alle Markenartikler auch im Netz vertreten und suchen dort ihre “Influencer”.

“Online shopper”, d.h. die Käufer, die mehr als 50% ihrer Einkäufe online tätigen, sind in der Regel markenbewußt. Oder anders gesagt: Sie können treuere Kunden werden, weil sie stärker auf die Marke achten und sich mit dieser auseinandersetzen und Markenprodukte als Teil ihres Stils achten. (Quelle: National Retail Federation)

Für die Neukundenakquise allein im Shop wird es schwerer. Hier gibt es schon so viele gute Angebote. Zuwächse sind vor allem durch das bessere Zusammenspiel von Online und Offline zu erwarten, d.h. mit Bestandskunden und solchen, die das gute Zusammenspiel beider Kanäle suchen.
Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass der Einzelhandel wohl in breiten Teilen noch die Basis schaffen muss:

  • die Produkte mit den richtigen Informationen im jeweiligen Kanal aktuell richtig darstellen
  • die für die jeweiligen Kunden passenden Metadaten vorhalten
  • die Prozesse mit ihren Schnittstellen beherrschen
  • das Onlinemarketing aus- bzw. aufbauen

Dann erst scheinen die nächsten Schritte wie AR, VR oder Beacons anzustehen.

Aller Anfang ist schwer – vor allem, wenn die vordersten Plätze schon besetzt sind. Es gibt zu viele Plattformen im Netz, die um die Gunst der Kunden buhlen. Und den meisten ist die Lust vergangen, etwas neues auszuprobieren und nochmal die eigenen Daten in einem neuen Konto zu hinterlegen. Die Hürden sind höher geworden als am Anfang. (Quelle: ibi research, Einkaufsverhalten im digitalen Zeitalter)

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.