Mobile Publishing: Update Februar 2016

Neue Produktformen nehmen einen neuen Anlauf und erhalten hierbei Unterstützung von Google und Facebook. Dabei dürfte die Aufmerksamkeit bei der Vermarktung auf den Social Media-Kanälen ein Hauptgrund für das Engagement der Verlage sein. Derweil enteilt Amazon allen und sammelt um Prime immer mehr Kunden: die anderen Anbieter von eBook-Flatrates kämpfen. Und wer jetzt nichts mehr von den großen Ökosystemen hören will, dem sei in diesem Update der Exkurs ins Thema Typographie empfohlen.

So entwickelt sich der Markt

Amazon und kein Ende: Es vergeht kein Monat, in dem Amazon nicht gleich mit mehreren Meldungen von sich Reden macht. Zwar hat sich das Gerücht über “hunderte neue Buchläden” von Anfang Februar als geringfügig übertrieben herausgestellt – ein Medienkompetenz-Test, bei dem nahezu alle deutschen Online-Medien durchgefallen sind – aber die Realität bietet auch auf diesem Gebiet stets genug Stoff:

Schon länger ist Amazon Prime bzw. Prime Now eines der Zugpferde für den Umsatz. Hier wird nun deutlich am Angebot gefeilt. Amazon Prime soll in Deutschland mit eigenen Paketstationen für die Lieferung in 90 Minuten fit gemacht werden. Gleichzeitig wird die Bestellsumme für kostenlose Lieferung hochgesetzt und bestimmte Artikel soll es gar exklusiv für Prime-Kunden geben.

Gleichzeitig wird Amazon seinem Ruf als Gemischtwaren-Händler immer mehr gerecht: Die Meldung über einen eigenen Shop für gebrauchte eBooks ist zwar hochbrisant, aber passt noch gut ins Medien-Portfolio. Auch der Einkauf eines indischen Publishing-Labels und die Eröffnung einer Online-Plattform für Lernmaterialien liegen im selben strategischen Bereich. Daneben liefert Amazon aber auch News zu einer eigenen, kostenlosen Engine zur Spiele-Entwicklung oder zur Gründung von Modelabels.

Kein Wunder, dass es da reine Medienunternehmen wie z.B. Kobo aktuell relativ schwer haben – und auch der aktuelle Author Earnings Report zeigt die enorme Dominanz von Amazon im englischsprachigen eBook-Markt. Das hat natürlich Folgen für die Gesamtbetrachtung, bei der Amazon an der Börse sogar gegenüber Apple sehr gut dasteht.

 

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Es geht abwärts für die Big Five im US-eBook-Markt: die zentrale Statistik des aktuellen Author Earning Reports (Quelle/Copyright: http://authorearnings.com).

 

Glanz und Elend der eBook-Flatrates: Das Geschäftsmodell eBook-Abo war immer schon problematisch, vor allem, wenn es nicht wie bei Kindle Unlimited oder Skoobe von einem größeren Unternehmen quersubventioniert wird. Nach Oyster hat dies nun auch Scribd zu spüren bekommen: Nach Versuchen wie der Sortiments-Einschränkung für ausleihbare Titel ist das Flatrate-Modell hier faktisch eingestellt und durch ein Download-Credit-Modell ersetzt worden. Dem Trend trotzt aktuell ausgerechnet Bonnier – hier startet mit Bookbeat ein neues Flatrate-Modell in die Beta-Phase.

Die Marktbereinigung der Flatrate-Plattformen bleibt natürlich nicht ohne Folgen für den Gesamtmarkt – und kommt im Zweifelsfall auch wieder Amazon zugute. Interessant in dem Zusammenhang sind die Kommentare von Mike Shatzkin und Hugh Howey.

 

Die Technologien zur Umsetzung

Digital-Typografie für alle: Lange Zeit war die typografische Gestaltung im Web, in Apps und in eBooks ein einziges Jammertal für jedes ästhetisch sensible Wesen. Durch den Boom der Web-Typografie hat sich das gründlich geändert, wie viele aktuelle Beispiele zeigen. Ein Klassiker dieser Techniken ist bereits heute Butterick’s Practical Typography, ein kostenloses Online-Nachschlagewerk für Typografie im Netz. Ebenso zum kostenlosen Download gibt es bei Monotype das eBook “Schrift und Typografie in Apps” – inhaltlich wie optisch ein Schmuckstück und für jeden Gestalter zu empfehlen.

In Anlehnung an Jan Tschichold ist vom britischen Designer Robin Rendle aktuell der Essay “The new web typography” erschienen – ein absolut lesenswerter Longread zum Thema. Mit eher avantgardistischen Ideen hat im Februar das Verlagshaus Berlin eine neue Lyrik-eBook-Reihe gestartet, die ebenfalls spannende gestalterische Ansätze verfolgt.

Auch eBook-Layouts müssen nicht immer dröge und uniform sein. Trotz ihres schlechten Rufs ist hier inzwischen einiges mehr an Gestaltung möglich als noch in den letzten Jahren. Auf dem letzten eBookCamp München haben wir dazu unser Projekt für das neue eBook-Layout von Kiepenheuer & Witsch präsentiert. Wer davon einen Eindruck bekommen möchte, kann die Session hier auf Slideshare nachlesen:

 

 

Dieses Produkt will der Kunde

Innovative eBook- und App-Modelle: Talking New Media hat einen Blick auf die Möglichkeiten für Musiker und Bands geworfen, die fast schon etwas angejahrte iBooks-Author-Plattform für die multimediale Präsentation zu nutzen, und zeigt mit der Independent-Band Airplane Mode und ihrem iBook ein sehenswertes Fallbeispiel. Google zeigt mit dem Partner Visual Editions und den “Editions at play” einen Versuch, mit “undruckbaren Büchern” in den Markt für browserbasierte Medien einzusteigen – ob dabei mehr herauskommt als eine Mischung aus Kurzgeschichten und Google Streetview? Man wird sehen.

Auch Joe Wikert macht sich in seinem aktuellen Artikel Gedanken über attraktivere eBooks, und Publishing Perspectives ziehen ein Resümee aus den letzten Jahren der App-Entwicklung bei Verlagen. Fazit: Sehr durchwachsen. Schon mehr Spaß macht da ein Modell wie “Booke” – eine App, die versucht, die Vorzüge von eBooks wie Durchsuchbarkeit, Notizen und Kommentare auch ins analoge Buch zu integrieren. Auch hier sind wir natürlich gespannt, wie gut das Modell am Ende beim Kunden wirklich ankommt. Einen ersten Eindruck von Booke gibt der Produkttrailer auf Youtube:

 

 

So erreiche ich den Kunden

Content über Social Media-Kanäle zum Kunden bringen: Twitter baut seine Dienste aus: man kann jetzt auch in den GIFs nach Themen suchen und direkt aus Twitter Videos aufnehmen und teilen. Auch Facebook ist nicht untätig und baut das Dashboard für seine Kunden aus: Jetzt werden auch Videos noch ausführlicher analysiert und der Kunde erhält ein noch besseres Bild der Nutzung. Netflix stand hier sicher Pate und jeder kann sein eigener Netflixer werden. Daneben feuert Facebook gerade aus allen Rohren, was das Engagement bei Virtual Reality angeht, mit einem eigenen neuen Entwicklungsteam und einer groß angelegten Kooperation mit Samsung.

Instant Articles, Apple News, oder Google AMP? Die interessanteste Meldung ist jedoch der Ausbau der Instant Articles für alle Verlage und Blogger ab April. Der Kern sind Performance (wie schnell werden die Artikel mit Bildern und Videos hochgeladen?) und Analyse (was erhalte ich an Informationen über die Nutzung meiner Informationen?). Mit diesen technologisch ausgereiften Tools bringt Facebook vielen Verlagen und Bloggern mehr als sie selbst je entwickeln könnten. Und das wird dazu führen, dass sie diese Möglichkeiten ergreifen, auch wenn Facebook mit diesen Daten immer mächtiger wird. Umso interessanter für das offene Netz könnte Googles technische Alternative, die Accelerated Mobile Pages sein: Zum aktuellen Start des Modells gibt es eine gute Übersicht bei Wired, und auch hier sind schon eine Menge Publisher mit an Bord.

Und das bedeutet es für Publisher: Gut zu den vielen Meldung passt der mittlerweile 4 Jahre alte Dokumentarfilm “The Naked Brand”, der die Effekte von Social Media für Marken wie kaum ein anderer vorher auf den Punkt brachte. Trotz des Alters immer noch sehenswert und genauso treffend wie damals:

 

“The Naked Brand” Film Premier: Welcome to The Advertising Revolution from iMedia Connection on Vimeo.

 

Wir wünschen wie immer eine anregende Lektüre!

 

 

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.