Strange Digit – Der VRIP-Faktor oder: Bin ich prominent?

Wer eine öffentliche Karriere anstrebt, dem sei zweierlei mit auf den Weg gegeben: Erstens ist die Moderation einer ZDF-Koch-Show doppelt so glamourös wie das Amt des bayerischen Finanzministers. Zweitens muss man langfristig denken und in den VRIP-Faktor investieren. VRIP steht für „Virtually Recognized as Important Person“, und der VRIP-Faktor ist gerade dabei, als persönliche Kennzahl dem VIP-Faktor den Rang abzulaufen. 

Zeigen lässt sich dies an Markus Söder. Wenn der CSU-Politiker jeden dritten seiner Sonntagabende dem Talk in der ARD opfert, lässt das auf einen hohen VIP-Faktor schließen. Aber wie viele Deutsche erinnern sich noch an die “altbackene Föhnfrisur” (Brigitte), die seine Frau Karin bei der Eröffnung der Wagner-Festspiele 2011 trug? Kein Institut legt hierzu verlässliche Zahlen vor. Das zeigt die Schwäche des VIP-Faktors: Er kommt aus dem Bauch. Und seine Bestimmung obliegt anderen, vor allem Journalisten.

Anders der persönliche VRIP-Faktor. Er ist eindeutig, klar und für jedermann zu ermitteln. Man gibt seinen Namen in eine Suchmaschine ein und erkennt an der Anzahl der Treffer sofort seine eigene Wichtigkeit. Scheu ist übrigens unangebracht, denn Ego-Googeln liegt im Trend. Einer neueren Studie zufolge haben es mehr als zwei Drittel aller Internet-Nutzer schon mal getan, wobei Frauen es öfter tun als Männer, aber sicher nicht aus reiner Eitelkeit. Viele, vor allem junge Menschen, tun es sogar regelmäßig. Der VRIP-Faktor steht damit kurz vor dem Durchbruch, es sei denn, in den nächsten Monaten wird das Ego-Appeln erfunden.

Orientierung ist nötig und sei hiermit gegeben: Wer auf einen VRIP-Faktor von 100.000 kommt, ist gut unterwegs, doch noch weit von einer echten VRIP entfernt. Zudem weiß jedes Schulkind: Eine Zahl für sich gesehen besagt nichts. Also kommt nach dem Ego-Googeln das Alter-Googlen. Man sucht nach dem Chef, Konkurrenten, der Kollegin oder „Claudia Schiffer“. So wird man in die Realität zurückkatapultiert.

Für Markus Söder dürfte die hart sein. Schnell verlieren seine 399.000 Einträge an Glanz, wenn er „Markus Lanz“ alter-googelt. Der TV-Moderator sprengt bald die Millionen-Marke. Der bayerische Finanzminister muss also tätig werden, und das kann er. Indem er zum Beispiel ein Buch schreibt. Das sorgt, durch die Nennung bei sämtlichen Online-Buchhandlungen, für eine enorme Erhöhung der Quote. Oder Söder schreibt ein Buch und tourt als Kabarettist durch Deutschland. Wie Eckart von Hirschhausen. Der hat es auch im TV zu etwas gebracht und kommt auf einen VRIP-Faktor von 934.000.

Geschenkt, zieht man die wahren Benchmarks heran. Claudia Schiffers VRIP-Faktor liegt bei rund 8,5 Millionen, Karl-Theodor zu Guttenbergs bei 10,3 Millionen. Dass einer jetzt allein wegen besserer Ergebnisse beim Ego-Googeln seinen Doktor macht, um den Titel danach wieder abzugeben, ist keine gute Idee. Lieber eine eigene Show starten und sie am besten noch selbst gewinnen. Was Markus Söder dazu einfällt, liegt auf der Hand. Nur der Sender, der Bavaria’s Next Top-Politiker ausstrahlt, steht immer noch nicht fest.

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Die Studie zum Ego-Googeln von  Bitkom: http://www.bitkom.org/70366_70318.aspx