Kaum ist es einen Monat her, dass Apple das fünfjährige Jubiläum seines iOS-App-Store gefeiert hat: Und immer noch erscheint es vielen traditionellen Medienunternehmen schier unbegreiflich, wie ein Unternehmen mit einem Paradigmen-Wechsel in seinem Angebot in dieser Zeit eine “App Economy” schaffen konnte, deren Volumen alleine in den USA zur Zeit auf 60 Milliarden Dollar geschätzt wird. Dennoch ist dieser Markt gerade für kleine und mittelgroße App-Anbieter und Einsteiger außerhalb der Startup-Szene alles andere als unproblematisch: Hohe Einstiegskosten für die Entwicklung und ein niedrigschwelliges Preisgefüge machen ein rentables Angebot schwer kalkulierbar, auf der Vermarktungsseite wird es immer schwieriger, in der Masse der verfügbaren Apps noch Sichtbarkeit und Reichweite zu erreichen. Welche Trends aber sind in den verschiedenen App-Stores aktuell zu beobachten, die für Anbieter relevant sind?
Kosten und Erlöse für Apps
Anfang August hat das Forbes-Portal mit einer Studie Furore gemacht, in der der durchschnittliche Erlös einer Mobile App berechnet wurde: Abgesehen von einem interessanten Vergleich der Monetarisierung unter iOS, Android und Windows 8 bot der Artikel die ernüchternde Erkenntnis, dass beispielsweise bei der durchschnittlichen Android-App am Ende gerade eben genug Gewinn übrig bleibt, um sich einen Gebrauchtwagen davon zu kaufen.
Nun sind solche Durchschnitts-Berechnungen immer sehr mit Vorsicht zu genießen. Zum einen gestaltet sich die Kostenseite für die App-Entwicklung je nach App-Typ sehr differenziert. Zum anderen gehen in derart gemittelte Durchschnittswerte eben genauso extrem erfolgreiche Apps wie Angry Birds ein, wie hunderttausende von Apps, die wenig bis gar nicht verkauft oder verwendet werden und vor allem die App-Stores unübersichtlich machen. In den meisten Shops stellt sich deswegen das Problem der Sichtbarkeit von neuen Angeboten, zumal Suche, Trefferlisten und Kategorien-System bei weitem nicht den Standard haben, den zum Beispiel Amazon in seinem Shop-System gesetzt hat. Das einzige Ökosystem, das dafür gerade eine interessante Lösung entwickelt, ist das noch nicht sehr verbreitete Firefox OS mit seinem App-Store-Konzept. Für App-Entwickler bleibt das Erreichen von Top-Platzierungen also ein hartes Brot und gelingt in der Regel nur den größten Anbietern, die mit entsprechenden Marketing-Budgets operieren können.
Marktentwicklung der App-Stores
Vergleicht man die App-Stores von Apple, Amazon und Google untereinander, stellt man einen leicht paradoxen Effekt fest: Obwohl Android bei den Hardware-Verkäufen sowohl den Bereich Smartphones als auch den Tablet-Markt dominiert und Google so mit seiner System-Plattform innerhalb kürzester Zeit den Markt gedreht hat, sieht es bei den App-Umsätzen komplett anders aus. Abgesehen davon, dass Apple nach wie vor im Bezug auf die absoluten Gesamtumsätze einsam an der Spitze der App-Stores steht, steht die iOS-Plattform aktuell auch relativ für etwa 2/3 aller App-Umsätze und dominiert so den Markt. Auch bei den Umsätzen pro User steht Google Play trotz einer Erhöhung im Laufe des Jahres nach wie vor weit abgeschlagen da.
Interessant sind allerdings in diesem Bereich zwei neue Markttendenzen:
Zum einen hat sich für Amazon als neuem Player der Kindle App Store ausgesprochen positiv entwickelt und trotz der geringen Verbreitung der Plattform in Europa sollte hier ein Augenmerk auf die weitere Entwicklung liegen. Sowohl die Umsatzverteilung pro Nutzer und auch der relative Umsatzanteil für den App-Anbieter sehen hier deutlich interessanter aus als unter Google Play. Es spricht also viel dafür, diesen Marktplatz zu nutzen, wenn Android-Apps kalkuliert und entwickelt werden.
Zum anderen hat die Bedeutung des Direktverkaufs von Apps als Erlösquelle über die letzten Jahre deutlich abgenommen. Aktuelle Statistiken zeigen, dass In-App-Verkäufe mittlerweile für 70-80% der Gesamtumsätze in den App-Stores sorgen. Ein klares Argument dafür, weniger den Preis einer App in den Vordergrund der Kalkulation zu rücken, sondern eher über Freemium- und Abo-Modelle, kleinteilige Content-Angebote und Aktualisierungen und Service-Angebote nachzudenken, wenn neue Apps konzipiert werden.
Daneben sind in den letzten Monaten folgende, interessante Entwicklungen der einzelnen Ökosysteme bekannt geworden:
Amazon
Je mehr sich die Kindle Fire-Tablets verbreiten, umso spannender wird ein App-Angebot bei Amazon auch für Android-Entwickler. Neben dem bereits erwähnten, besseren App-Umsatz bemüht sich Amazon dazu um Entwickler, indem Mechanismen wie die Amazon Coins als virtuelle Währung zur Monetarisierung und ein eigenes Vermarkungsprogramm angeboten werden. Dazu wirbt Amazon damit, dass nach eigenen Auswertungen die allermeisten Android-Apps ohne jede Änderung am Code auch auf dem Kindle Fire lauffähig sein sollen.
Daneben hat Amazon im Laufe des Jahres 2013 aber noch zwei hochinteressante neue Komponenten in sein Ökosystem integriert:
Für das App-Angebot wird die Grenze zwischen nativen Apps und Web-Apps erheblich aufgeweicht, da Amazon nun auch ein Angebot von HTML5-basierten Web-Apps über den Store zuläßt. Mit einem extrem einfachen Mechanismus müssen Entwickler hier letztlich nur noch eine URL, ein App-Icon und einige wenige Vertriebs-Metadaten angeben, um die Distribution von Web-Apps auch für ein kostenpflichtiges Angebot anzustoßen. Dieser Schritt ist in der Tat als Meilenstein für App-Stores anzusehen, da damit die Schwierigkeiten in der Monetarisierung der technisch hoch attraktiven Produktform Web-App komplett ausgeräumt werden. Amazon ergänzt diesen Weg noch durch Mechanismen wie der Nutzung der Amazon-Single-Sign-In-API und einer API für In-App-Verkäufe in Web-Apps, womit Entwickler weitere Möglichkeiten für die Integration von Kundennutzen gewinnen.
Mit dem “Mobile Associates Program” dagegen wird ein neuer Weg zur Monetarisierung von Apps geschaffen: Amazon dehnt hier sein Affiliate-Modell bei Shop-Verkäufen über Anzeigen auf anderen Plattformen auch auf Mobile Apps aus. Entwickler haben so die Möglichkeit, über spezielle Schnittstellen Werbung für digitale und auch reale Güter aus dem Amazon-Store in ihre Apps zu integrieren und erhalten beim Kauf durch den Kunden entsprechende Umsatzanteile. Neben reiner Bewerbung von Shop-Inhalten kann das Programm beispielsweise für Modelle wie Bundles aus realen und digitalen Produkten verwendet werden – ein spannender Gedanke, der sich in vielfältiger Weise mit anderen Geschäftsmodellen wie Freemium- oder Abomodellen verknüpfen lässt.
Details dazu sind im Developer-Bereich von Amazon für das Mobile Associates-Programm nachzulesen.
Apple
Abgesehen davon, dass für den Herbst das Release von iOS 7 vor der Tür steht, das umfangreiche Änderungen quer durch das gesamt Ökosystem implementieren wird, war Apples App-Store derjenige, in dem sich im Laufe des Jahres am wenigsten neues getan hat. Eine Änderung der Zulassungsregeln für den App-Store zielt vor allem auf verbesserten Schutz vor nicht kindgerechten Inhalten und bringt eine Verschärfung der Altersregeln bei der Zuweisung zu Apps.
Ausgesprochen spannend ist jedoch die Beobachtung des App-Marketing- Spezialisten Fiksu, nach der Apple offenbar jüngst seinen Algorithmus zur Berechnung der App-Store-Ränge geändert hat. Nach dem Artikel scheinen nun die Nutzer-Bewertungen mit einbezogen zu werden und beeinflussen ein Ranking nun neben den Download-Zahlen mit. Die Änderung ist wohl motiviert von den mittlerweile vielen Manipulationsmöglichkeiten, die sich aus der reinen Download-Auswertung ergeben.
Auch Google bemüht sich in jüngster Zeit vor allem um mehr Qualität im App-Store-Angebot: Aufgrund des traditionell eher schlechten Rufs von Android-Apps gab der Anbieter eine deutliche Verschärfung der Regeln für Android-Entwickler bekannt. Der Vorstoß zielt vor allem auf Malware und Schadsoftware, pornographische Apps, Online-Glücksspiele und ähnliche Apps ab, die eher in der Schmuddel-Ecke des Web angesiedelt sind. Interessant ist daneben aber, dass auch der Einsatz von Werbe-Einblendungen und Push-Nachrichten zu Werbezwecken deutlich stärker reglementiert wird als bisher – angesichts der immensen Bedeutung von Google für das Online-Marketing ein spannender Schritt, der zeigt, wie sehr der Bogen wohl in der Vergangenheit überspannt wurde. Im Detail sind die neuen Regeln direkt im Developer-Bereich von Google Play nachzulesen.
Interessant für Content-Anbieter ist daneben der bei der Präsentation des neuen Nexus 7-Tablet ebenfalls verkündete, verstärkte Einstieg in den Markt für Erziehungsmedien. Unter dem Label “Google in Education” wird eine eigene Kategorie für Android Apps im Play Store mit entsprechendem App-Angebot sowie Funktionen zum Verteilen des Content über Klassen und Lerngruppen geschaffen. Daneben wird für den eBook-Store in Google Play eine Ausleih-Möglichkeit für Lehrbücher integriert – Studenten in den USA können hier über ein Flatrate-Modell Bücher der 5 größten Lehrbuchanbieter sowohl kaufen, als auch semesterweise mieten.
Blackberry
In Europa nie sehr verbreitet, hat Research in Motion entscheidende Trends der letzten Jahre schlicht verschlafen und ist mittlerweile ähnlich wie Nokia als Abstiegskandidat der Mobil-Anbieter zu sehen. Aktuell wird dies gleich in zwei Bereichen deutlich: Die jüngste Produkt-Generation Q10/Z10 hat sich bei den Hardware-Verkäufen als Flop erwiesen und zeigt, wie weit das Unternehmen inzwischen hinter der Konkurrenz zurück hängt.
Auch ist es Research in Motion nie gelungen, ein dynamisches Ökosystem um seine Blackberry-Plattform herum zu entwickeln. Ein Schlaglicht darauf ist die jüngst veröffentlichte Nachricht, dass die Blackberry App World zwar aktuell etwa 120.000 Apps zählt, aber offenbar alleine ein Drittel davon von einem einzigen Anbieter stammt, der hier in Massen geklonte RSS-Feed-Apps und Spass-Anwendungen in den Store geladen hat. Die Tatsache, dass es hier nicht gelungen ist, zehntausende an minderwertigen Apps aus dem Store zu halten und ein hochqualitatives Angebot zu schaffen ist, ist bezeichnend für den Abstieg der einstigen Premium-Marke.
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