Was ist bei der Umstellung und Einführung von Verlagssoftware zu beachten?

Digitalisierung bedeutet die Einführung neuer Systeme. Produktinformationen, Media Asset Management, Content Management Systeme, CRM und und und – die Liste mag nicht abreißen. Schließlich müssen digitale Produkte schnell erstellt, Content verwaltet und die Kundendaten sinnvoll und sicher generiert werden. Dabei ist auf viele Tücken zu achten. Wir fragen Praktiker nach ihren Erfahrungen und Kriterien.

Der Auswahlprozess von Verlagssoftware ist alles andere als trivial. Denn im Vergleich zu anderen Branchen besitzt die Verlagsbranche einen relativ geringen Standardisierungsgrad ihrer Geschäfts- und Produktionsprozesse – das wiederum bedeutet eine große Herausforderung für Software-Hersteller, die Lösungen in diesem Bereich anbieten. Aus unserer Erfahrung heraus haben wir für Umstellung und Einführung von Verlagssoftware drei ganz zentrale, kritische Faktoren für den Erfolg derartiger Projekt identifiziert:

  • Komplette Prozess-Abbildung: Bereits bei der Definition der Projektziele sollte klar festgelegt werden, welche Geschäftsprozesse das System abdecken soll. Bei der Evaluierung und Entscheidung muss die Lösung passgenau zu diesem Anforderungsprofil passen. Denn nichts ist im laufenden Betrieb ineffizienter, als wenn in vielen Fachabteilungen zwar mit dem neuen System gearbeitet wird, aber dennoch “Schattensysteme” parallel laufen, die die eigentlichen Prozesse abbilden, weil die Software eben doch nicht zu den Prozessen passt. Insbesondere ist darauf zu achten, dass alle zentralen Geschäftsmodelle vom System abbildbar sind. Denn spätestens wenn für das Business-Reporting noch separate Prozesse gefahren werden müssen, ist das Projektziel verfehlt.
  • Offene Schnittstellen-Architektur: Je nachdem, welche Kernprozesse des Geschäfts das System abbilden soll, sind unter Umständen viele weitere Systemlösungen anzubinden. Das können kaufmännische Systeme wie SAP sein, Shop-Lösungen aus dem eCommerce-Bereich oder auch Produktionssysteme mit herstellerischem Fokus. Eine besondere Herausforderung in diesem Bereich ist meist die Anbindung von Systemen externer Partner. Denn meist müssen hier spezifische Schnittstellen und Datenformate implementiert werden. Eine optimale Lösung muss hier genügend Flexibilität bieten, um mit einer offenen Architektur ohne hohe Anpassungs-Aufwände Schnittstellen bedienen zu können. Unbedingt zu vermeiden ist die (in der Praxis leider oft realisierte) “Praktikanten-Schnittstelle”.
  • Optimale Usability: Die Einführung neuer Systemlösungen erzeugt bei Mitarbeitern in den Fachabteilungen ohnehin unvermeidlichen Anpassungsdruck. Um diesen natürlichen Effekt zu kompensieren, sollte eine Software-Lösungen allen Anforderungen moderner Software-Ergonomie entsprechen und und optimal in die Arbeitsprozesse der Unternehmens passen. Daneben sollten für eine erfolgreiche System-Einführung begleitende Maßnahmen wie etwa Kernteam-Schulungen im Vorfeld, die Etablierung eines Key-User-Systems, eine gründliche Software-Schulung und flankierendes Change Management erfolgen. Denn kaum etwas ist im Arbeitsalltag unproduktiver, als wenn Mitarbeiter aus Unkenntnis oder innerer Abwehr heraus eher gegen das System arbeiten als mit ihm.

 

Zu den Hintergründen eines beispielhaften Projektes zur Einführung einer neuen Verlagssoftware berichtet uns Michael Schack vom Carlsen Verlag:

 

MIchael Schack

Michael Schack, Produktionsleiter CARLSEN Verlag. Copyright: Nina Stiller.

Michael Schack, 41, ist Produktionsleiter beim CARLSEN Verlag. Der studierte Verlagshersteller arbeitete u. a. in Oxford bei der Printagentur „Imago“, bei Bertelsmann und ist seit Sommer 2010 bei CARLSEN.

 

Wie ist der Verlag beim Auswahlprozess für seine Verlagssoftware vorgegangen?

Michael Schack: Bei uns war die Auswahl der Verlagssoftware das Projekt einer Verlagsgruppe – der Bonnier-Gruppe. Es gab eine gemeinsame Ausschreibung für zwei Projekte: Projektinformation-Management-System (PIM) und Mediaasset-Management-System (MAM). Mit den Kandidaten, die in die engere Auswahl gekommen sind, sind wir dann Stück für Stück die Detailfragen durchgegangen. Ganz oben auf unserer Liste stand: einfache, intuitive und ergonomische Bedienung. Danach natürlich eine hohe Flexibilität, was Exporte oder Reporte angeht, die Anpassbarkeit an zukünftige digitale Anforderungen und eine souveräne Abdeckung der Grundlagen.

 

Welche Entscheidungskriterien hatten das größte Gewicht?

Michael Schack: Was uns wichtig war:

  • Konsequent auf Internettechnologie setzen.
  • Starker Fokus auf das User-Interface. Idealerweise muss man nichts installieren, sondern jeder kann mit seinem Webbrowser sofort loslegen, denn wir sind ja ein Verlag, und kreative Leute mögen eigentlich solche Systeme per se nicht unbedingt… Je einfacher man es machen kann, desto besser wird es angenommen.
  • Die Schnittstellen zu anderen Systemen.
  • Steht das System am Anfang seines Lebenszyklus?

Unseren Entscheidungskriterien folgend, haben sich die Verlage der Bonnier-Gruppe für die Implementierung einer modernen Verlagslösung entschieden.

 

Und was war aus Ihrer Sicht als Produktionsleiter besonders wichtig bei der Entscheidung?

Michael Schack: Für mich war vor allem die Flexibilität entscheidend. Wir sind mitten in einem digitalen Umbruch und wissen nicht, welche Produktformen wir in der Zukunft verkaufen werden. Deswegen brauchen wir ein System, das mit uns leben und wachsen kann. Ein Beispiel: Wir schaffen gerade ein Autorenportal, in dem wir u. a. unseren Autoren tagesaktuell Zugang zu Verkaufszahlen usw. geben. Neue Distributionswege zu bestücken und anzusteuern, ist auch ein großes Thema. Wo schicken wir unsere Informationen hin? In welchem Format? Und wie kann man all das so bereitstellen, dass die Distributionspartner mit unseren Daten bequem arbeiten können? Da macht die Software hinter den Kulissen ganz viel.

 

Wie verlief die Umstellung verlagsintern?

Michael Schack: Der Evaluationsprozess lief bis ca. Oktober 2010, die Einführung kam dann ungefähr ein Jahr später. Im Verlag hatten wir ja schon ein eigenes System, alle Bonnier-Verlage hatten ihre Systeme – d. h., das Thema Datenmigration spielte eine große Rolle. Tatsächlich konnten wir alle Daten, die wir in den Systemen hatten, übernehmen. Es gab natürlich auch Stolpersteine, z. B. mussten wir die verschiedenen Verlage unter einen Hut bringen. Das hat die Komplexität der Anforderungen sehr erhöht und den Prozess verlangsamt, führt aber jetzt bei uns zu Effizienzgewinnen, weil wir viele Dinge standardisieren konnten.
Bei der Umgewöhnung haben viele Mitarbeiter eine Weile gebraucht, um z. B. die Bedeutung von Metadaten zu erfassen. Das war ein Lernprozess – vorher hatten wir im Verlag Dutzende Excel-Tabellen, die mit erheblichem Aufwand manuell zusammengestellt wurden und in denen sich immer irgendwelche Informationen doppelten. Nun ist alles an einer Stelle in der Datenbank. Dieser „Switch“, dem System zu vertrauen, fiel manchen leichter und manchen schwerer. Aber inzwischen können wir sagen: Wir sind angekommen.

 

Welche sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Effizienzgewinne?

Michael Schack: Bei der üblicherweise in Verlagen vorhandenen IT ist es oft leichter, etwas im Internet als im eigenen Intranet zu finden. Hier sind wir gut vorangekommen. Die Mitarbeiter gewöhnen sich daran, die Suche zu benutzen und sich so die gewünschten Informationen intern zu beschaffen. So haben wir z. B. die Häufigkeit von Telefonanrufen oder das Versenden von E-Mails reduziert – Ablenkungen, über die sich viele Mitarbeiter beklagen. Weiterer Effizienzgewinn: Unsere Metadaten sind viel besser geworden. Nun können wir z. B. an die Shops weitere Informationen melden, die zum betreffenden Titel passen, und die Auffindbarkeit unserer Produkte verbessern. Auch unsere Webseite können wir nun mit viel reichhaltigeren Informationen bestücken – Informationen, die wir früher mühsam manuell zusammentragen mussten.


 

 

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.