Das Sachbuch für Kinder: die App als Experimentierkasten

Im letzten Blogbeitrag haben wir auf die Nutzung des Internets und der mobilen Geräte durch Jugendliche hingewiesen und dass Tablet und Smartphone immer wichtiger sind. Was sind die Folgerungen für Kinderbücher, wenn es um Sachthemen geht? Denn enzyklopädisches Wissen wird an Bedeutung abnehmen, wenn es denn für Kinder je bedeutend war. Vielleicht waren die vielen Lexika in früheren Zeiten für Kinder auch nur noch ein Reflex auf die Tradition der Enzyklopädisten, der längst nicht mehr die Wirklichkeit der Jugend erfasst hat. Wenn die Fülle an Informationen alle zwei Jahre verdoppelt wird, helfen lexikalische Strukturen

Pusten (2)

Das Tablet wird zum Blasinstrument. Durch Pusten ins Mikrofon wird das Windrad bewegt, indem die Geräusche dann die Animation starten.

nur bedingt bei der Orientierung. Wikipedia lebt und die Trefferliste im Netz ist immer aktueller als jedes gebundene Werk. Jugendliche lernen schnell, dass es DAS Wissen nicht mehr gibt, dass die Orientierung als Fähigkeit genauso bedeutend ist wie die Information selbst. Und die Pädagogik spricht schon längst von Metakognition und Connectivism, um die Lernziele an den Schulen darauf anzupassen.

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Das Tablet wird zum Werkzeug. Durch das Drehen wird das Wasser in die richtige Richtung gelenkt und kann das Mühlrad in Bewegung setzen.

Apps bieten als Produktform natürlich alle Möglichkeiten des Digitalen und hier zeigt sich auch, wie Sachbücher für Kinder künftig aussehen werden. Dass Spiele, Videos, Grafiken und ein Quiz zur Grundausrüstung gehören, versteht sich von selbst. Sie sind Experimentierkasten und Buch zugleich. Denn sie vereinen das Tun mit dem Lesen, das Spielen mit dem Entdecken. Auch das kommt den Forderungen der Pädagogen entgegen, durch das eigene Handeln Dinge zu erfahren und dadurch zu speichern. Das ersetzt nie den Lehrer, nie die Einbettung in einen Kontext und die Bestätigung, dass dieses Wissen auch eine soziale Bedeutung hat. Aber es unterstützt die Lehre.
Denn Kinder werden durch die Möglichkeit, selber etwas zu machen, auf Entdeckungstour gehen. Das Wissen kommt auch, hat aber denselben Wert wie das Tun. Und hierin liegt wohl der größte Umbruch in der Lehre. Dass Wissen ohne Tun nur eine begrenzte Halbwertszeit hat und immer auf dem Prüfstand stehen muss.

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Das Tablet wird zum Spiegel und zur Kamera, die den Protagonisten buchstäblich ins Bild holt und zum Gestalter macht.

Beispiele für gute Kinderapps gibt es viele. Das Video zu Bobo explores light verdeutlicht ganz schön die Fülle der Interaktionen, die möglich und sinnvoll sind. Das noch als “book” zu bezeichnen ist mehr als untertrieben.
Dass die Konzeption solcher Apps natürlich nicht auf der Basis eines Buches erfolgen kann, ist hinlänglich bekannt. Es empfiehlt sich, eine Physikstunde mit Experimenten vor Augen zu haben, um die Möglichkeiten besser auszuschöpfen. So wie etwa bei der neuen Löwenzahn Entdecker-App zum Thema Strom, die hier als Beispiel und Muster herhalten darf.

Schreien (2)

Endlich laut sein dürfen. Und am eigenen Leib spüren, wie viel Energie man hat und braucht für die kleinen Dinge des Lebens.

Dass Tablets eine große Faszination auf Kinder ausüben, ist sattsam bekannt: Das Wischen und Berühren unterstützt die Speicherung von Wissen. Jedes Wort, das durch eine Tätigkeit zusätzlich aufgeladen wird, erhält mehr Speicherplatz im Großhirn. Neben diesen schon klassisch zu nennenden Tätigkeiten gibt es auch noch weitere Möglichkeiten der Interaktion mit dem Gerät. Man kann pusten (so wie z.B. in dieser reinen “Puste-App”), schreien, drehen, nachfahren, man kann sich filmen und dann erneut sehen. All das sind Tätigkeiten, die, wenn sinnvoll eingesetzt, nicht nur Spaß an der Freude vermitteln, sondern das Lernen auch noch unterstützen.
Und zugleich wird die Medienkompetenz verbessert, denn das Kind lernt auch die Möglichkeiten (und Grenzen) der Geräte besser einzuschätzen und zu nutzen. Und die Entwicklung wird weiter in diese Richtung gehen, wenn man sich Apps wie “Skip a beat” zu Herzen nimmt, die einen nur gewinnen lässt, wenn man seinen Herzschlag genau einschätzen und kontrollieren kann.

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.