Alles Mobile? Deutschland im weltweiten Vergleich

Germany – two points. Man fühlt sich an den Eurovision Song Contest erinnert, wenn man den Stand der Nutzung mobiler Geräte in Deutschland im internationalen Vergleich sieht. Dabei sollte man aber auch nicht den üblichen Katzenjammer anstimmen und als schuldbewusste Deutsche nur das Schlechte sehen. Licht und Schatten sind wie überall zu finden. Interessant ist der internationale Vergleich deshalb, weil er Rückschlüsse zulässt auf die Entwicklungen hierzulande. Als Exportweltmeister in einer globalen, vernetzten Welt hat sich die deutsche Wirtschaft wie kaum eine andere flexibel und innovativ gezeigt. Sonst stünde sie nicht dort, wo sie ist. Diese Tatsache erhöht den Druck auf die Anpassung an internationale Entwicklungen. In der Medienindustrie können die Mitarbeiter die dauernden Vergleiche mit Amazon und Google schon nicht mehr hören, so präsent sind sie. Trotzdem gehört es zum Handwerk, darauf zu achten. Die weltweite Tendenz, “mobile first” zu denken, hinterlässt auch hier ihre Spuren. Hier ein Blick auf den “Global Mobile Report” von comScore.

Länder mit einer gut ausgebauten Infrastruktur wie Deutschland oder die USA sind im internationalen Vergleich bei der Nutzung mobiler Endgeräte nicht an vorderster Stelle. Es fällt auf, dass der Zugang zum Internet über mobile Geräte dort überproportional hoch ist, wo andere Strukturen an ihre Grenzen gekommen sind. Die Organisation des Alltags erfolgt in diesen Ländern immer stärker über digitale Medien. So sind in Indien 70% der digitalen Nutzer Mobile-Only-User und in Brasilien ist der Anteil der Mobile-Only-Nutzer innerhalb des letzten Jahres von 22% auf 29% gestiegen. Weltweit sind mehr als 25% der user “Mobile-Only-Nutzer”, mit steigender Tendenz

Weitere zentrale Erkenntnisse aus dem Bericht sind:

  • Lateinamerika ist weltweit führend in der Menge der durchschnittlichen mobilen Minuten pro Nutzer.
  • Apps dominieren die mobile Nutzung und machen über 80% der mobilen Nutzungszeit aus. Damit scheint aber auch das Plateau erreicht, denn nur Spanien verzeichnet hier noch Steigerungen.
  • Instant Messaging und Social Media machen in den betrachteten Ländern mehr als ein Viertel aller mobilen Minuten aus. Die Marktführer ändern sich von Land zu Land und heißen wie bekannt Facebook Messenger, WhatsApp und WeChat.
  • Nur in Indien sind mehr Männer als Frauen “Mobile-Only”-Nutzer.
  • Die Deutschen sind verspielter als angenommen: Zumindest im Vergleich zu Instant Messenger werden mehr Minuten pro Nutzer generiert. Insgesamt dominieren wie gewohnt bei den Apps die Spiele, weltweit.
  • Die mobile Nutzung der Kategorien Banking und Handel entspricht fast der Desktop-Nutzung, wobei in Deutschland der Desktop noch Trumpf ist. In der Kategorie Handel ist Deutschland im Vergleich Schlusslicht bei der mobilen Nutzung (36% mobile im Vergleich zur Desktop-Nutzung).

Mittlerweile lässt sich auch nicht mehr von einem Generationenunterschied sprechen. Zumindest bis zur Kategorie 45+ ist der Unterschied zu den sogenannten “digital natives” zu vernachlässigen.

 

 

Wichtig ist, dass “mobile first nicht gleich mobile first ist. Es gibt je nach Thema und Land doch noch erhebliche Unterschiede.

Vor allem in Deutschland liegen die Themenbereiche Nachrichten, Reise, Bekleidung, Banking, Immobilien oder “Portale” meistens noch in der Reichweite des Desktops. “My home is my castle” und von dort aus bewegen sich viele in die Welt hinaus, bequem vom Laptop aus.

Wie schon in vorangegangenen Untersuchungen zum Appmarkt bestätigt sich die Tendenz, dass nur wenige Apps mit einer hohen Reichweite dominieren. Dazu kommt, dass über die Hälfte der Nutzer keine neuen Apps herunterlädt. Naturgemäß sind auch hier die Jüngeren (bis 34) neugieriger. Die Hürde für die Etablierung neuer Apps ist entsprechend hoch.

Bedenkt man die Fülle an Apps in den Stores (wir rechnen mit über 2 Millionen bei Apple und Google), so verblüfft die niedrige Anzahl wirklich relevanter Apps immer wieder. Die Top 30 Apps generieren in allen Ländern mehr als 40% der mobilen Nutzungszeit und davon entfällt wiederum 95% auf die Top 10 Apps.

Der globale Markt wird auch in Deutschland das Thema “mobile first” forcieren. Die hier gezeigten Statistiken sind kein Beleg für Rückschrittlichkeit in Deutschland, auch wenn es beim Zugang zum Netz, in der Bildung und vielen anderen Bereichen viel zu tun gibt. Nur als kleiner Abschluss sei auch ein anderes Bild erlaubt, z.B. dass Bosch bei der Anmeldung digitaler Patente zum autonomen Fahren weltweit führend ist. Das Bild vom deutschen Dornröschen ist nicht ganz stimmig.

Eine der wenigen Statistiken, in denen deutsche Unternehmen sehr weit vorne stehen. Patente sind noch nicht die Garantie für wettbewerbsfähige Produkte, aber eine Voraussetzung. Man könnte zwar vermuten, Tesla und Google seien hier schon weiter, aber man kann der deutschen Wirtschaft nicht vorwerfen, untätig zu sein.

 

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.