Wie bewertet man Start-ups? Ein Kriterienkatalog

Start-ups haben Konjunktur. So wie die Jugend. Sie versprechen neue Lösungen, frischen Wind und natürlich Ruhm und Reichtum. Haben Microsoft, Facebook und Amazon nicht auch ganz klein angefangen und sind jetzt reicher als manche Staaten? Natürlich muss man sich als Unternehmen mit ihnen befassen. Keine Frage, alles andere wäre nicht nur politisch nicht korrekt.
Aber wie soll man sie eigentlich bewerten? So wie picklige, pubertierende Jugendliche, die blöde Witze machen, nähert man sich ihnen vorsichtig. Wer weiß, ob sie so bleiben oder zu ungeahnter Schönheit erblühen?
Wir begleiten Start-ups seit vielen Jahren, haben selber welche gegründet, mehr als genug Ideen gegen die Wand gefahren und ein paar auch zum Erfolg gebracht. Aus der Arbeit bei CONTENTshift, dem Accelerator der Buchbranche, ist ein Kriterienkatalog für die Bewertung entstanden, den wir auf dem letzten “Eisbrecher” vorgestellt haben und gerne teilen wollen. Professor Dr. Okke Schlüter von der HDM in Stuttgart und ich haben diesen im Zusammenspiel mit dem Team des Börsenvereins und CONTENTshift über mehrere Jahre entwickelt und nutzen ihn als Basis für unsere Arbeit.

Mein Ziel – was will ich eigentlich?

Die Aufgabe von CONTENTshift ist das Coachen von Start-ups in der Frühphase. Wir bewerten sie, entwickeln ihr Geschäftsmodell weiter und vernetzen Sie vor allem mit der Branche. Das Ziel ist ganz klar die Entwicklung von Innovationen für die Branche. Das bedeutet, dass wir die Anforderungen der Marktteilnehmer wie Verlage, Händler und Dienstleister kennen müssen und sie mit den Angeboten der Start-ups verknüpfen. Und hier kommen wir zum ersten Punkt bei der Bewertung von Start-ups, der Frage nach den eigenen Zielen. Ist man sich über diese nicht im Klaren, dann tauchen spätestens bei der Abstimmung in der Jury oder der internen Bewertung von Investitionen die Streitereien auf. Innovationen zu fördern ist etwas anderes als Rendite zu erwirtschaften, eine Branche zu unterstützen etwas anderes als den eigenen, etablierten Prozessen im Unternehmen einen Spiegel vorzusetzen. Deshalb kann der vorliegende Katalog nur begrenzt als Vorlage dienen. Er muss auf alle Fälle an die jeweilige Situation angepasst werden.

Mein Kunde – oder was für ein Problem löse ich denn eigentlich?

Ein weiteres wichtiges Kriterium ist bei allen neuen Lösungen die Frage nach den Kunden. Und hier heißt das, ob die Kunden und deren Bedürfnisse auch richtig erfasst wurden. (Im Rahmen unserer Beiträge und Bücher zu Buyer Personas und digitalem Publizieren sind wir an anderer Stelle ausführlich darauf eingegangen.)

In unserer Bewertungsmatrix starten wir wie üblich mit der Frage nach dem Problem, das es zu lösen gilt. Hier offenbart sich als erstes, ob man wirklich an den Kunden denkt oder doch eher von der Lösung her. Und natürlich darf man hier den bisherigen Befragungen der Kunden und Freunde nicht trauen und muss bis hin zur Entwicklung eines mvp genau prüfen, ob das Start-up ernsthaft an der Entwicklung der Lösung interessiert ist. Ein Arzt, der nur seine von ihm erstellte Medizin verschreiben will, der wird nie ein guter Arzt werden, weil es ihm nicht um die Heilung seiner Patienten geht, sondern um seine Erfindung.

Mein Business Plan – oder wo lüge ich denn allzu offensichtlich?

Nun soll man zwar keinem Business Plan trauen, den man nicht selber gefälscht hat, aber ein paar Kriterien helfen doch schnell zu erkennen, ob die Annahmen zur Geschäftsentwicklung im Rahmen bleiben. Natürlich bietet jedes Start-up ab dem dritten Jahr einen hockey-stick an und eine rasante Entwicklung der Umsätze. Bis dahin hat eh jeder schon den ersten Plan vergessen und niemand wird einem dann einen Strick daraus drehen können. Aber vor allem die Einschätzungen der Kosten für die Technologie und die Marketingausgaben lassen schnell erkennen, wie klug hier gedacht wird. Die üblichen Tools zur Bewertung von Conversion-Funnels sind leider nicht allen Start-ups geläufig. Und auch die Aufwände für die Projektierung zeigen schnell, wie viel Erfahrung bei der Entwicklung vorliegt und wo blaue Augen den Blick trüben.

Das Team – oder welche Kompetenzen liegen eigentlich vor?

Und dann ist natürlich die Frage nach dem Team zu stellen und den handelnden Personen. Dieser Part ist für Investoren besonders wichtig, denn man will sicher gehen, dass das Geld nicht in falsche Hände gerät, die Kompetenzen vorhanden sind und der schicke Geschäftswagen nicht die erste Investition darstellt.

“Am Ende muss die Chemie stimmen.” Natürlich entscheidet meist dann doch “der Bauch”, sprich das Unbewusste. Deshalb empfehlen wir immer die Verwendung psychologischer Modelle, wie z.B. die limbic map, bei der Bewertung des Teams. Denn auch “die Chemie” will verstanden werden: Natürlich ist eine möglichst gute Aufteilung im Team wichtig, Durchsetzungsstärke muss sich mit Empathie, Ehrgeiz mit Flexibilität, Professionalität mit Offenheit paaren. Wir haben gute Erfahrungen mit einem gemeinsamen Wochenende gemacht, bei dem die Start-ups aufgefordert werden, die Probleme der etablierten Unternehmen zu lösen – zunächst einmal unabhängig von ihren eigenen Angeboten. Hier zeigen sich schnell wichtige Kompetenzen.

 

 

 

 

 

 

 

Hier geht es zum Kriterienkatalog zum kostenlosen Download. Wir freuen uns wie immer auf eine rege Beteiligung bei CONTENTshift und den anregenden Austausch!

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.