
Das waren noch Zeiten, als der Weg zu Ikea zum Leben des Studenten gehörte und der Anbau neuer Regalteile den Fortschritt des Studiums dokumentierte. Diese Epoche ist vorbei. Und wir dürfen wie Goethe sagen, wir seien bei diesem Wandel dabei gewesen. Mit jedem Umzug wird es deutlicher, mit jeder Wohnungsauflösung, bei der die Bücherkisten nicht einmal mehr von der Caritas abgenommen werden. Die gedruckten Bücher sind nicht mehr die Referenz. Der Ablageort ist das Netz und jeder hat dort schon seine Ordnung der Dinge erstellt, sein persönliches Dateiensystem mit all den Fotos, Spielen, Videos, der Musik und den Texten, die das eigene Leben charakterisieren. Die Zeiten sind vorbei, als man wie Umberto Eco einem Besucher seiner Bibliothek auf die Frage “Und haben Sie die alle gelesen?” mit einem “Nicht nur die, nicht nur die!” antworten konnte. Man zeigt sich und sein Bücherregal virtuell auf facebook und google+ und schickt sich dort auch gleich das Zitat mit Quellenangabe. Das Leben kann so einfach sein.
Das neue Billy-Regal wird wohl mit einer Glasscheibe versehen sein. Bücher werden dort kaum noch Platz finden. Eher der Nippes, den die großen Häuser schon so lange unters Volk bringen. Und so kehren wir zu Musils Törleß zurück und den Gebrauch von Büchern als etwas Besonderem:
“Zu Hause standen diese Bücher in dem Schranke mit den grünen Scheiben in Papas Arbeitszimmer, und Törleß wusste, dass dieser nie geöffnet wurde, außer um ihn einem Besuch zu zeigen. Es war wie das Heiligtum einer Gottheit, der man nicht gerne naht und die man nur verehrt, weil man froh ist, dass man sich dank ihrer Existenz um gewisse Dinge nicht mehr zu kümmern braucht.”
(Siehe zu IKEA auch John Biggs auf techcrunch und Kathrin Passig in Der Merkur 2010/12 zum schleichenden Niedergang des Buchregals als Ordnungssystem.)