Welche Geschäftsmodelle machen Sinn? – Erfahrungen bei Burda und SemVox

Der Publishing Monday an der Akademie des Deutschen Buchhandels widmete sich der Frage nach dem geeigneten Geschäftsmodell und welche Rolle in diesem Zusammenhang künftig „Content“ spielen wird.

Nach einem Einstieg von Michael Ladendorf über den richtigen Zeitpunkt für die Einführung eines Produktes an diversen Beispielen erläuterte Gregor Vogelsang (Burda Creative Group) die Strategie im Bereich Corporate Publishing.

Unternehmen müssen in einer immer fragmentierter erscheinenden Welt ihre Kunden auf verschiedenen Wegen erreichen. Content Marketing ist hier eine wichtige Strategie. Denn durch gute Inhalte werden nach wie vor die Kunden erreicht.

Content ist der Klebstoff, aus dem die Träume sind. Er ist eine Währung im Netz („social currency“) für den Kunden. Denn im Austausch mit anderen wird der Kunde zum Autor: Er leitet Informationen weiter, agiert allein durch seine Auswahl schon als Filter für andere. Sobald er auch noch kommentiert, wird er auch noch zum Autor und dann auch schnell zum Verleger, wenn er seine Werke verkaufen will.

Die Überfülle an Angeboten führt dazu, dass der Kunde parallel immer mehr Medien nutzt und diese über immer mehr, unterschiedliche Plattformen und Geschäfte bezieht. Das macht es vor allem für Verlage schwer im Kampf um die Aufmerksamkeit. Die Folge ist, dass Verlage auf dem Nachspüren der customer journey wie im Hase und Igel-Spiel immer schon verloren haben. Es gelingt ihnen nicht mehr, Schritt zu halten. Denn man kann zwar noch erkennen, wo der Kunde gerade ist, aber schnell genug die nötigen Angebote bereit zu stellen, die aktuell geforderten technologischen Lösungen einzusetzen und die internen Prozesse umzustellen etc.  – das alles dauert viel zu lange.

Kaum wurden ein paar Apps für das Smartphone entwickelt, kommt das Tablet um die Ecke, wollen andere Betriebssysteme wie Android bedient werden, werden Web-Apps und Packaged Apps als innovative Lösungen gefeiert. Und es hört nicht auf. In dem fragmentierten Markt wird es schwer für Verlage, rechtzeitig passende Produkte anzubieten und dabei Technologie, Distribution und Geschäftsmodell in Einklang zu bringen. Wenn man also auf der Jagd nach dem Kunden immer langsamer wird, muss man die Strategie ändern. Der Kunde muss von allein ins Netz.

Verlage verkaufen klassisch ihre Inhalte zu einem bestimmten Preis über die klassischen Handelswege. Nimmt man jedoch den Plattform-Gedanken ernst, so liegt es nahe, genau hierüber den Kunden anzuziehen: listen – create – connect. Man lockt den Kunden durch Inhalte auf die Plattform, hört zu, welche Angebote gesucht werden, schafft dann neue und verknüpft wiederum die Kunden und andere Anbieter. Die Erlösmodelle heißen dann Content Marketing (für Sponsoren oder Anbieter von Produkten, die nicht aus dem Medienumfeld kommen) oder editorial shopping: Der Kunde kauft dort, wo er aufgrund der Nähe zum Inhalt immer schon ist.

 

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Electronic Beats: Ein Beispiel für eine gelungene Plattform, um im Musiksponsoring die Kunden zu überzeugen. Der Sponsor tritt dezent auf und bietet genügend Mehrwert, um auf beeindruckende Akzeptanz (siehe likes und Kommentare) zu kommen.

 

Damit Informationen im Umfeld des Kunden wirksam werden können, müssen sie digital vorliegen. Dann können sie in Autos beim Fahren wirksam werden, in der App von Fluggesellschaften bei der Bestellung von Tickets oder auf den Portalen von Schwimmbeckenproduzenten als Hintergrundinformation.

 

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Und dann können die Inhalte an diese Firmen verkauft werden (content marketing) und stellen eine weitere Erlösquelle dar. Rich content lautet das Schlagwort und führt eine Reihe von Aufgaben mit sich. Die Inhalte müssen in einem CMS abgelegt sein. Es braucht Ontologien, die Signifikat und Signifikant zusammenbringen. Semantische Annotationen sind nötig, Verlinkung, Personalisierung und die gute Visualisierung von Kontext und Inhalt. Sprich: Es braucht Spezialisten auf diesem Gebiet. Dr. Norbert Pfleger von SemVox erläuterte die Hintergründe:

Die Anforderungen ergeben sich dabei nicht nur aus dem veränderten Verhalten der Nutzer, die Medien vor allem digital konsumieren und Wert auf mobile Verfügbarkeit und personalisierten Content legen. Die Vielfalt und Komplexität der digitalen Inhalte erfordert innovative Technologien und interaktive Schnittstellen, um Verlagsinhalte jederzeit verfügbar zu machen und Kunden zu erreichen.

Ein großes Potential für Verlage liegt darin, ihre Produkte als interaktive Lösungen, z.B. via Web, zu präsentieren, um ihre redaktionell hochwertigen Inhalte auch unterwegs verfügbar zu machen und Kunden die Möglichkeit zu geben, gezielt die Inhalte abzufragen, die sie wünschen. Interaktive Medien bieten Nutzern größtmöglichen Komfort und Flexibilität. Neben der klassischen Textpräsentation können sie sich Inhalte auch per Sprachausgabe vorlesen lassen.

 

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Durch intelligente Bedienschnittstellen wie Sprachsteuerung, Gestensteuerung oder multimodale Bedienung können Nutzer situationsabhängig die für sie optimale Interaktionsform wählen oder Eingabeformen kombinieren. So profitieren Nutzer auch während der Autofahrt von redaktionellen Inhalten, indem sie bequem auf Verlagsprodukte wie beispielsweise Reiseführer zugreifen und gezielt Content abfragen können: „Ich möchte auf dem Weg nach München etwas über die Geschichte des Marienplatzes erfahren!“

Die Basis für diese flexible und natürliche Interaktion ist die Fähigkeit des Systems zum intelligenten Sprachverstehen. Das System ist in der Lage,  Bedeutung zu erfassen, da durch ein semantisches Modell Verknüpfungen zwischen Informationseinheiten hergestellt (semantische Annotation) und interne sowie externe Inhalte verknüpft werden. Zusätzlich profitieren Verlage von der Möglichkeit, ihren Kunden gezielte und auf ihre aktuellen Bedürfnisse zugeschnitte Inhalte zu präsentieren. Im Prozess der Personalisierung „lernen“ interaktive Systeme Benutzerpräferenzen, indem sie die Interaktionsschritte des Benutzers abbilden und sich die Interaktionshistorie „merken“. Zudem sind sie in der Lage, den Verlauf der bisherigen Information in die Information mit einzubeziehen und Kontextinformationen wie Standort des Benutzers, Uhrzeit, Wetter zu registrieren und zu berücksichtigen.

Die nächste Veranstaltung findet am 21.10.2013 zum Thema “Digitaler Vertrieb – Was geht noch neben Amazon?” statt.

 

 

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.