Wachsende Wirtschaftskraft, viele bildungshungrige Menschen und eine große Affinität zu digitalen Medien – das lässt die Phantasien sprießen. Denn dort ist ja was zu holen. Wirklich?
Indien ist schon seit Jahrzehnten ein reger Partner für alle möglichen digitalen Dienstleistungen. Das Outsourcing von Geschäftsprozessen beherrscht man in Indien und von der Konvertierungen und bis zur Softwareentwicklung gibt es alles. Aber lohnt der Markt auch für deutsche Verlage? Nach mehreren Aufenthalten dort, Kooperationen und Schulungen für indische Verleger hier unsere Einschätzung.
Der Markt dürfte auf Jahre hin wachsen, vor allem im Bildungsbereich. Das legen mehrere Studien nahe, vom British Councel bis hin zum IBEF, und es deckt sich mit ähnlichen Beobachtungen im lateinamerikanischen Markt. Vor allem die Indikatoren zum Wachstum bei den digitalen Geräten, Produkten und den sozialen Netzwerken spricht für einen Boom. Deshalb sehen Newsanbieter und -aggregatoren hier ihre Chance. Bei über 26 Sprachen ist Englisch zwar das Esperanto und Bindeglied, aber die Lokalisierung nimmt zu. Zugleich wird auch die englischsprachige Literatur aus Indien zunehmend beliebter, weil indische Autoren für den entsprechenden Lokalkolorit sorgen. Deshalb ist dieser Markt für englischsprachige Verlage durchaus attraktiv. Denn sie können ihr Programm auch dort an Kunden bringen. Und auch die Übersetzungen bieten Potenzial für Anbieter: hier ein Bericht über den Anbieter Ketla.
Wer englischsprachige Produkte und Angebote im Portfolio hat, braucht dann nur Partner, die den lokalen Markt kennen und dieses Angebot dort vermarkten. Denn eine Vermarktung ohne “Ortskundige” – und das bezieht alle Verhaltensweisen der Kunden und Händler in Indien ein – hat kaum Aussichten auf Erfolg. Berater wie Anish Bhambal sind dann geeignete Ansprechpartner vor Ort.
Daneben gibt es aber eine Vielzahl innovativer und anspruchsvolle Verlage aus Indien wie Seagull, die vor allem durch das Wachstum auf dem heimischen Markt Standortvorteile mitbringen. Auch hier bieten sich Kooperationen an. Seagull veröffentlicht schon lange unter anderem auch deutschsprachige Literaten in englischer Übersetzung. Lizenzgeber unterschiedlicher Themen können fündig werden.
Eine andere Option ist die Kooperation mit indischen Verlagen, um Skaleneffekte für die eigenen, digitalen Angebote zu nutzen. Denn die Verlagsszene ist heterogen und wenig strukturiert. Hier zeigt sich, dass das BPO (Business Process Outsourcing) Indien reicher gemacht hat, aber eben nicht alle Bereiche. Natürlich ist es viel attraktiver, seine Dienste in Ländern mit hohen Löhnen anzubieten, um Rendite zu erwirtschaften. Der eigene Verlagsmarkt ist wenig attraktiv im Vergleich zu dem, was man mit US-amerikanischen oder europäischen Verlagen verdienen kann. In diesem Zusammenhang sei ein Blick auf Dasguptas Buch “Delhi – Im Rausch des Geldes” erlaubt, einer lesenswerten und kritischen Darlegung der Veränderungen in Indien in den letzten Jahrzehnten.
Aus diesem Grund ist die Entwicklung der indischen Verlagsszene nicht schneller als bei uns. Die großen, englischsprachigen Verlage wie Harper Collins, Penguin oder Cambridge University Press, um nur ein paar zu nennen, sind traditionell sehr gut vernetzt. Sie bringen natürlich auch ein wenig mehr Erfahrungen aus den internationalen Märkten mit, aber die Herausforderungen der Digitalisierung meistern sie nicht besser als ihre Kollegen in Europa. Durch Kooperationen kann man gerade im Bildungsbereich mit gut gemachten Angeboten und lokalen Partnern den Markt erschließen.
Das zeigt sich daran, dass es auch die großen Firmen wie Apple oder Amazon aufgrund der Konkurrenz nicht leicht haben. Sind es vor allem die chinesichen Smartphones, die Apple die Stirn bieten (siehe z.B. die Einschätzungen von Techopinions oder TeleRead zum Potenzial günstiger Smartphones), so fordert Amazon mit Flipkart einen Platzhirschen heraus. Auch hier zählen lokale Nähe und die berühmten “Netzwerke” zu Investoren und Verantwortlichen vor Ort eine große Rolle.
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