Social Media Marketing – auch für kleinere Verlage und Buchhandlungen

Social Media Marketing ist in aller Munde. Wer nicht mitmacht, der hat keine Chance, so heißt es. Muss ich denn jeden Mist twittern und mich auf Facebook entblößen, so heißt es auch. Berater und Anbieter gibt es zuhauf. Da drängt sich ein schönes Bild von Wayne S. Roberts zu Social Media auf:  Alle plappern in der Schule vom ersten Sex und jeder will´s wissen. Ungewissheit vorher (wie soll ich das nur machen?) und nachher (war´s das schon?).
Entscheidet man sich für den Schritt in die Digitalisierung, bleibt einem gar keine andere Wahl, als zumindest zu wissen, was denn dort im Netz so alles vor sich geht. Und ob man ganz groß oder mit wenig Aufwand einsteigt, es lohnt allemal, sich mit Roberts die wichtigsten Regeln noch einmal vor Augen zu halten.

  1. Erfasse zuerst das Ziel und wie du das Ergebnis misst.
    Wenn man zu Beginn keine messbaren Kriterien definiert, lässt sich der Erfolg oder Misserfolg nicht einschätzen. Die Kriterien können einfach aus der bisherigen Tätigkeit abgeleitet werden:
    Wieviele Neukunden will ich erreichen im Zeitraum x?
    Wieviele der bisherigen Kunden erhalten auch auf dem neuen Weg von mir Informationen?
    Wieviele neue Produkte konnten verkauft werden?
    Wieviele Rückmeldungen von Kunden erhalte ich im Zeitraum y?
    Erst vom Ziel lassen sich dann die Maßnahmen ableiten. Jedes dieser Ziele ist sinnvoll, aber Reichweite ist etwas anderes als Verkauf, Kundendaten gewinnen etwas anderes als der Austausch zu Inhalten. Und die Maßnahmen, die dazu führen, sind je andere. Da man eh nicht alles gleichzeitig machen kann, sollte man sich bei den ersten Schritten fokussieren.
  2. Sag auf einer Seite, wofür dein Unternehmen, deine Marke steht.
    Wenn man das nicht kann, ist es Zeit für eine Überprüfung der eigenen Markenstrategie. Und das ist nicht nur eine Aufgabe für große Konzerne mit Stabstellen. Denn die Kunden merken unabhängig von der Größe sofort, ob das Angebot in den Social Media stimmig ist oder nicht. Glaubwürdigkeit und Authentizität sind wichtige Währungen. Man verspielt sie nicht, wenn man selber weiß, wer man ist.
    Und hier wird für viele ein Umdenken erfolgen. Denn die Wertschöpfung wurde vielfach als ein Bündel von Dienstleistungen am Kunden gesehen. Produktverbesserung, Produktion und Distribution aus der Sicht des Verlages, Beratung und Orientierung und Distribution aus der Sicht der Buchhandlung. Wahrscheinlich wird es das nicht mehr sein, weil hier andere Anbieter auf den Markt gekommen sind. Nutzen Sie deshalb Social Media, um selber noch einmal festzulegen, wofür Ihr Unternehmen steht. Deshalb ist der nächste Schritt meist zwingend:
  3. Verstehe, warum deine Kunden deinem Unternehmen treu sind. Und warum sie dich empfehlen sollen.
    Die Versprechen der eigenen Marke kann man erst richtig verstehen, wenn man auch die Kunden kennt, die diesen Versprechen trauen. Warum tun sie das? Kommen sie genau aus den Gründen, die Sie selber angeben, oder vielleicht aus ganz anderen Gründen?
    Durch die Digitalisierung ändert sich beim Kunden auch die Wahrnehmung der Verlage und Buchhandlungen.
    Wenn ich im Self Publishing mein Buch schneller auf den Markt bringe und mehr verdiene, wozu will ich als Kunde denn noch einen Verlag? Wenn ich bei Amazon sowieso alles und vor allem digitale Produkte nach Hause erhalte, wozu brauche ich dann noch die Buchhandlung um die Ecke?
    Trotzdem gibt es sie ja noch und deshalb muss man den Kunden fragen, was ihn gerade jetzt an einem interessiert.
    Ist der lokale Bezug für Buchhandlungen wichtig, wie ihn Leander Wattig vorschlägt, der Aufbau einer besonderen Community, wie es die Buchhandlung Glatteis für Krimifans macht, oder die Entwicklung einer Social Reading-Plattform á la Lovelybooks im Kombination mit Präsenzveranstaltungen? Dies gilt es zu erkennen und den eigenen Wert daraus abzuleiten.
    Jedenfalls stellt die Interaktion mit den Kunden das wichtigste Pfund dar, das Social Media in die Waagschale wirft. Testimonials von treuen Kunden, Rückmeldungen zur Weiterentwicklung von Produkten oder die Hervorhebung besonderer Eigenschaften können z.B. sofort und einfach genutzt werden. Die Empfehlungen der Kunden sind der Gradmesser für den Erfolg.
  4. Bereite Dich auf eine lange Reise vor.
    Social Media braucht Zeit, wie jede Markenentwicklung. Und sie benötigt Fleiß. Für die Fütterung der informationssüchtigen Kunden. Loyalität ist nicht umsonst.
    Häufig wird vergessen, dass es mindestens eine Person im Unternehmen geben muss, die sich kümmert. Egal ob man mit Partnern oder Dienstleistern zusammenarbeitet oder nicht: Das Know-how muss aufgebaut werden, möglichst breit, denn sonst kann man auch keinen klaren Auftrag nach außen vergeben.
    Ob Sie einen Stamm von Newsletterkunden aufbauen, viele Follower bei Twitter oder Freunde auf Facebook – es wird dauern. So wie bei jedem Unternehmen, das anfängt.
  5. Kümmere Dich um Google.
    Weil über Google gesucht wird, ist SEO (search engine optimization) nach wie vor eine zentrale Aufgabe. Social Media braucht die Unterstützung durch die eigene Website. Und die muss durch die optimierte Aufbereitung des relevanten Content auch gut auffindbar sein. Und aussagekräftig genug. Überprüfen Sie deshalb nochmal die “key words”, unter denen Sie gefunden werden wollen, definieren Sie sie gegebenenfalls neu und optimieren Sie Ihre Seiten daraufhin.
    Nicht vergessen: Die Kunden informieren sich heute zumeist zunächst über das Internet über Produkte. Diese Anlaufstelle muss gepflegt werden. Sie ist Fassade und Visitenkarte, Präsentationsfläche und Informationsangebot. Sie muss deshalb mit dem übereinstimmen, was auf Facebook & Co. gemacht wird.
  6. Cambia, todo cambia – und es hört nie auf.
    Gerade durch den engen Kontakt zu den Kunden ist das Branding nicht einmal abgeschlossen. Überprüfungen, leichte Korrekturen, Kursänderungen – das ist Tagesgeschäft und muss eingeplant werden. Es wird langfristig Ressourcen binden. Zu prüfen ist, aus welchem Bereich diese kommen sollen, wer das finanziert. Und das hängt wieder vom oben genannten Ziel ab. Soll der Verkauf angekurbelt werden, muss dieser auch investieren. Soll der Austausch mit Autoren gepflegt werden, ist die Redaktion gefragt. Sollen Mailinglisten aufgebaut werden, muss das Marketingbudget herhalten. Usw.
    Der große Vorteil ist, dass viel schneller Kundenerwartungen erkannt werden. Sie sind am Puls der Zeit. Und das ist allemal besser als abgeschieden darauf zu warten, was kommen möge.

Dann ist es möglicherweise nicht so prickelnd wie der erste Sex, aber vielleicht wird es eine lange, glückliche Ehe.

 

 

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.