eBooks machen – so etabliert man ein dauerhaftes Geschäftsmodell

eBooks machen in den meisten Verlagshäusern noch weniger als 10% des Umsatzes aus. Das Geld wird fast überall noch mit den gedruckten Werken verdient.
Aber es ist klar, dass das nicht mehr lange so sein wird. Welche Strategie eignet sich zur Implementierung der neuen Prozesse? Soll eine kleine Truppe Verschworener zu Experten werden oder gleich eine neue Firma aufbauen, die sich nur mit digitalen Themen befasst? Oder soll crowdsourcing gleich zu Beginn in der eigenen Firma funktionieren?

Der Inkubator
Ein beliebter Weg ist die Beauftragung einer Person, die das jetzt “richten” soll. Klingt vernünftig, denn die Margen sind noch zu gering, um damit einen ganzen Stab auszustatten.
Und es folgt dem Prinzip, dass zunächst nicht die ganze Belegschaft durch das Neue irritiert werden soll. Abgesehen davon, dass es nicht alle wollen oder können, wird so die Kompetenz schrittweise bei einzelnen Personen aufgebaut.
So vernünftig dieses Vorgehen ist, weil man nicht gleich alles auf eine Karte setzen will und der first mover nicht immer der Gewinner ist – einige Risiken sind zu bedenken und bei der Umsetzung im Auge zu behalten:

  1. Wenn die erwählte Person das Haus verlässt, weil der Aufbau einer eBook-Struktur auch für andere Verlage nach einer attraktiven Stellenbeschreibung klingt, gerät der Betrieb ins Stottern.
    Ein Backup, um in der Sprache der digitalen Medien zu bleiben, erscheint deshalb dringend geboten.
  2. Digitale Produkte sind neu im Markt. Anders als bei etablierten Prozessen ist deshalb nicht vorherzusehen, wo und wann die nächste Frage um die Ecke kommt. Eine Person allein wird nie alle Themen beantworten können, sondern “nur” managen. Sie ist der Projektleiter. Aber dazu braucht sie auch gute Projektteilnehmer. Und je besser die Verantwortung auf alle Schultern verlagert wird, desto effizienter und schneller werden Lösungen gefunden.
  3. Dies trifft vor allem auf die Weiterentwicklung zu. Keiner weiß, wie eBooks in drei Jahren aussehen, ob sie alle “enhanced” sind, es ein paar Produktformen nur noch als Apps/enhanced eBooks gibt (wie Reiseführer, Lehrbücher, Ratgeber…) oder ob doch noch viele Texte genau so gelesen werden wie jetzt in gedruckter Form. Die Schlagzahl der Neuerungen ist hoch und auf dieser See werden nur die überleben, die als Team unterwegs sind.

Dies führt unweigerlich zum zweiten Ansatz, dem klassischen “Change Management” des gesamten Hauses.

All together now
Auch dieser birgt natürlich Risiken. Die Beschäftigung mit dem Neuen frisst Arbeitszeit, die bei sinkenden Erlösen im Printbereich doch dringend benötigt wird, damit man gegen den Strom nicht zu viel verliert. Und es ist nicht immer sofort einzusehen, warum man jetzt als Bester in der Sparte “Gedrucktes” plötzlich hinter den digital natives herlaufen soll.
Aber:

  1.  Wie soll die Wertschöpfung von Verlagen neu definiert werden können, wenn nicht alle im Unternehmen mitziehen?
    Eine Chance der Verlage besteht ja gerade darin, seine Kompetenzen (Auswahl von Themen, Bearbeitung von Themen und Inhalten mit den Autoren, Aufbau einer Marke mit einem klaren Profil zu bestimmten Themen…) auch auf digitale Produkte zu übertragen. Man wird künftig Gedrucktes und Digitales bewältigen müssen, sprich auf mehreren Hochzeiten tanzen lernen. Das geht nur, wenn man nicht mehr so lange auf einem Fest verweilt und sich die Zeit besser einteilt. Und wenn alle den Tanz beherrschen. Immer nur einen auf die Reise zum Mond zu schicken wird diesen nicht bevölkern.
  2. Gerade digitale Produkte verlangen Know how aus verschiedenen Bereichen. Nicht nur die Technologie, auch die Didaktik, die Kompetenz in der Aufbereitung verschiedenster Medien, die effizienten Produktionsprozesse, die neuen Vermarktungsformen und das Wissen um realisierbare Geschäftsmodelle sind zwingender Bestandteil des Vorgehens. Die Entwicklung der Strategie, die Implementierung und die kontinuierliche Erweiterung ist in den Zeiten des Wandels zwingend eine Aufgabe aller.
    Vor allem, weil natürlich die Angst umgeht, man werde seinen Arbeitsplatz verlieren. Und dieser ist am besten mit Tatkraft, Schulungen und gemeinsamen Entwicklungen zu begegnen.
  3. eBooks sind nur ein Schritt in Richtung Digitalisierung. Die Fülle der Möglichkeiten zeigen sich auf jeder re:publica, Next Berlin oder K5 (um nur die aktuellen Kongresse zu nennen). Je früher die Verknüpfung der old school mit dem new business erfolgt, desto eher werden die richtigen Geschäftsmodelle entwickelt. Da viele Mitarbeiter privat auch schon Kunde und Nutzer von Smartphones und Tablets sind, können sie viel beitragen zur Entwicklung. Und wer will schon in einem Unternehmen arbeiten, das selber die Möglichkeiten des Smartphones und des Tablets gar nicht nutzen will?

Gleich welchen Weg man nun wählt: Die Digitialisierung wird für die nächsten Jahre eine dauernde Herausforderung sein. Dabei müssen parallel verschiedene Fragen beantwortet werden:

  • Technologie: “Brauche ich ein CMS über alle Produkte? Lohnen enhanced eBooks jetzt schon und wie lange wäre denn die Entwicklungszeit? Soll ich auf native Apps setzen oder webbasierte?…”
  • Methodik: “Mit welchen Tools werden digitale Produkte entwickelt? Brauche ich ein neues Projektmanagement? Auf welchen Plattformen tauschen sich die Mitarbeiter aus?…”
  • Geschäftsmodell: “Ist crossmediale Vermarktung wirklich sinnvoll? Bietet der App-Markt ausreichende Erlöse? Sind Kooperationen zwingend nötig?…”

“E-Mind” kommt nicht über Nacht
Die Entwicklung hin zu digitalen Medien muss von vielen getragen und das Know-how muss an vielen Stellen aus- und aufgebaut werden, weil kaum jemand der Spezialist für alle Fragen sein wird. Inkubatoren sind wichtig und hilfreich. Sie dürfen auf keinen Fall allein gelassen werden. Das Interesse für und das Verständnis über den digitalen Markt für Verlage wird dringend für einen erfolgreichen Change-Prozess bei Verlagen benötigt. Er entwickelt sich nicht über Nacht und schon gar nicht nur in einzelnen Köpfen. Der gesamte Verlag muss sich auf die Veränderungen einstellen können und wollen.

Erst dann erhalten Verlage eine entscheidende Kompetenz im Markt: Sie können das komplexe Zusammenspiel von gedruckten und digitalen Produkten managen.
Wenn nicht, droht die Agonie der Zeitschriftenverlage in den USA:
She, not busy beeing born, was busy dying. (Bob Dylan)

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.