Gedruckte Bücher sind Unterhaltung, Sachbuch, Nachschlagewerke, Ratgeber. Die Verknüpfung mit dem täglichen Leben, das Umsetzen in die Realität beginnt im Kopf. Bei Belletristik ist das reizvoll, bei Ratgebern und Nachschlagewerken ist das eben so gelernt.
Mobile, digitale Produkte werden – ausserhalb der Fiktion – immer mehr zu Service-Produkten. Hier erhält der Nutzer sofort eine Lösung. Er muss nicht mehr nach dem Warum und Wie fragen – nur noch bedienen. Er ist Nutzer und nicht mehr Leser. Die Bedienbarkeit steht im Vordergrund – der Inhalt ist wichtig, aber meist eher zweitrangig.
Darin liegt für Verlage eine Chance – wenn Sie verstehen, dass eine SDK in diesem Umfeld nicht die Süddeutsche Krankenversicherung ist, sondern ein Software Development Kit, mit dem sich digitale, mobile Anwendungen entwickeln lassen, die wiederum eine optimierte Nutzung von digitalen Inhalten ermöglichen.
Es wird auf die Dauer nicht mehr damit getan sein, gute Inhalte in akzeptable eBooks umzusetzen, auch nicht in enhanced eBooks. Gerade bei Ratgebern, Nachschlagewerken und oft auch im Lehrbuch ergänzenden Nachmittagsmarkt werden im digitalen, mobilen Markt der Apps zukünftig nutzerorientierte Lösungen im Vordergrund stehen: Lösungen, die eben mehr sind als die bloße Darstellung von Inhalten, mehr oder weniger angereichert um multimediale Inhalte.
Grundtechnologien, mit denen sich Verlage befassen sollten:
Die Grundtechnologien wiederholen sich dabei oft:
- Spracherkennung, Sprachwiedergabe: Wie Apple’s Siri
- Tonerkennung: Wie die bei Shazam verwendete Technologie der Tonerkennung
- Bilderkennung, Bildüberlagerung: Wie die von metaio entwickelte Technologien der Computervision und der Augmented Reality
- Bewegungserkennung: Wie die von Microsoft’s Xbox bekannte Kinnect-Technologie
- Georeferenzierung: Geocodierung von Orten / Berichten / Ereignissen mit diversen Geocoding Technologien
Diese Technologien geben Inhalten eine neue Möglichkeit der Interaktion mit dem Nutzer. Die Inhalte werden anschaulich, sichtbar, greifbar, hörbar – sinnlich. Die eingesetzte Software erkennt über die jeweiligen Technologien Analogien beim Nutzer, vergleicht diese (online) mit den vorhandenen Inhalten (auf Datenbanken) und stellt dann entsprechende Inhalte /Lösungen zu Verfügung.
Beispiele dafür können sein:
- Spracherkennung, Sprachwiedergabe: Interaktion mit jedem Ratgeber: Vorlesen, Fragen beantworten, etc.
- Tonerkennung: Warum kann Shazam nicht auch Vogelstimmen erkennen (andere Sprachen ja sowieso)?
- Bilderkennung, Bildüberlagerung: Das mit dem iPhone aufgenommene Bild wird in der Bilddatenbank mit anderen Bildern verglichen und ein Ergebnis daraus präsentiert: Ein Text zum Gebäude gegenüber, eine Gastrokritik für das Restaurant da vorne, eine Inhalteübersicht samt Kochrezepte über die fotografierte Lebensmittel-Packung, etc.
- Bewegungserkennung: Zusätzliche Menüsteurung über aktive Bewegung des Nutzers
- Georeferenzierung: Geoverortung von Bildern, Informationen, Berichten – nicht nur für Reiseführer
Software-Unternehmen wie metaio entwickeln immer mehr Software-Pakete (eben SDKs), die auch für Verlage einen Mehrwert bieten – so man sie denn im Hause einzubinden weiß. Diese Software-Technologien werden als Nutzer-Lösungen mit dem bestehenden Inhalten verknüpft. Mit zusätzlichem (durch die Verlage validierten) Community Content werden diese Inhalte weiter vermischt / kuratiert und können somit als selbst-lernende, nutzer-orientierte Problemlösungen von Verlagen angeboten werden.
Make or Buy – Digitale Agentur oder Software-Entwickler im Haus?
Dabei muss die Technologie im Hause gehalten werden. Die Zeiten, wo Verlage Setzereien und Druckerein verkauften, um möglichst schlank zu blieiben, gelten für digitale Entwicklungen nicht mehr. Hier muss das Know-how ins Haus – weil sich das know-how ständig weiter entwickelt, ja oftmals überholt, weil man als Verlag dort selbst an der cutting edge sein muss, um mit dem ständigen Wandel und Neuerungen der Technologien auch mithalten zu können.
Schnelligkeit geht vor Präzision: Updates sind ohnehin Pflicht
Und Schnelligkeit geht vor höchster Präzision: Die Updates mit Bugfixes sind in der App-Welt selbstverständlich. Niemand erwartet im digitalen Umfeld ein perfektes/finales Produkt – im Gegenteil: Produkte, die sechs Monate keinen Update erfahren haben, gelten oftmals als veraltet. Man kann mit kleinen Lösungen starten und sich zu größeren Lösungen mit einigen Updates wandeln.
Dabei müssen zwei Betriebssysteme (iOS und Android) und vielleicht eine bis maximal zwei Handvoll Endgeräte beachtet werden: iPhone, iPad, Samsung Galaxy IIIS, Kindle Fire, Google Nexus Geräte und vielleicht noch das ein oder andere Gerät von HTC oder Huawei.
Internationalisierung vorbereiten und Community einbinden
Schließlich und endlich bleibt wichtig: Die Internationalisierung der Lösungen – mindestens immer auch eine englische Version der Lösung anbieten – und die Community zum Mitmachen an den Inhalten bewegen (mit dem Verlag als Gate-Keeper der Qualität)….
Dies alles scheint zunächst einmal viel Neuland zu sein. Dennoch werden die Verlage diesen Weg gehen müssen. Inhalte an sich werden im digitalen Markt nur noch durch Zusatznutzen sinnvoll und mit Stückzahlen zu monetarisieren sein. Und genau darin liegt die Chance.
Deshalb müssen die Verlagen sich in Ihren Budget-Planungen für 2013 Geld für weitere digitale, mobile Technologien einplanen – die ihnen diese Schritte ermöglichen.