Mobile Publishing: Update April 2014

Ein halbes Jahr ist es nun her, dass unsere Publikation “Mobile Publishing” erschienen ist – und jeden Monat reibt man sich wieder verwundert darüber die Augen, mit welcher Geschwindigkeit die großen Ökosysteme mit neuen Geräten, Plattformen und Angeboten in den Markt drängen. Hier für den April wieder die zentralen Trends und Neuigkeiten:

So entwickelt sich der Markt

Amazon und kein Ende: So langsam ist man es als Kommentator des mobilen Marktes fast schon leid, andauernd Amazon-News zu posten – aber manchmal hat es den Eindruck, je mehr Bashing der Konzern kassiert, umso mehr nimmt sein Innovationstempo zu. Anfang des Monats stellte Amazon mit Fire TV sein Set-Top-Box-Modell für digitales Fernsehen vor, Gaming-Konsole gleich inklusive. Wo Apple mit Apple TV schon länger präsent ist und Google mit Android TV ebenfalls seine Eisen im Feuer hat, darf das andere, große A natürlich nicht fehlen. Passend zur Verkündung der Quartalszahlen wurde gleich entsprechend nachgelegt: Mit Amazon Dash kommt dieser Tage eine neue Hardware auf den US-Markt, mit der Kunden Lebensmittel über Amazon Fresh gleich direkt per Barcode scannen oder per Sprachkommando bestellen können. Auf der Einkaufsliste des Konzerns stand diesen Monat Comixology: Der US-Marktführer für digitale Comics wurde direkt ins Portfolio integriert und sichert Amazon so einen weiten Vorsprung in diesem Segment. Die Aktivitäten im deutschen Verlagsmarkt können dagegen wahrscheinlich nur als Peanuts bezeichnet werden – wenn auch nicht ohne Stresspotenzial für die hiesigen Verleger.

Auch reissen seit nun über einem Jahr die Gerüchte nicht ab, dass Amazon mit einem eigenen Smartphone auf den Markt kommen will. Inzwischen wurden so viele, vermutlich sorgfältig geleakte Fotos publik, dass es wahrscheinlich nur eine Frage des genauen Datums ist, wann das “FirePhone” am Ende das Licht der Welt erblickt – die Hardware-Spezifikationen jedenfalls lassen einige interessante Innovationen erahnen. Beim Blick über das ganze Amazon-Portfolio müssen wir neunetz.com recht geben: In Europa weitgehend unbemerkt, rüstet der Konzern mit seinen Amazon Web Services eine potente Backend-Infrastruktur für Apps und Mehrwertdienste hoch, die mit Sicherheit noch einiges an disruptivem Potenzial zu bieten hat.

 

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Von FireTV bis Dash: Amazon rüstet auf mit innovativen Hardware-Projekten (Quelle/Copryright: amazon.com)

 

Der eBook-Markt – hier und anderswo: Der Buchketten-Gründer Tim Waterstone erklärte im März die “eBook revolution” kurzerhand für beendet – “nichts als Strohfeuer, geht vorbei”. Da sind wir mit unserem Urteil etwas vorsichtiger, denn auch wenn der internationale eBook-Markt in 2013 nicht die explosiven Steigerungsraten gezeigt hat wie in den Jahren davor, gibt es doch deutliche Gewinner. Und bei einem so jungen Markt wie den eBooks ist für die Zukunft noch vieles drin. Wir glauben wie der Telegraph: “The ebook revolution hasn’t even begun”. Im Guardian beispielsweise war exemplarisch zu lesen, welche Dynamik digitales Lesen in Afrika oder in Indien zur Zeit bekommt, und auch Rüdiger Wischenbart jüngst aktualisierte Studie zum internationalen eBook-Markt zeichnet regelmäßig ein sehr differenziertes Bild der weltweiten Entwicklung.

Für Deutschland gibt es daneben zwei interessante Neuigkeiten zu den Rahmenbedingungen des Marktes: Ab Juni soll ein gesetzliches Widerrufsrecht für eBooks gelten – von Verbraucherschützern und Nutzern lange gefordert, von Händlern schon jetzt verflucht. Dazu macht sich die Bundesregierung zur Zeit für eine Senkung des Mehrwertsteuer-Satzes für eBooks stark. Ob dies wirklich so schnell und einfach gehen wird wie bei Hörbüchern, ist nach den jüngsten Berichten zwar bereits wieder fraglich – wünschenswert wäre es für weitere Bewegung im Markt jedoch allemal.

 

Die Technologien zur Umsetzung

Native App oder Web-App? Trotz der Tatsache, dass in diesem Monat neben den eBooks auch das Mobile Web für tot erklärt wurde (entsprechende Berichte erwiesen sich als stark übertrieben), ist dies doch immer noch eine zentrale Frage bei Aufsetzen eines neuen App-Projektes. Mozilla-Mitarbeiter Christian Heilmann berichtet in einem interessanten Interview, wie dieses Thema unter Firefox OS gelöst werden soll und zeigt Zukunftsperspektiven für die App-Entwicklung auf. Welche ganz praktischen Fragen sich dagegen in einem App-Projekt stellen, zeigt digital publishing competence in einem Werkstattbericht zur App-Entwicklung.

 

Dieses Produkt will der Kunde

Magazin-Apps galten einige Zeit lang als der Königsweg für Periodika auf die Tablets der geneigten Nutzer – doch nachdem auch in diesem Bereich genug Kapital verbrannt wurde, ist eine gewisse Ernüchterung eingekehrt. Rober Newman fragt auf seinem Blog “Are magazine apps dead?” und gibt in der Diskussion einen guten Überblick über den Stand der Dinge. Wie unterschiedlich dagegen  Vermarktung, Zugänglichkeit und Portfolio in den Kiosk-Anwendungen von Apple und Amazon aussehen, zeigt ein spannender Beitrag bei Talking New Media.

 

So erreiche ich den Kunden

Mobile, mobile, mobile: So langsam kommt die Erkenntnis auch in Deutschland an, dass der mobile Zugang zu Content in Zukunft der zentrale Weg zum Kunden sein wird. Matthias Aichele von Random House berichtet dazu beim Buchreport über die Suche nach mobilen Vermarktungsformen. Anderswo ist man da schon weiter: Joe Wikert geht gleich einige Schritte darüber hinaus und fragt, wie ortsbasierte Mehrwertdienste auf Content-Basis aussehen könnten. Zum Vermarkten aber gehört auch das Verkaufen – gerade da sieht es in Deutschland aber oft noch mangelhaft aus, was Infrastruktur und Service angeht – eine Studie für Online-Shops hierzulande zeigt, wie viel Luft noch nach oben ist beim mobilen Einkaufserlebnis. Da lautet unsere Empfehlung: Sehen Sie sich Plattformen wie flipintu oder Initiativen wie log.os näher an!

Die großen Ökosysteme bereiten sich dagegen bereits intensiv auf die mobile Infrastruktur für Einkaufen und Bezahlen vor: Nach Apples iBeacon-Offensive zeigt PayPal zusammen mit Samsung, wie der Kauf per Fingerabdruck-Sensor übers Smartphone funktioniert. Und auch Facebook bereitet einen Payment-Dienst vor. Überhaupt, Facebook: Auf der F8-Konferenz zeigte das Netzwerk, wo die Reise hingeht für zukünftige Entwicklungen – natürlich alles auf Mobile ausgerichtet. Und auf Modularisierung der Apps je nach Zielgruppe und Nutzungssituation, nicht ohne Grund ein Trend, der bei vielen einstigen Monolithen-Anwendungen um sich greift.

 

“Payment at your fingertip”: PayPal und Samsung zeigen, wie Einkaufen morgen funktionieren könnte. (Quelle/Copyright: PayPal)

 

Wer darüber hinaus noch mehr wissen will über die jüngsten Mobile-Trends für Content-Anbieter, findet dazu im Mai ausführlich Gelegenheit bei der 6. Mobile Publishing-Konferenz der Buchakademie in München.

 

Die Umsetzung

Agile Vorgehensmodelle gelten seit einigen Jahren als eine Art Allheilmittel gegen die Probleme, die beim Entwickeln von Online- und Mobilplattformen auftreten – auf der einen Seite zurecht, auf der anderen Seite wird dieser Ansatz nur zusammen mit einem entsprechenden Perspektivenwechsel im Management erfolgreich sein. Cecil Dijoux zeigt dazu bei InfoQ, wie man agiles Projektmanagement deutlich effektiver gestalten kann, wenn es gelingt, den Fokus in Entwicklung und Management vom “Fehler beheben” auf “die Probleme des Kunden lösen” zu verschieben.

Ein zentraler Faktor für digitale Geschäftsmodelle sind Kundendaten – sie effektiv zu sammeln, auszuwerten und daraus Produkte und Geschäftsmodelle zu entwickeln, ist eine der wichtigsten Chancen im Web. “Why every company is now a data company” bei The Next Web fasst dazu präzise zusammen, warum auch für Content-Anbieter der effektive Umgang mit Kundendaten geschäftskritisch ist.

Mit Smartwatches und anderen “wearable technologies” rollt gerade die nächste Welle neuer Endgeräte auf Kunden und Anbieter zu – warum diese Devices auch für Content-Anbieter von Bedeutung sind und wie man sich darauf sinnvoll vorbereitet, zeigt ein Beitrag von PBS. Aber so schick die Geräte auch sind – letztlich sind sie, wie alle Technologien im Spiel, nur Mittel zum Zweck für Geschäftsmodelle und Strategien. Wie sehr es im Mobile Publishing darauf ankommt, diese Technologien natürlich als Werkzeug zu beherrschen, aber daneben auch über den Status Quo hinaus zu denken und aus den neuen Möglichkeiten auch nutzbringende Anwendungen zu entwickeln, zeigt der letzte Artikel, den wir für diesen Monat empfehlen möchten.

Wir wünschen wie immer eine anregende Lektüre!

 

 

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.