Crowdsourcing in Buchverlagen – wann, wie, warum?

Mit diesem Artikel schließen wir die Serie zum Thema Crowdsourcing in Buchverlagen. Dabei geht es hier vor allem um ein Fazit und die Frage, wann Crowdsourcing zur Wertschöpfung beiträgt und wie die Implementierung in Unternehmen erfolgen kann.

Auswirkungen und Potenziale

Die Beiträge der Crowd äußern sich in verschiedenen Formen – von Wissen und Kreationen  über Meinungen und Bewertungen  bis hin zu monetären Zuwendungen. Sie siedeln sich in den primären Wertschöpfungs­aktivitäten „Inhalte entdecken“, „Konzeption/Programmplanung“ und „Grafik“ und den sekundär­en Wertschöpfungsaktivitäten „Finanzierung“, „Marketing“ und „Marktforschung“ an. Die Beiträge unterstützen die jeweiligen Verlagsaktivitäten, können diese jedoch nicht ersetzen. Stattdessen erfordern Umsetzung und Verwertung der Crowdsourcing-Maßnahmen zusätzlichen Arbeitsaufwand und zusätzliche Mitarbeiter mit bislang verlagsfremden Fähigkeiten.

 

Crowdsourcing

Um die Beiträge der Crowd in die Verlagswertschöpfung einzugliedern und verwertbare Produkte zu generieren, bedarf es folgender Maßnahmen zur Vor- und Nachbereitung der Crowdsourcing-Aktivitäten: Konzeption, technische Umsetzung, Implementierung, Auswertung und Betreuung. Quelle: Darstellung von Saskia Letz auf Basis von Gassmann/Friesike/Häuselmann, 2013, S. 6.

 

Auffällig ist die häufige Konzernzugehörigkeit der aus­führenden Verlage, die finanzielle und personelle Rückendeckung bietet. Neobooks und Bookmarks werden von spezifischen Mitarbeiter-Teams betreut, die die Daten in ihrer Funktion als Schnittstelle an die betref­fenden Verlagsabteilungen weiterleiten. Unbound konnte bei seiner Neu-Gründung als Start-Up die Prozesse auf die Einbin­dung der Crowd ausrichten. Unabhängig vom Beitrag der Crowd ermöglichen die Aktivitäten den Lesern, den Buchmarkt mitzuprägen und/oder in einen Austausch mit dem Autor zu treten. Crowdsourcing kann durch die entstehende Nähe und den Austausch zwischen Leser, Verlag und Autor dazu beitragen, den Fokus auf die Kundenbedürfnisse zu verstärken.

Die in den vorangegangenen Teilen der Artikel-Serie genannten Praxisbeispiele zu Crowd Wisdom und Crowd Creation, Crowd Voting und Crowdfunding verdeutlichen das weitreichende Einsatzspektrum von Crowdsourcing in der Buchbranche, den verlagsinternen Aufwand und die Abgrenzungsschwierigkeit zu verwandten Strategien. Für die Anwendung in der Praxis ist es jedoch nur am Rande relevant, ob die Einbindung von verlagsexternen Gruppen in die Verlagswertschöpfung den wissenschaftlichen Definitionen von Crowdsourcing genügt.

Weitaus wichtiger ist, dass sich im Verlag folgendes Bewusstsein manifestiert: Sobald eine Gruppe externer Personen in verlagsinterne Prozesse integriert wird, will diese an vormals der Öffentlichkeit vorenthaltenen Entscheidungen teilhaben. Die Crowd beteiligt sich den aktuellen Konsumentenbedürfnissen entsprechend bereitwillig an Erstellungsprozessen, fordert im Gegenzug jedoch ihr Recht auf kontinuierliche Mitsprache – selbst dann, wenn sie „nur“ in die Finanzierung involviert ist. Crowdsourcing erfordert somit eine bislang verlagsuntypische Öffnung und Transparenz.

Fazit

Im Fiction-Bereich und genreübegreifend wird die Crowd primär zur Auswahl oder Finanzie­rung von Buchprojekten eingesetzt. Fachverlage nutzen das Wissen der Crowd zudem, um inhaltliche Bewertungen oder gar die Texterstellung in Zusammenarbeit mit Konsumenten durchzufüh­ren.

Obwohl bereits deutlich mehr Verlage als bekannt mit Crowdsourcing experimentieren, können dauerhaft angelegte Verlagsinitiativen bislang nur an wenigen konkreten Beispielen beobachtet werden. Eine Vielzahl der Verlage ziehen Beiträge der Crowd nur für einzelne Buchprojekte hinzu. Crowdfunding sticht zahlenmäßig heraus, jedoch ausschließlich dadurch, dass (durch die Nutzungsmöglichkeit externer, reichweitenstarker Plattformen) viele Anwendungen in diesem Bereich auf Einzelprojektbasis entstehen.

 

Crowdsourcing

Die bisherige Verwendung von Crowdsourcing in der deutschen Buchbranche ist noch überschaubar, zeigt allerdings vielseitigste Ansätze. Quelle: Darstellung von Saskia Letz auf Basis von Gassmann/Friesike/Häuselmann, 2013, S. 6

 

Die Wertschöpfungskette des Buchverlages öffnet sich hin zu einer Zusammenarbeit mit einer Mas­se von Konsumenten sowie zu einer verstärkten partnerschaftlichen Kooperation mit Autoren. Folglich sind deutlich mehr Akteure an der Leistungserstellung im Buchverlag beteiligt, wo­durch zusätzlicher Koordinationsbedarf entsteht. Die Einbindung der externen Ressourcen kann in der Buchbranche nicht mit Ressourceneinsparung gleichgesetzt werden, da der In­put der Crowd zum Zweck einer gewinnorientierten Verwertung intern vor- und nachberei­tet werden muss. Diese unterstützenden Aktivitäten auf Verlagsseite, die sich in einer zusätzlichen sekundären Wertschöpfungsstufe äußern, bestehen in der Konzeption, technischen Umsetzung, Implementierung, Auswertung und Betreuung. Die Durchführung dieser Aktivitäten geht mit personellem, zeitlichem und finanziellem Aufwand einher. Daher sollte Crowdsourcing weder nebenher betrieben noch einmalig eingesetzt wer­den. In beiden Fällen würde der Aufwand den Erfolg bei weitem übersteigen.

Die erfolgreiche Durchführung von Crowdsourcing erfordert eine Reihe zusätzlicher Kern­kompetenzen, von der Interaktions- und Koordinations- über die Motivations-, Social-Media- und Social-Media-Monitoring- bis hin zur Community-Management- und Technik-Kompetenz. Die fundamentalste Auswirkung besteht in einem dem internen Selbstverständnis entge­gengesetzten Arbeitsprozess, der durch Öffnung, Transparenz und kooperative Entschei­dungsfindungen charakterisiert ist. Innovationsbereitschaft in Bezug auf diese neue Form der Wertschöpfung ist Voraussetzung, um die Potenziale nutzen zu können. Crowdsourcing muss zudem konsequent umgesetzt werden, um keine Imageschädigung zu riskieren. In der für den Verlag ungewohnten Öffnung liegt ein zentraler Anreiz für den teilnehmenden Konsumenten, denn dieser kann den Buchmarkt nun aktiv mitgestalten.

Die Crowd kann Beiträge zu verschiedensten Wertschöpfungsaktivitäten liefern. Der Input hat in der Regel jedoch nur unterstützende Funktion, sodass keine komplette Auslagerung entsteht. Von den Beiträgen geht allerdings zusätzlicher Wert aus: Alle Formen von Crowdsourcing kön­nen durch das Involvement der Crowd in Bezug auf das betreffende Produkt Reichweite und Kaufbereitschaft und damit den Absatz steigern. Außerdem ermöglicht jede Form der Einbeziehung einer Crowd von Lesern Einblicke in deren Bedürfnisse. Sowohl finanzieller Zuspruch als auch die Wahl eines Titels oder die Teilnahme an einem Wettbewerb drückt die Präferenz der zukünftigen Leser aus.

 

Crowdsourcing

Fazit: Crowdsourcing kann Beiträge zu verschiedensten Wertschöpfungsaktivitäten im Verlag liefern, ist jedoch mit zusätzlichem Arbeitsaufwand und einem Umdenken im Verlag verbunden. Langfristiges Potenzial liegt in der Nähe zu den und dem Austausch mit den Rezipienten, wodurch Bedürfnisse erfasst und in der Programmplanung berücksichtigt werden können. Quelle: Saskia Letz

 

Klassischen Verlagen, insbesondere auf dem Belletristik-Markt, fehlt es häufig an ausrei­chender Kundennähe und Zielgruppeneinschätzung. Marktforschung wird nicht kundennah genug betrieben. Die unzureichend ausgeprägte Kenntnis der Bedürfnisse wirkt sich negativ auf die Marktkalkulationen aus. Angesichts aktueller Entwicklungen wird das Wissen über die Konsumentenbedürfnisse jedoch immer relevanter: Die Content-Nachfrage wird diffe­renzierter und kurzlebiger, Genre-Trends werden außerhalb der etablierten Verlage gesetzt. Konkurrenz geht zunehmend von branchenfremden Wettbewerbern oder Selfpublishern aus.

Web 2.0 ermöglicht Interaktion sowie eine direkte Kommunikation. Heutige Konsumenten wollen sich an der Produkterstellung beteiligen und ihre Meinung kommunizieren. Diese Entwicklungen kann ein Verlag durch Crowdsourcing aktiv aufgreifen, indem er Konsumenten und Autoren eine Plattform für die gemeinsame Gestaltung des Buchmarktes bietet. Die externen Bedürfnisse und Möglichkeiten zur Integration der Konsumenten in den Leistungserstellungsprozess können genutzt werden, um durch die Nähe und den entstehenden Input die Bedürfniseinschätzung zu verbessern und so langfristig ein Verlags­programm zu entwickeln, das den Wünschen der Konsumenten entspricht. Die bedürfniso­rientierten Produkte können den Absatz sichern, steigern und zu Kundenbindung, -loyalität und Imageverbesserung führen. Werden die Bedürfnisse innerhalb der Branchenteilnehmer befriedigt, wird externen Konkurrenten der Markteintritt erschwert.

Crowdsourcing im Buchverlag sollte somit keinesfalls zur Lö­sung von Ressourcenproblemen eingesetzt werden. Crowdsourcing erfordert Aufgeschlos­senheit gegenüber verlagsfremden Prozessen. Einsatzmöglichkeiten bestehen als Marketing- und Marktforschungs­strategie, die langfristig wertsteigernde Wirkung haben kann, zu diesem Zweck jedoch konsequent und unter Einsatz hoher Ressourcen durchgeführt werden muss. Nach Ansicht der Verfasserin kann der Einsatz von Crowdsourcing für jene Verlage emp­fohlen werden, die Crowdsourcing bei vorhandenen Kapazitäten nicht zum Ziel der wirtschaft­lichen Tragfähigkeit, sondern als Werkzeug zur langfristigen Programmentwicklung einsetzen.

 

Die Autorin dieses Artikels, Saskia Letz, untersuchte in ihrer Bachelor-Thesis die Auswirkungen und Potenziale von Crowdsourcing auf die Wertschöpfungskette in Buchverlagen. Die wissenschaftliche Arbeit erscheint demnächst bei ikosom. Auf http://saskialetz.jimdo.com/publikation/ haben Sie die Möglichkeit, in die Thesis hineinzulesen. Per E-Mail an saskialetz@yahoo.de können Sie auf die Interessentenliste gesetzt und bei Erscheinen der Publikation informiert werden.