Gelegentlich trifft einen ja auch im Medienbereich die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Etwa, wie jüngst geschehen, wenn der Gruner + Jahr Verlag massive Stellenstreichungen bei seinen Haupttiteln Brigitte und GEO verkündet. Und anderen Ortes immer wieder neue, erfolgreiche Zeitschriften gegründet werden. Nun auch von Portalen und nicht nur von klassischen Verlagen. Strebt am Ende alles wieder zurück zum Print? Oder was bedeutet der Trend?
Im November überraschte das Wohnungsvermittlungs-Portal Airbnb mit der Ankündigung, neben seinen vielfältigen Online-Aktivitäten nun auch eine Zeitschrift herausgeben zu wollen. Großformatig, werbefrei, stimmungsvoll. Wie passt dieser Trend zur an vielen Stellen deutlichen Krise des Mediums?
Ganz aktuell ist die erste Ausgabe des Magazins Pineapple erschienen – und obwohl sie nur für Wohnungsanbieter des Portals kostenfrei erhältlich ist (für alle anderen kostet sie stolze 12$), kann ein Preview auch im Netz bewundert werden. Die Zielrichtung der Content-Aufbereitung ist schon auf den ersten Blick klar: Vollformatige Bilder und Webdesign-inspiriertes Layout bestimmen das Bild, mit den Städten London, Seoul, San Francisco stehen klassische Reiseziele für Airbnb-Kunden im Vordergrund. Mit der gemischten Hochpreis/Kostenlos-Strategie soll offenbar gleichzeitig eine Art Kundenmagazin zum Auslegen in den vermieteten Wohnungen geschaffen werden, das durch die wahrscheinlich niedrige Verkaufsauflage noch um einen Sichtbarkeitsfaktor am Kiosk ergänzt wird.
Mit dem visuellen Stil schwimmt Pineapple auf der Welle der aktuell erfolgreichen Zeitschriften-Neugründungen, wie sie auch in Deutschland Furore gemacht haben. Ob es Titel wie Landlust ist, die 11 Freunde oder auch Beef – alle teilen sie viele Gemeinsamkeiten: Punktgenaue Ansprache einer klar definierten Zielgruppe, eigenständiger visueller Stil, starkes Ansprechen der emotionalen Seite des Kunden, hochwertige Aufmachung und entsprechend hochpreisiger Verkauf. Auf jeden Fall sind alles dies Merkmale, bei denen jeder Anzeigen-Marketer feuchte Hände bekommt – denn zumindest werden wesentliche Streuverluste bei Inseraten in diesen Titeln vermieden.
Warum aber geht Airbnb diesen Weg? Und dies ohne integrierte Anzeigen? Es scheint, als ob eine Print-Ausgabe eben selbst für ein reines Online-Unternehmen eine sinnvolle Ergänzung darstellt – zur Reichweiten-Steigerung in die reale Welt, zur Markenbildung, zur Kundenbindung. Vielleicht auch im Zuge eines gewissen Retro-Trends. Und Anzeigen braucht der Titel nicht, denn er vermarktet ja das Unternehmen selbst.
Fast zeitgleich verkündete Zalando, die bereits länger mit einem Kundenmagazin im Print in Deutschland präsent sind, dass sie den Charakter des Titels als “Online-Verstärker” noch ausbauen wollen: Ab Winter diesem Jahres sind hier nun stets auch Augmented Reality-Elemente integriert. Für die Präsentation der Modeartikel macht das natürlich ausgesprochen Sinn. Produktvideos, 360-Grad-Ansichten und Musik-Hinterlegung machen es noch einfacher, eben nicht nur ein Bild zu übermitteln, sondern einen ganzen Lifestyle zu präsentieren.
Online übersetzt sich hier ins Print – und wieder zurück. Und auch wenn die Geschäftsmodelle der Portale noch so sehr aufs reine eCommerce fokussiert sind, auf den Charme einer gedruckten Zeitschrift und die damit verbundene Repräsentation in der realen Welt scheinen auch Airbnb und Zalando nicht verzichten zu wollen. Auch das könnte eine Chance für traditionelle Zeitschriften-Verlage sein: per Kooperation, oder per Übernahme der Modelle für eine erfolgreiche Zielgruppen-Fokussierung.
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