Mobile Publishing: Update Juni 2015

Auch wenn man gerade lieber am Badesee wäre als am PC, die Entwicklungen im mobilen Publizieren nehmen weder Rücksicht auf Wetter noch auf persönliche Befindlichkeiten. Denn auch in diesen Tagen kommen regelmäßig spannende Innovationen und überdenkenswerte Entwicklungen in einen ohnehin hochdynamischen Markt. Wir kommentieren wie jeden Monat die wichtigsten Trends und Tendenzen im Mobile Publishing:

Die Technologien zur Umsetzung

iBooks Author revisited: Leider gibt es ja in letzter Zeit wenig Innovationen aus dem Bereich Produktionstools zu berichten. Umso interessanter ist es, dass Apple hier einmal wieder Hand angelegt hat: In der aktuellen Version für iOS 8.4 hat iBooks gelernt, auch auf dem iPhone iBooks-Author-eBooks wiederzugeben. Daneben wurde iBooks Author mit neuen Templates versehen, die zum einen auf das iPhone zugeschnitten sind, zum anderen aber auch den Export von “echten” EPUB-eBooks ermöglichen.

Die iPhone-Wiedergabe macht wohl auf den ersten Blick einen eher zwiespältigen Eindruck. Nate Hoffelder von Inks, Bits & Pixels kommentierte die Neuerung mit “like a PDF, only from Apple”. Ein vollwertiger EPUB-Export, insbesondere als EPUB3-Datei, könnte das Tool dagegen wieder interessanter für Verlags-Projekte machen – auch wenn man mit Sicherheit noch gut austesten muss, wie Standard- und Geräte-kompatibel die ausgespielten Dateien am Ende wirklich sind. Einen guten Überblick zum Thema gibt auch Talking New Media, als Einstieg gibt dieses begleitende Video schon einmal einen ersten Eindruck:

 

 

The end of ebooks and apps as we know them: Kaum hat man sich einmal einigermaßen an eBooks und Apps gewöhnt, macht sich die Technologie-Branche schon an vielen verschiedenen Stellen Gedanken, wie der nächste Entwicklungsschritt aussehen könnte. Relativ naheliegend ist dabei noch eine Initative des W3C-Konsortiums: Unter dem Schlagwort “EPUB-WEB” versucht man hier, eBooks und das Internet im Sinne technischer Konvergenz wieder zusammenzubringen – ein Vortrag dazu auf den Buchtagen wird von Readbox zusammengefasst.

Als nächste Stufe arbeiten sowohl Apple als auch Google daran, mit dem Modell des persönlichen Assistenten a la Siri oder Google Now on Tap Apps im herkömmlichen Sinne obsolet zu machen und durch intelligente, kontextsensitive Hintergrund-Dienste zu ersetzen. Wired fasst diese Entwicklung unter dem Schlagwort “who can kill the app first” zusammen. Und natürlich sind die anderen großen Plattformen ebenfalls mit dabei: Twitter hat jüngst den Machine-Learning-Anbieter Whetlab gekauft, um Personalisierung und Targeting zu verbessern. Amazon hat nach dem ersten Testlauf inzwischen das Framework für seinen “Alexa”-Assistenten freigegeben – die Liste der APIs und integrierten Dienste ist je nach Sichtweise beachtlich oder beängstigend. Und auch für die User/App-Interaktion entstehen neue Paradigmen: eines davon könnte der gute, alte Text-Chat sein…

 

Das ist die Zielgruppe

Studien mit Risiken und Nebenwirkungen: Zur aktuellen Beurteilung von Zielgruppen und ihrem Nutzungsverhalten der neuen Medien sind wir alle regelmäßig auf Studien, Umfragen und Analysen angewiesen. Doch nicht immer ist die Interpretation so einfach. Schönes Beispiel dafür ist eine Studie von Deloitte zur Mediennutzung im Consumer-Bereich, die wir gerne zur Lektüre empfehlen möchten. Im Artikel von The Bookseller wurde daraus die Zusammenfassung “Millenials lesen am wenigsten eBooks” – aus unserer Sicht wäre das Fazit aber wohl eher “Die Jugend entwickelt sich weg von textorientierten Medien und hin zu visuellen Medien”. Kann man eben alles so und so sehen.

Ebenfalls schwer in ein einfaches Fazit zu packen, dafür sehr informativ und materialreich aufbereitet. sind die aktuellen Studien der internationalen Magazin-Vereinigung FIPP: Im Laufe des Jahres erschienen Übersichten zu Video-Einsatz, Social Media und Mobile Publishing im Bereich Periodika, weitere Veröffentlichtungen sind für dieses Jahr geplant. Wie jährlich seit 2011 hat dagegen Nielsen seine Studie zur App-Nutzung in den USA wiederholt – die Ergebnisse scheinen sich dabei zu stabilisieren: Die App-Nutzungszeit steigt kontinuierlich, die Zahl der genutzten Apps bleibt annähernd konstant. Eine Zusammenfassung von Statista:

 

Infographic: Double the Time - Same Number of Apps | Statista

You will find more statistics at Statista

Zu Statistiken und ihrer Interpretation hat sich auch Mike Shatzkin zu Wort gemeldet: In einem ausführlichen Artikel nimmt er die Zahlenspiele über den US-eBook-Markt aufs Korn und argumentiert, dass traditionelles Publishing so schnell kaum verschwinden wird – es aber auch keinen Grund gibt, sich in Frieden zu wiegen und abzuwarten. Talking New Media dagegen zeigt in seinem Beitrag, dass Studien zum Vergleich Print/Digital oft nicht das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt sind – weil einfach die falschen Fragen gestellt und althergebrachte Reichweiten-Modelle unreflektiert auf die digitale Welt übertragen werden.

 

So erreiche ich den Kunden

Netzwerke werden Shops, Shops werden social: Schon einige Male hatten wir berichtet, wie die sozialen Netzwerke mittlerweile eCommerce-Schnittstellen in ihre Systeme integrieren. Als jüngstes Beispiel hat Twitter hier ordentlich nachgelegt: Mit den “Sammlungen” und “Produktseiten” wird hier ein mächtiges Werkzeug für die Präsentation von Marken integriert. Gleichzeitig wird mit “Lightning” an einer neuen, teilweise kuratierten Version des Newsfeeds gearbeitet. Und auch die Analyse-Tools ziehen nach – in den “Audience insights” werden immer detailliertere Informationen zur Zielgruppe für Marken gesammelt und auch das Konzept der “Twitter Personas” eingeführt.

 

Twitter personas

Twitter Personas: ein neues Werkzeug zum Umgang mit Zielgruppen in den Audience Insights des Netzwerks (Quelle/Copyright: Twitter)

 

Einen guten Überblick über die eCommerce-Integration bei Facebook bietet TechCrunch. Amazon dagegen geht mit den jüngsten Änderungen auf der Kindle-Plattform eher den umgekehrten Weg: Der Nutzer erhält hier umfangreiche Social-Sharing-Möglichkeiten, verbunden mit der Weitergabe von mobil optimierten Leseproben (natürlich immer mit integriertem “Kaufen”-Button). Re/Code zeigt zum selben Thema allerdings, dass die eCommerce-Integration für Twitter, Facebook, Pinterest und Co. auch große Herausforderungen mit sich bringen wird – und wir wahrscheinlich nicht von heute auf morgen mit einer schönen, neuen Shopping-Welt zu tun haben werden.

Content Marketing und Social Media: Lange ist Content Marketing schon ein gängiges Schlagwort in der Diskussion – aber immer noch fangen viele Unternehmen bei nahe Null an, wenn es um die Umsetzung geht. Lesenwert erscheint uns dazu ein Erfahrungsbericht der Agentur C3, der viele Best Practises und Prinzipien zeigt, mit denen man sich Fehler ersparen kann. Beim Upload-Magazin gibt Jan Tißler einen exzellenten Überblick über Online-Formate für wirkungsvolles Storytelling – Pflichtlektüre für das Erstellen eines Online-Redaktionsplans, möchte man sagen. Kerstin Hoffmann von PR-Doktor wäscht dagegen Unternehmen im Bereich Social Media den Kopf und zeigt neun typische Fehler in Umsetzung und Praxis. Und zur Umsetzung von Content- und Social-Media-Marketing im Verlagsbereich verweisen wir gerne auf unsere eigene Fallstudie zum Online-Marketing bei Penguin Books.

 

So rechnet sich das

Die Evolution der Flatrate-Modelle: Gleich zweimal waren in den letzten Wochen die von uns schon mehrfach besprochenen Abo/Flatrate-Modelle für eBooks in den Branchenmedien: das lange hochgelobte Scribd überraschte mit der Ankündigung, dass weite Teile des Liebesroman-Bereiches aus dem Programm genommen werden. Der Grund: die Titel laufen bei der Zielgruppe so gut, dass dieses Segment aufgrund der Abrechnungskonditionen schlicht unrentabel für den Dienst geworden ist. Hier kann man natürlich mit guten Gründen die Frage stellen wie nachhaltig ein Geschäftsmodell ist, das Probleme bekommt, wenn es erfolgreich wird – und was das für den Rest des Abo-Marktes bedeutet.

Fast gleichzeitig gab Amazon bekannt, sein Autoren-Abrechnungsmodell bei Kindle Unlimited radikal zu verändern: Statt nach Ausleihe der Titel werden die Autoren nun nach tatsächlich gelesenen Seiten bezahlt. Auf den Selfpublishing-Bereich dürfte dies natürlich einige Auswirkungen haben und erwartungsgemäß schlug die Diskussion bereits in den ersten Tagen ziemliche Wellen – von der Übertragung der Probleme des Online-Journalismus aufs eBook war hier die Rede und (natürlich, muss man fast sagen) von einer grundlegenden Veränderung der Literatur an sich. Da würde man doch zu etwas weniger Aufregung und etwas mehr Abwarten in der Bewertung raten. Kindle Unlimited ist zwar ein spannendes Modell im Markt, aber noch lange nicht der Gradmesser für Literatur an sich. Und für eine sachliche Diskussion empfehlen wir Matthias Mattings Artikel über die konkreten Auswirkungen des neuen Abrechnungsmodus.

 

Wir wünschen wie immer anregende Lektüre!

 

 

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.