iEverything? Neues von Apple

Drei Wochen ist es nun her, seitdem Apple auf seinem Special Event das zu erwartende Feuerwerk abgebrannt und die jüngsten Produkte des Unternehmens gezeigt hat. Mittlerweile ist iOS 9 verfügbar, viele der gezeigten Apps und Features können über die ersten Kommentare hinaus in der Praxis getestet und bewertet werden. Wir geben einen Überblick zu den News aus dem Apple-Ökosystem und zeigen, was die Entwicklungen für Verlage, Medienhäuser, Content-Anbieter und App-Publisher bedeuten.

Business as usual – oder doch eine neue Stufe der Entwicklung?

Regelmäßig gibt es nach den Apple-Präsentationen ebenso viele euphorische Kommentare wie ernüchterte Reaktionen von Zeitgenossen, die sich mehr erwartet hatten. Denn klar ist bei der Produktstrategie von Apple, dass es einmal pro Jahr ein neues iOS und eine neue Generation von Geräten gibt, die jedesmal bessere Prozessoren, mehr Leistung und Speicher, bessere Displays und Kameras beinhalten. Bei der diesjährigen Präsentation fiel jedoch auf, dass sich in der Flut von Produktinnovationen viele Details verbergen, die auf den ersten Blick nicht so auffallen – am Ende aber doch das Potenzial haben, das Apple-Ökosystem deutlich zu verändern.

 

iOS 9: keine Revolution, aber viele spannende Details

Deutlich wird dies zum Beispiel schon an den neuen Features von iOS 9: Zunächst bringt das neue Betriebssystem viel Produktpflege im Detail mit einer Menge zunächst unscheinbarer Funktionen, die im mobilen Alltag aber sehr praktisch sind, wie z.B. die Copy & Paste-Funktion in der neuen Tastatur oder den “Zurück zur letzten App”-Button als App-Umschalter. Als kleine Revolution aber kann man fast schon das neu eingeführte Multitasking in iOS bezeichnen, mit dem zwei Apps auf einem geteilten Display parallel ausgeführt werden können. Das macht natürlich vor allem Sinn auf den großen iPads, ist aber hier schon klar im Hinblick auf die angepeilte Zielgruppe der Unternehmen des iPad Pro gedacht. Aber auch technologische Neuerungen wie 3D-Touch zum Auslösen verschiedener Aktionen durch verschieden starken Touch füllen Lücken, die bisher in der mobilen Usability klafften.

 

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Multitasking in iOS 9: zwei Office-Anwendungen parallel ausführen dürfte ein typisches Szenario sein (Quelle/Copyright: Apple)

 

Über das Auslaufen des Apple-Newsstand für Zeitschriften-Apps und die neue Apple-News-App hatten wir schon einige Male berichtet. Für Verlage und Medienhäuser ist dies sicherlich eine der interessantesten Neuerungen, auch wenn die App bisher nur in den USA verfügbar ist. Aber hier zu beobachten, wie sich ein im Ökosystem gekapseltes Modell des News-Vertriebs mit der Möglichkeit zur Eigenvermarktung der Online-Anzeigen in der Praxis tatsächlich verhält, dürfte in der nächsten Zeit hoch spannend werden. Immerhin hat das Modell bereits so hohe Wellen geschlagen, dass sich neben Apple News und Facebook Instant Articles auch eine Initative von Google und Twitter zur News-Distribution für das mobile Web gesellt hat.

 

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News-Distribution über die Apple-News-App: ein Zukunftsmodell für die mobilen Ökosysteme? (Quelle/Copyright: Apple)

 

Ebenfalls für einige Nachbeben im Publishing dürfte die Einführung der Adblocker in iOS 9 sorgen: Schon länger geht die Diskussion über die lästigen Nebeneffekte der Online-Werbung durchs Netz. Inzwischen kann man selber live testen, wie relativ erholsam für Augen, Nerven und Datentarif das Surfen ohne Banner ist. Natürlich wird diese Entwicklung die Diskussion über die Effektivität von Online-Reklame noch einmal verschärfen und zeigen, dass für viele Publikationen die reine Werbefinanzierung einfach kein nachhaltiges Geschäftsmodell ist. Neben den Artikeln zum Thema empfehlen wir zur Lektüre gerne die klugen Kommentare von Baldur Bjarnasson und Seth Godin.

Zum Überblick können wir daneben die Beiträge von The Next Web und GigaOM zu iOS 9 empfehlen – und die strategische Analyse von TechPinions, die gar die Vorhersage treffen, iOS könnte das “Enterprise-Betriebssystem der Millennials” werden. Und auch wenn das etwas hochgegriffen erscheint, ein großer Wurf ist die aktuelle Betriebssystem-Generation schon: Einmal mehr zeigt Apple, wie geschickt der Konzern in der Integration so vieler Nutzerbedürfnisse ist und wie stark der Plattform-Lockin-Effekt ist, der dadurch entsteht.

 

iPad Pro: Apple auf der Suche nach neuen Zielgruppen

Wirklich spannend auch für Fachleute gestaltete sich die Präsentation des iPad Pro: Klar auf professionelle Zielgruppen hin fokussiert, bringt das Gerät nicht nur ein Display, das doppelt so groß ist wie das aktuelle iPad Air, sondern auch soviel mehr Rechen-Power, dass es damit viele Business-Notebooks in den Schatten stellen dürfen. Mit dem dazu passenden Eingabe-Stift und vielen demonstrierten Apps werden nicht nur Geschäftsleute, sondern auch Gestalter, Designer und sogar Zielgruppen aus den Ingenieur-Berufen angesprochen. T3N spicht hier nicht zu Unrecht von einer kleinen Revolution. Auch wenn das Gerät seine Nische zwischen kleinen Tablets und Laptops noch finden muss – Anwendungsgebiete wären aber reichlich vorhanden.

 

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Selbst anspruchvolle CAD-Anwendungen rendern in Echtzeit: Vor 5 Jahren noch hätte wohl kaum jemand gedacht, dass ein Mobilgerät so etwas hinbekommt. (Quelle/Copryright: Apple)

 

Dazu geben die ersten präsentierten Apps bereits genug Ideen: Adobe zeigte Gestalter-Tools für Illustratoren und sogar eine Art abgespeckter InDesign-Variante für iOS, Microsoft war mit seinen Office-Apps präsent und sogar wirklich performance-kritische Anwendungen wie 3D-CAD-Rendering scheinen auf der Plattform gut zu funktionieren. Es entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie, Microsoft quasi als Special Guest auf einer Apple-Keynote zu sehen, bei der Apple im Grunde dafür gefeiert wird, dass das Unternehmen erfolgreich den Surface-Tablet-Ansatz kopiert hat – klar ist aber auch, dass Apple diesen Ansatz nur mit genügend attraktiven Anwendungen von Drittanbietern zum Markterfolg bringen wird.

Für Publisher bedeutet das neue Gerät wahrscheinlich vor allem, dass es in Zukunft noch einmal deutlich mehr Zielgruppen geben könnte, die in ihrem Arbeitsumfeld mit Content und Apps angesprochen werden – und dass als Teil der Käuferschicht, die schon lange bekannt dafür ist, bei weitem am meisten für  Content und Apps auszugeben. Und ein bisher kaum beachtetes Detail: Mit dem iPad Pro existiert zum ersten Mal ein Mobilgerät, das Inhalte auf größerem Display und in besserer Auflösung darstellen kann als in vielen Print-Publikationen…

 

Das iPhone-Abo: Auf dem Weg zur Flatrate für das Ökosystem?

Ein wirklich spannendes Modell stellt auch das neue iPhone-Abo dar: Für etwa 35$ pro Monat erhält man direkt von Apple jährlich ein neues Gerät. Aus Apples Geschäftsmodell eine großartige Idee, denn so können die Produkt-Launch-Effekte etwas gedämpft und regelmäßige Umsätze in die Bilanz integriert werden. Und im Trend zur Flatrate liegt die Idee ohnehin: das Modell könnte ein Schritt hin zu einer “Ökosystem-Flatrate” sein, in der dann auch Content und Apps Teile des Pakets sind. Das Abomodell hat sicher das Potenzial für massive Disruption, insbesondere bei den Telefongesellschaften als Konkurrenten – und bedeutet am Ende für Apple auch noch mehr Kundenbindung und für die Kunden noch mehr Plattform-Lockin.

 

iOS, WatchOS, TV OS – was wird die nächste Betriebssystem-Variante?

Neben iOS spielten auch die neuen Betriebssysteme für die Apple Watch und für Apple TV eine verblüffend große Rolle: ein Zeichen dafür dass Apple die Strategie von Amazon und Google aufnimmt, mit System-Varianten auf immer mehr Endgeräte-Typen vertreten zu sein und Stück für Stück alle Lebensbereiche zu durchdringen sucht. Gerüchtehalber steht ja das Auto schon auf der Liste, die “iOS in the car”-Initiative ist ein erstes Zeichen, auch wenn dies hierzulande noch kaum wahrgenommen wird. Geht es auf diesem Weg weiter mit dem Internet der Dinge, ist nahezu sicher, dass die nächste iOS-Variante schon in der Entwicklungs-Pipeline steht.

 

Fazit

Auch wenn sich in die Kommentare immer auch sehr kritische Stimmen mischen, erscheint uns klar, dass Apple einmal wieder seinen Erfolgkurs fortsetzt. Das Unternehmen hat das bei weitem profitabelste Ökosystem entwickelt, sowohl für das eigene Geschäftsmodell als Hardware-Anbieter, als auch für die Monetarisierung von Content und Apps durch die Anbieter. Neu ist jedoch der Zug, dass Apple stärker als bisher über einzelne Geräte hinaus auch als Plattform-Anbieter denkt und mit Angeboten wie Apple News eben auch die schiere Masse seiner Nutzer monetarisiert. Für Verlage und Medienhäuser dürfte dies bedeuten, dass man mit seinen Inhalten stets auch im Apple-Ökosystem präsent sein sollte – auch wenn dies aufgrund vieler Rahmenbedingungen keine allzu komfortable Existenz ist. Denn Apple ist in Deutschland in einer Minderheiten-Position, was die Gerätenutzer angeht – aber die Möglichkeiten zur Monetarisierung bleiben im Vergleich zur Android-Welt hoch.

 

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.