Facebook: Auf dem Weg zum Plattform-Ökosystem

2015 war ein exzellentes Jahr für Facebook. Mit den Instant Articles wurde ein innovatives neues Modell für Publisher entwickelt, die Nutzung der Plattform erreicht weltweit immer neue Höhepunkte und aus Forschung und Entwicklung kommen stetig neue Impulse für Zukunfts-Technologien. Facebook entwickelt sich immer mehr zu einem mobilen Ökosystem eines ganz eigenen Typs, bei dem Plattform und Kundenzugang die zentralen Treiber werden – ein komplett anderes Paradigma, als es Amazon, Apple und Google für ihre Strategie wählen. Ein Überblick über die Entwicklungen des Jahres und ihre Bedeutung für Verlage und Publisher:

Die Dominanz von Facebook

Auch wenn Facebook immer wieder totgeschrieben wird: Die Strategie der Diversifizierung über die verschiedensten Apps und Kanäle und der Aufkauf diverser potenzieller Konkurrenten zahlt sich aus. In den USA machen die diversen Facebook-Ableger mittlerweile etwa ein Viertel der gesamten mobilen Online-Zeit beim Kunden aus, mit der Facebook-App als Spitzenreiter in der Nutzungszeit. Das hat Konsequenzen für News-Publisher: In 2015 hat sich das Verhältnis der Traffic-Quellen gedreht, die “social referrals” machen nun erstmals mehr Anteil aus als der organische Traffic über Suchmaschinen.

Und auch aus Nutzersicht betrachtet ist das Bild mehr als klar: Unter den weltweit meistgenutzten Mobile-Apps steht Facebook mit seinen vier zentralen Diensten einsam an der Spitze der Top 10. Lediglich bei den Nutzer-Sessions können sich die weltweiten Konkurrenten im Messenger-Markt behaupten – insbesondere der chinesische Markt schlägt hier zu Buche.

 

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Die weltweit am meisten verwendeten Mobile Apps: die Strategie der Diversifizierung zahlt sich aus für Facebook. (Quelle/Copyright: www.kpcb.com/internet-trends)

 

Und auch die Entwicklung der Nutzerzahlen weltweit zeigt es: letztlich wird das Wachstum von Facebook aktuell vor allem dadurch gebremst, dass einige Hauptmärkte (wie die USA und Europa) fast vollständig gesättigt sind, während in Asien zuviel Konkurrenz sitzt, oder etwa in Afrika der Nutzerzugang zu schwierig für schnelles Wachstum ist – aber auch für dieses Problem hat Facebook mit internet.org noch ein Ass in der Hinterhand.

 

Instant Articles: Content im sozialen Netzwerk

Mit den Instant Articles hat Facebook seit dem Start des Modells offenbar einen Nerv getroffen. Selbstverständlich sind die Instant Articles der Versuch, die Dominanz im News- und Medienbereich noch deutlich auszubauen. Und für die hier aktiven Publisher scheint die Rechnung dabei ebenfalls aufzugehen, wie die ersten Erfahrungen mit der Nutzung der Plattform zeigen – auch wenn sicher nicht alle News-Anbieter so weit gehen werden wie die Washington Post, die in Zukunft alle ihre Artikel per Instant Articles publizieren will.

Für die News-Anbieter wie für die Nutzer ist das Modell ein zweischneidiges Schwert: Als Anbieter heißt der Tausch “Reichweite gegen Abhängigkeit”, mit allen unangenehmen Nebeneffekten, die beispielsweise die Buchbranche im Amazon-Ökosystem kennengelernt hat. Für Nutzer wird letztlich der Lock-in-Effekt der Plattform noch weiter verstärkt und hier ein weiteres Zeichen gegen das offene, allen zugängliche Netz gesetzt. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieser Weg zumindest nicht als das alleinige Modell für Content im Netz durchsetzt.

 

Monetarisierung abseits vom Kern des Geschäftsmodells

Natürlich wird der überwiegende Teil der Einnahmen von Facebook nach wie vor im “klassischen” Online-Werbegeschäft erzielt. Aber bereits mit einem Modell wie den Instant Articles rückt die Funktion als Aggregator-Plattform weiter in den Vordergrund. Und spätestens wenn sich der Buy-Button in der Timeline verbreitet und Produkte direkt aus Posts heraus gekauft werden können, ist die Schwelle zum Online-Shop erreicht.

 

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Facebook mit Buy-Button: Wird das Einkaufen in der Timeline in Zukunft zum Standard?

 

Die Integration eines Payments-Dienstes in Facebook Messengers tut dazu ein übriges: Dass man über Chat-Apps auch den Zahlungsverkehr abwickeln kann, egal ob gegenüber Firmen oder unter Privatpersonen, ist in Asien bereits gewohnter Standard. Dazu ergänzen Dienste wie das frisch vorgestellte Crowdfunding-Tool das Service-Portfolio. Vom Geschäftsmodell her betrachtet heißt dies vor allem, dass Facebook ähnlich wie Amazon, Apple und Google in Zukunft einträgliche Umsätze mit Umsatzprovisionen auf die so getätigten Transaktionen verdienen könnte.

 

Facebook als Technologie-Konzern

In den letzten Jahren ist das Unternehmen über seine Ursprünge als reiner Social Media-Anbieter deutlich hinausgewachsen. Facebook bewegt sich auf Augenhöhe mit Konzernen wie Apple und Google, was komplexe Software-Entwicklungsprojekte angeht und veröffentlicht mittlerweile Projekte wie Prototyping-Tools, Design-Frameworks für die Web-Programmierung und Entwickler-Werkzeuge. Und mit Parse hat Facebook auch ein Framework für Projekte im Bereich Wearables und IoT-Anwendungen im Portfolio.

 

Facebook’s capability for software development is easily on par with Google’s or Apple’s.
(Baldur Bjarnasson)

 

Aber auch in der Langzeit-Strategie von Mark Zuckerberg nehmen die großen Technologie-Projekte erheblichen Raum ein. Ein großer Innovationsbereich ist dabei aktuell Virtual Reality und die Entwicklung von Oculus Rift, aber auch Machine Learning und KI-Forschung werden mit großer Energie vorangetrieben und zeigen, wie groß die Technologie-Kompetenz des soziale Netzwerks inzwischen ist.

 

Facebook – ein neuer Typus Ökosystem

In Bezug auf die Menge der Kunden wie auf Umsatz bewegt sich Facebook mittlerweile locker in der Region der großen mobilen Ökosysteme von Amazon, Apple und Google. Aber das Unternehmen wählt als Strategie einen vollkommen unterschiedlichen Ökosystem-Ansatz: Während die “klassischen” mobilen Ökosysteme auf die enge Vernetzung von Hardware, Software, Content und Mehrwertdiensten in ihrem Angebot setzen, hat Facebook von Anfang an komplett auf Hardware-Entwicklung und den Betriebssystem-Anteil verzichtet (die wenigen Ansätze in diese Richtung wie der Facebook-Launcher für Android wurden schnell wieder beerdigt).

 

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Das klassische Modell der mobilen Ökosysteme: Mobilgeräte, Apps, Content-Angebot und Mehrwertdienste werden über Web-Plattformen verknüpft, technisch tief integriert und sozial vernetzt.

 

Der Effekt: Facebook sitzt quasi wie ein zusätzlicher Layer über allen anderen mobilen Ökosystemen und kann seine großen Stärken ausspielen: Eine mächtige Technologie-Plattform als Basis, vielfältige Applikationen und Dienste für den Nutzer, und vor allem den Zugang zu den weltweit größten Nutzermengen überhaupt. Auf diese Weise, durch den Kundenzugang, lassen sich eben auch Dienste monetarisieren, die für sich genommen wenig werthaltig sind und erst durch die schiere Größe der Plattform sinnvoll werden. Ben Thomson hat dazu in seiner exzellenten Analyse “Publishers and the smiling curve” überzeugend gezeigt, dass sich im Online-Bereich die Wertschöpfung ein ganzes Stück von den Content-Erstellern und Anbietern hin zu den Distributoren und Plattformen verschiebt:

 

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Ben Thompsons Konzept der “smiling curve”: die Wertschöpfung verschiebt sich weg von den Verlagen und hin zu den Distributoren von Content, in den Zeiten des Inhalte-Überangebots wird Discoverability zum zentralen Faktor. (Quelle/Copyright: stratechery.com)

 

Von den Plattformen wiederum dürfte im Content-Bereich aktuell Facebook der größte sein. Das Unternehmen wird damit vor allem zu einem: zu einer Art Meta-Publisher, der Inhalte aller anderen Publisher bündelt, aggregiert und weltweit distribuiert. Publisher müssen sich dabei damit arrangieren, dass sie stets auf die Kooperation mit ihrem vielleicht größten Mitbewerber angewiesen sind.

 

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.