Ein bot weiß ja eigentlich mehr als man selbst von seinem bisherigen Leben. Google, Amazon und Co. vergessen nichts und erinnern einen an längst vergessene Käufe, Vorlieben und Netzspaziergänge. Deshalb könnte der bot bei einer intelligenten Hochrechnung auch besser als jeder Partner die eigenen Wünsche erfassen. Und: Der bot kennt auch viel besser als jede noch so begeisterte Buchhändlerin das gesamte Buchuniversum und die verborgenen literarischen Schätze. Denn er wird von richtigen und passenden und auskunftsfähigen Metadaten gespeist, mehr als ein Mensch vertragen kann.
Soweit die Theorie.
In der Praxis haben es Empfehlungsmaschinen schwerer als gedacht. Flipintu, lokibo und mybook mussten in Deutschland erfahren, dass die bessere Empfehlung noch nicht für ein Geschäftsmodell ausreicht. Nun gibt es neben den klassischen Geschenkesets wie bei Thalia und den Blogs und persönlichen Empfehlungsplattformen wie lovelybooks zahlreiche weitere Experimente mit bots und Metadaten, von Random House mit dem idealen Buch für den Urlaub oder seinem Geschenkefinder oder Weltbild mit seiner Buchempfehlung. Das Problem dabei: Diese Angebote fragen zu viel. Sie verwickeln den Kunden in ein Marktforschungsgespräch und laufen deshalb Gefahr, wie die meisten Meinungsforschungen in letzter Zeit falsch zu liegen.
Einen anderen Weg geht die Plattform recomendmeabook von Givi Phirtshkhalava. Der Leser erhält eine Textprobe, fängt an zu schmökern und soll raten, von dem der Text ist. Wenn ihm der Titel gefällt, kann er gleich bei Amazon oder bookdepository kaufen. Die üblichen Affiliates gehen an die Plattform. Man kann aber auch bei den Covern stöbern, darauf die Textprobe lesen und dann kaufen, wie in der Buchhandlung.
Die Seite besticht durch die Einfachheit. Es gibt keine komplizierte Abfrage nach den eigenen Vorlieben wie bei Weltbild, die dasselbe Problem wie mybook haben: Niemand will lange gefragt werden. Und wenn man dann auf manche Fragen auch keine Antwort weiß, selber nicht sicher ist, ob man “sich jetzt spüren und optimieren” will oder “emotional” ist (ich weiß immer noch nicht den Unterschied), dann sind Abbruchquoten vorprogrammiert. recomendmeabook will die Lust am Stöbern und Raten erhalten. Man kann selbst auf Entdeckung gehen. Und das dürfte dem Bedürfnis am nächsten kommen, dass man sich sein Buch selber suchen will. Erst dann ist es meins. Die Plattform verzichtet auf die Empfehlungen aus meinem Netzwerk, der zweiten wichtigen Quelle für Buchkäufe neben dem eigenen Stöbern. Das ist klug, denn das können auch andere Plattformen besser bedienen.
Joe Wikert weist noch auf einen anderen Weg hin, wie man bessere Buchempfehlungen geben kann. Der Kunde kann im katholischen Buchshop OSV nach Schlagworten suchen und erhält aus der Analyse des Volltextes genaue Angaben zu den Büchern und bei nochmaligem Klick auch der Textstellen. Der Shop wird somit für einen interessierten Leser gleich auch ein Recherchetool. Die Voraussetzungen dafür sind gute Metadaten.
Für die Kunden von Sach- und Fachbüchern liegt der Nutzen auf der Hand: Sie können verschiedene Titel miteinander vergleichen und prüfen, ob die gesuchten Themen enthalten sind. Schwieriger ist es, wenn die Kunden noch nicht wissen, was sie genau lesen wollen. Denn wenn man von einem Werk erwartet, dass es einen führt und schon auf die richtigen Themen stößt, die man vorher nicht kannte, dann hilft auch die Volltextsuche nicht. Bei literarischen Werken dürfte deshalb die Volltextsuche wenig helfen. Die Empfehlung durch Freunde und Bekannte bleibt wichtiger. Denn Wörter sind eben keine Worte und keywords allein ergeben noch keinen Sinn.
Was mit der Analyse von Volltexten möglich ist, zeigt der Beitrag auf TED über die Nutzung des Ngram Viewers von Google. Habe ich erst einmal einen großen Datenbestand, kann dieser wie ein Würfel von verschiedensten Seiten betrachtet werden und zeigt neue Perspektiven. Und die braucht man für die Marktanalysen (siehe z.B. die vorangegangenen Beiträgen über smart data oder Metadaten). Auch wenn im ersten Schritt nur die Shops oder ein großes Verlagshaus in klassischen Big-Data-Kategorien denkt, so ist der Aufbau dieser Expertise doch für alle Unternehmen zentral. Smart Data statt Big Data lautet die Devise. Und das ist besser als gar nichts in der Hand zu halten.
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