Zur jeder Buchmesse gehört die Trend-Schau. Und natürlich spielen die Bücher die Hauptrolle – aber die Zukunft verlangt nach einem Blick auf die digitale Welt. Wie bereits im letzten Jahr haben wir für einen Vortrag bei unserem Partner SilkCode die Trends des Jahres ausgewählt – die aus unserer Sicht zentralen Entwicklungen im mobilen Publizieren für 2016. Wir möchten Ihnen die Erkenntnisse in Form eines Artikels nicht vorenthalten, denn die Trends gehören nicht nur auf die Messe – sondern ins alltägliche Arbeiten mit den digitalen Medien:
eBook-Markt: Marketing-Optimierung ist Trumpf
Während der deutsche eBook-Markt sich nach aktuellen Studien aktuell in seiner ersten ausgedehnten Plateau-Phase befindet, sind nicht nur je nach Genre / Warengruppe erhebliche Unterschiede in der digitalen Durchdringung zu erkennen. Auch innerhalb derselben Genres geht die Schere beim eBook-Umsatz-Anteil je nach Verlag von niedrigen einstelligen Zahlen bis zu deutlich über 20% auf. Der Grund aus unserer Sicht: der ebenso unterschiedliche Grad, in dem moderne Online-Marketing-Tools beherrscht und eingesetzt werden.
Schon im US-Markt hat sich z.B. in der letzten Author-Earnings-Studie gezeigt, dass bereits relativ kleine Anpassungen im eMail-Marketing von Amazon sichtbare Verschiebungen von Teilmärkten zur Folge haben können. Neben den klassischen Mechanismen des eMail- und Social-Media-Marketing werden aber auch vermehrt neue Vermarktungstools eingesetzt: Eigenanzeigen und Inbook-Marketing lassen sich inzwischen dynamisch und automatisiert in eBook-Titel einbinden und sorgen für verbesserte Content-Empfehlungen. Dynamisches Pricing und optimierte Preisaktionen sorgen für Umsatz- und Reichweiten-Steigerung. Und über automatisiertes eBook-Bundling lassen sich schnell attraktive neue Produkte für spezielle Zielgruppen erstellen.
Natürlich sind alle diese Mechanismen nur über hochautomatisierte Steuerungstools sinnvoll einsetzbar und auswertbar – aber darin wird einer der Schlüssel zum Erfolg in einem Markt liegen, der hochgradig von der Sichtbarkeit und Vermarktungsstrategie abhängt.
Apps: Bots, Assistenten, Integrationsplattformen
Während beim Massenmarkt der Consumer-Apps aktuell eher Katerstimmung zu verzeichnen ist, da sich die App-Nutzung zwar intensiviert, aber auch auf relativ wenige, bekannte Apps konzentriert und die Retention-Rates nach oben gehen, boomt ein anderes Genre von Apps: die im Hintergrund arbeitenden Bots und virtuellen Assistenten, die ohne echte Bedienungsoberfläche im verborgenen arbeiten, um für Prozess-Automatisierung, Content-Empfehlungen und intelligente App-Verknüpfungen zu sorgen.
Daneben werden die Apps der sozialen Netzwerke und insbesondere die Messenger-Apps zunehmend zu einer Art zentraler Integrationsplattform. Selbst Apple hat mit iOS 10 seinen Startbildschirm mit so vielen Funktionen ausgerüstet, dass er fast schon als eigenständige Betriebssystem-Oberfläche gelten kann. Und die populären Messenger erhalten – insbesondere im asiatischen Markt – integrierte Schnittstellen zu Payment-Anwendungen, Kundenservice-Tools, Fahrdiensten, Essen-Lieferdiensten. Die Nutzer können zunehmend mehr Funktionen wahrnehmen, ohne ihre zentrale Applikation jemals wirklich verlassen zu müssen. Und auch für Content-Anbieter wird es nötig sein, hier ihren Platz zu finden, wie das folgende Fallbeispiel aus den Kleiner Perkins 2016 Internet Trends zeigt, in dem eine komplette Customer Journey in nur zwei Apps abgewickelt wird:
Blended Learning: „MOOCs on steroids“
In den letzten Jahren boomen die MOOC-Modelle wie Udemy, Coursera, Khan Academy und Lynda – zu Recht, denn mit sehr viel geringeren Zugangshürden können hier auch anspruchsvolle Fähigkeiten durch reines Online-Training erworben werden. Doch bei allem Erfolg darf nicht verschwiegen werden, dass diese Lernform durchaus nicht geringe didaktische Probleme mit sich bringt: Regelmäßigkeit des Lernens und Lernkontrolle lässt sich durch den Dozenten kaum verlässlich sicherstellen und durch den fehlenden persönlichen Kontakt ist die Nachhaltigkeit der Maßnahme zumindest fragwürdig.
Ein Weg zur Kombination des besten aus beiden Welten kann dabei die Lernform “Blended Learning” sein: Online-Trainings-Einheiten werden hier mit Präsenz-Seminaren und Workshops zu einem integrierten Lernkonzept verknüpft. Persönliche Erfahrungen damit durfen wir in unserem eigenen Blended-Learning-Projekt zum Digitalen Publizieren machen, das wir für das Goethe-Institut dieses Jahr zum zweiten Mal in Indien und aktuell zum ersten Mal in Ägypten durchführen.
Der Kurs wird jeweils von einem Start- und einem Abschluss-Workshop vor Ort eingerahmt. Bei Start-Workshop geben wir in kurzen Impulsvorträgen einen Einstieg in die jeweiligen Themen, daneben besteht etwa die Hälfte der Zeit in der Bildung von Projektgruppen und der Konzeption von Muster-Projekten, die während der Kurslaufzeit dazu dienen, die Themen prototypisch in der Praxis durchzuspielen.
Für die sechsmonatige Online-Trainings-Phase verwenden wir die Lernplattform Moodle, die beim Goethe-Institut gehostet und dort vor allem für den Deutsch-Unterricht eingesetzt werden. Die Themen des Kurses werden dort mit einer Mischung aus vorproduzierten Lernvideos, vertiefender Literatur und praktischen Aufgaben zu den Muster-Projekten der Teilnehmer vermittelt. Zu den passiven Lernformen kommen interaktive Elemente wie Kursaufgaben mit Forums-Diskussion, individuelles Feedback zu den praktischen Aufgaben sowie die Möglichkeit zum Live-Chat hinzu. Im Abschluss-Workshop präsentieren die Teilnehmer dann die Ausarbeitungen ihrer Projekte und arbeiten zusammen mit uns drei Tage lang an den Details, bis am Ende ein Produktkonzept steht, das man konkret realisieren könnte. Aus unserer Erfahrung glauben wir: ein Lernformat mit sehr viel Zukunft!
Augmented Reality & Virtual Reality
Im Bereich Virtual Reality erwartet uns dieses und nächstes Jahre eine komplette Generation neuer Geräte, die von allen großen Plattform-Anbietern der Welt auf den Markt kommen. Und bei den enormen Entwicklungs-Budgets, die hier investiert werden, wäre es ein Wunder, wenn die Technologien dazu nicht einen großen Sprung nach vorne machen würden. Noch komplett offen ist zwar die Frage des gesellschaftlichen Umgang mit der Technologie – so spektakulär die Anwendungen aussehen, wenn man in der virtuellen Realität wandelt – von aussen wirkt man für seine Mitmenschen doch noch sehr merkwürdig. Und für Verlage und Medienhäuser wird die Frage sein, wo man als eher textorientierte Branche seinen Platz in dieser Welt findet.
Um Augmented Reality ist es wieder etwas still geworden in letzter Zeit – was aber nicht darüber hinweg täuschen sollte, dass bereits viele produktive Anwendungen in Branchen wie Luft- und Raumfahrt-Technik, Automobil- und Anlagenbau, Rüstungsindustrie im Einsatz sind. Und neben dem diesjährigen Hype um Pokemon Go zeigt ein Anwendungsbeispiel wie Land Rover, das in seinem Spitzenmodellen aktuell quasi die Windschutzscheibe zum Head-Up-Display macht, um darin Verkehrinformationen einzublenden, wann die Schwelle zur Durchsetzung einer Technologie erreicht ist: Wenn sie vom Kunden gar nicht mehr als eigenständige Technologie wahrgenommen wird, weil sie einfach selbstverständlich in Konsumgüter eingebaut ist.
Content im IoT: Alexa, Google Now, Siri & Co.
Mit Geräten wie Amazons Alexa-Plattform oder virtuellen Assistenten wie Google Now oder Siri verbindet sich ein weiterer Trend, der noch weitgehend verborgen den Umgang mit Content im Internet of Things beeinflussen wird: nicht nur arbeiten dieses Assistenzen stets im Hintergrund und ohne eigenständige Bedienungsoberfläche – damit verbunden ist auch ein grundlegender Paradigmen-Wechsel in der verwendeten Suchtechnologie. Natürlich wird es auch weiterhin einen Google-Algorithmus geben, der da im Hintergrund arbeitet. Aber bei Geräten und Apps, bei denen sowohl die Sucheingabe als auch die Ausgabe der Ergebnisse per Sprache erfolgt, arbeiten die Entwickler an einer stillen Revolution der Suche:
Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Abschaffung der Trefferliste. Bei der Suche per Sprache stellt der Nutzer eine Frage, und er erhält eine Antwort – und zwar genau eine. Dieses Prinzip wird die Suchmaschinen-Optimierung bei Durchsetzung grundlegend verändern. Denn in dieser Welt kann Sichtbarkeit nur noch über einen Mechanismus hergestellt werden: Wenn der eigene Content eine direkte Antwort auf eine relevante Fragestellung der eigenen Zielgruppe ist.
Der zweite Teil unserer Trendschau erscheint in der nächsten Woche – bis dahin wünschen wir eine angenehme Lektüre!
Pingback: Digital Publishing Trends 2017, Teil II | smart digits
Pingback: Digital Publishing Trends 2016, Teil 2 | smart digits