Mit der Ausgabe 47 vom 21. November 2011 hat DER SPIEGEL Neuland betreten:
Das bisherige ePaper als downloadbare PDF-Version der aktuellen Ausgabe des Spiegels wurde aufgegeben: Nun wird DER SPIEGEL als plattformunabhängige HTML5-Version für alle (mobilen und nicht-mobilen) Devices angeboten. D.h.: Auch auf dem iPad (und jedem anderen Mobile Device, das HTML5 in einem Browser lesen kann) kann nun DER SPIEGEL interaktiv über den (Safari-) Browser gelesen werden – ohne dass man dazu eine App im Appstore herunterladen muss.
Bisher boten nur die nativen Apps im Appstore / Android Market dank der höheren Programmiersprache (wie C++) und dank der individuell auf dem Smartphone / Tablet zusätzlich zur Verfügung gestellten Technologien (wie z.B. GPS-Signal oder auch lokale Speicherplätze) die Möglichkeiten, gedruckte Inhalte in der von Smartphone und Tablets gelernten Touch-Technologie und mit zusätzlichen Animationen wie Infografiken und Videos darzustellen – enhanced eBook oder eMag eben.
Mit der HTML5-Technologie geht das nun auch ohne eine App – wenn man auf die individuellen Informationen und Zusatzleistungen / Technologien des einzelnen Smartphones / Tablets verzichten kann. Damit ist die Programmiersprache HTML5 generisch – d.h. nicht für jedes (natives) Betriebssystem (iOS, Android, Windows, etc.) muss eine eigene App programmiert werden.
Dafür bleibt aber die HTML5-Version technologisch eben auch eine Weiterentwicklung einer Website – die nur mit einer Datenverbindung online ist – und nicht (wie im Appstore) in der Regel komplett auf das Device herunter geladen werden kann. Konkret wird DER SPIEGEL als App komplett auf das iPhone / iPad geladen – in der HTML5-Version wird er jedoch nur Online zur Verfügung gestellt.
Die Zeiten von “früher” , als man mit einer Website alle Interessenten im Internet erreichen kann – scheinen wieder zu kommen. Die Betonung liegt auf scheinen.
Die Gründe für eine solche, generische Technologie liegen zunächst einmal auf der Hand:
- Eine plattformunabhängige Technologie mit einer Programmiersprache HTML5 verringert den Programmieraufwand insgesamt im Vergleich zur nativen (und damit mehrfachen) Programmierung einer App auf diversen Plattformen – und senkt damit die Kosten.
- Die Distribution der (auch für HTML5) kostenpflichtigen Zugänge erfolgt im eigenen Haus. Neben den Gebühren hat man zukünftig auch alle anderen “Bewegungsdaten” des registrierten Kunden – wenn er sich beim eigenen Server angemeldet hat und im eigenen Produkt stöbert.
- Die 30% Provision an den Marktbetreiber Apple oder Google entfällt. Dafür muss man sich aber eine eigene Bezahl-Infrastruktur aufbauen, die auch nicht umsonst ist.
- Als “eigene” Plattform hat man die Vermarktung der HTML5-Version vollständig selbst in der Hand – es sind keine Einflüsse / Zensuren der Plattform-Betreiber mehr zu befürchten.
Und dennoch sprechen auch einige Gründe dafür, sich auch weiterhin mit nativen Apps zu beschäftigen:
- Apples Appstore und der Android marketplace sind gelernte Marktplätze, bei denen man weiß, was man wie kauft, wie man sich Ratings anschaut und in denen man stöbern kann. Und in den Appstore gehe ich mit der festen Absicht, ein Produkt zu suchen und zu finden – und bin dann auch bereit, dafür Geld auszugeben.
- Wenn man (online) keine so starke Marke hat wie der Spiegel, benötigt man Plattformen, die den Vertrieb für einen übernehmen.
- Wer aktuell beim Spiegel versucht hat, sich für die neue HTML5-Version des Spiegels anzumelden, dann den entsprechenden Link gefunden hat und zum eigentlichen ePaper gekommen ist (und trotzdem noch gewillt ist, diese HTML5-Version zu kaufen) – der weiß, welchen massiven Vorteil gelernte Marktplätze auch bei der Kaufabwicklung haben. Ganz zu schweigen von InApp-Purchase, Abonnements etc, die alle erst noch außerhalb der Appstores gelernt werden müssen.
DER SPIEGEL hat mit der HTML5-Version technisches und marketingmäßiges Neuland betreten und kann zumindest damit versuchen, seine Plattformunabhängigkeit zu demonstrieren. Einen gleichwertigen Ersatz für den technisch und funktional deutlich mehr Möglichkeiten bietenden Appstore stellt es jedoch noch nicht dar. Nachdem die digitale Welt sehr schnell ist, ist diese Entwicklung auch erst ganz am Anfang und muss in jedem Fall weiter verfolgt werden.
Die Verlage sollten diese Entwicklung in jedem Fall aufmerksam verfolgen, stellen doch auch enhanced eBooks keine technisch allzu schwierigen Apps dar – und könnten sich daher also auch prototypisch für einen eigenen HTML5-Vertrieb – sofern die notwendige Einschränkung der dauernden Online-Verfügbarkeit des Devices zweitrangig ist – eignen.
Wer sich die Suche nach dem richtigen Einstieg zur Anmeldung zur neuen HTML5-Version ersparen will, bitte hier entlang:
http://www.spiegel.de/dienste/0,1518,668214,00.html
Wer sich das Ganze nochmals von einem Fachmann erklären lasse möchte:
http://www.computerwoche.de/netzwerke/mobile-wireless/2497516/
Wer sich detaillierte mit den Programmiertechniken auseinandersetzen möchte:
http://www.heise.de/ix/artikel/Statt-App-1338075.html
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