Mit den Smartphones und Tablets haben sich Endgeräte auf dem Markt etabliert, die multimediale Inhalte sehr gut darstellen können. Waren es zuerst nur Apps, die die technologische Basis dafür boten, gibt es jetzt schon mehr Möglichkeiten, den Text um Fotos, Videos, Audio u.a. zu erweitern. Das hat es z.B. im eLearning und als Spiel- und Lern-CDs für Kinder schon viele Jahre gegeben. Aber der Markt war begrenzt, meist auf den PC oder firmeninterne Plattformen. Vor allem aufgrund der Tablets scheint nun eine neue Produktform massentauglich zu werden: das enhanced eBook.
Die Grenzen des App-Marktes für Verlage
Der App-Markt bietet für Entwickler zahlreiche Möglichkeiten, die der Controller in Medienhäusern meist sehr kritisch sieht. Mit Apps kann man Geld verdienen, wenn man Spiele produziert oder es geschafft hat, einen besonderen Service anzubieten. Klassische Verlage tun sich in der Regel schwer, allein die Kosten für die Entwicklung einzuspielen.
Die Gründe sind vielfältig: Die App-Stores sind unübersichtlich und haben im Vergleich zum Buchhandel kein für Anbieter und Kunden vergleichbar umfangreiches Programm. Bücher verlieren sich neben Spielen und Services und selbst Apple hat es nicht geschafft, eine verständliche Trefferliste und eine einleuchtende Orientierung zu bieten. Die Produktvielfalt ist zu groß, zu unübersichtlich und schwer zu kategorisieren.
Und das Pricing ermöglicht es nur wenigen, auch richtig Geld zu verdienen. Viele Anbieter nutzen Apps zur Kundengewinnung und treten damit zu den Verlagen in Konkurrenz auf. So als ob sie im Buchhandel plötzlich ganz viele kostenlose Bücher anbieten würden. Dazu kommt die Erwartungshaltung der Kunden, die komplexe Applikationen für einen Spottpreis erhalten und das bisherige Leitmedium Smartphone verlangt nach schnellem Glück und wenig Tiefsinn.
Ein größeres Angebot und eine besseres Technologie
Die Kategorie der eBooks orientiert sich noch an den traditionellen Büchern und kann sich damit an deren Preisen richten. In dem Fahrwasser können auch enhanced eBooks mitschwimmen: Es sind Bücher, aber viel mehr als das aufgrund der multimedialen Inhalte. Mit dem allmählichen Aufblühen der Shops für elektronische Bücher und den technologischen Möglichkeiten der Erstellung von enhanced eBooks – auf die Möglichkeiten von Web Apps und iBooks Author sind wir an anderer Stelle eingegangen – können jetzt relativ einfach neue Produktserien entwickelt werden. Enhanced eBooks stellen eine neue Gattung dar, die als Apps, aber auch z.B. mit Hilfe von iBooks Author als “Bücher” auf den Markt kommen.
Enhanced eBooks können Wissen besser vermitteln – vorausgesetzt sie sind gut gemacht
Gute Produkte werden sich dort durchsetzen, wo sie langfristig einen Kundenvorteil bieten. Wo soll der bei enhanced eBooks liegen? In der didaktisch besseren Vermittlung von Wissen.
Einen Hinweis liefert Apple mit seinem Angebot iTunes U und der Offensive an Schulen, Universitäten und allen Weiterbildungsinstitutionen. Das enhanced eBook eignet sich ideal für alle Lehrwerke. Überall dort, wo Wissen vermittelt werden soll, können multimediale Elemente mehr als nur unterstützen. Richtig eingesetzt, ergeben sich neue Drehbücher, die dem Lernenden im richtigen Rhythmus von Text, Bild, Video und interaktiven Prüfungen spielerisch und anschaulich Inhalte darbieten.
Von den Verlagen setzt das voraus, dass sie ihre bisherigen Workflows umstellen müssen. Jetzt steht nicht mehr der Text allein im Vordergrund, der Autor ist nicht mehr die eine, zentrale Person. Erst im Team kann ein gutes Produkt gelingen und die Produktion wird erst durch iterative Prozesse (agiles Projektmanagement lautet das Schlagwort) gehen müssen. Die Arbeit wird eher der eines Regisseurs ähneln, der ein Storyboard entwickelt und dann die nötigen Teile zusammenstellt bzw. im Team entwickeln lässt.
Dies spricht dafür, dass sich hier ein neues Lehrwerk etablieren wird, das wohl seinen Ursprung im Text hat, in der Konzeption einer Geschichte mit einem klaren Ziel. Für die Erstellung werden aber die bisherigen Schritte nicht mehr ausreichen, um ein wirklich gutes Werk zu entwickeln. Der Lohn werden spannende, neue Produkte sein. Denn es werden nicht nur Lehrwerke im klassischen Sinne sein, die hier ihr Publikum finden werden. Wie “Our Choice” und “Life on Earth” zeigen, sind alle Formen von Sachbüchern und Ratgeber potenzielle Kandidaten für enhanced eBooks.
Weiterführende Links
Es gibt schon zahlreiche Beispiele für enhanced eBooks, so etwa die interaktiven Reiseführer von lonely planet, bei denen Interaktion und Social Media ebenso wie fremde Inhalte eine Rolle spielen. Beispiele für die neuen, nicht mehr statischen Cover gibt es ebenfalls schon. Wie sich die Herausforderungen an das interaktive Schreiben aus der Sicht eines Autors darstellen zeigt das interessante Interview mit Martin Ganteföhr.
Berichte über die ersten Modellversuche mit iPads und enhanced eBooks für Kinder liegen aus den USA vor und zeigen logischerweise, dass die Kinder mit mehr Freude an der Sache sind, dass aber auch mehr Aufmerksamkeit auf die Orientierung und Navigation gelegt werden muss und deshalb das Verstehen der Inhalte nicht sofort besser abschneidet im Vergleich. Einen ersten Modellversuch in Deutschland gibt es ebenfalls und die Schulbuchverlage haben eine gemeinsame Inititiative zur Entwicklung von enhanced textbooks gestartet. Einen aktuellen Überblick der Aktivitäten der Schulbuchverlage bietet der Artikel von Michael Roesler-Graichen.
Ein Seminar zum Thema bieten wir zusammen mit der Akademie des Deutschen Buchhandels am 19. und 20.3.2012 an.
Pingback: Innovative enhanced eBooks: Dynamisches Storytelling | digital publishing competence
Pingback: Selfpublishing – und die Herausforderungen für Verlage | smart digits
Pingback: udacity, 2tor oder coursera – die Weiterbildung erfolgt online. Beispiele aus den USA | smart digits
Pingback: PressBooks und Vook – Tools aus den USA für digitales Publizieren | smart digits
Pingback: eReading – die Trends in den USA | smart digits