XML-Publishing in 2012: Trends vom 14. CrossMediaForum

Diese Woche in München wurde zum 14. CrossMediaForum geladen: Unter der Fragestellung “Wie Verlage das Potenzial strukturierter Inhalte und Daten nutzen können” wurden in zahlreichen Vorträgen Erfahrungen, Best practises und aktuelle Projekte vorgestellt, die Chancen und Herausforderungen der Nutzung von XML als Basistechnologie in der Verlagsbranche anschaulich machen. Die Trends des Jahres:

Zum vierzehnten Mal findet die Konferenz rund um Multichannel-Publishing und XML-Anwendungen nun statt, und wer schon in früheren Jahren öfter Teilnehmer war, fragt sich wie Ehrhardt F. Heinold zum Beginn der Veranstaltung oft unwillkürlich, wann wohl der Punkt gekommen sein wird, an dem XML als Technologie in der Verlagswelt in Gänze angekommen sein wird. Dass die Veranstaltung trotz über einem Jahrzehnt der Evolution in den Publishing-Technologien und ihrer Anwendung ihre Berechtigung noch lange nicht verloren hat, zeigen die zentralen Beobachtungen, die sich als roter Faden durch die Präsentationen des Tages ziehen.

XML wird Treiber für Geschäftsprozess-Integration

Waren die XML-Publishing-Anwendungen vor einigen Jahren oft noch Insellösungen in den Herstellungs- und Produktionsbereichen, zeigt sich in den strategisch orientierten Vorträgen der Trend zur Nutzung als Integrationsplattform für alle produktbezogenen Geschäftsprozesse. Produktstamm-Verwaltung, Kunden-Daten-Management, Produktinhalte, kaufmännische Daten und die vielen verschiedenen Publishing- und Marketing-Kanäle – all dies will in einer Systemlandschaft abgebildet sein, in der die Prozesse handhabbar und robust abgebildet werden.

Die Projekte des Motor Presse Verlags mit censhare, des Deutschen Sparkassenverlags mit nbsp oder das Fallbeispiel bbg Verlag mit Markstein und seinem System Tango Media als Partner zeigen in eindrücklicher Weise, wie sehr die tiefe Integration der Produktionssysteme mit den anderen Geschäftsprozessen moderner Medienhäuser ein entscheidender Faktor für Produktivität werden kann. XML als ausgereifte, industrietaugliche Basistechnologie bietet dazu die ideale Basis für komplexe System-Implementierungen, die alle Bereiche der Wertschöpfungskette abbilden. Wie schon auf dem Google Business Event zeigen hier erfolgreiche, strategisch agierende IT-Bereiche, wie sehr sie vom reinen Infrastruktur-Dienstleistungsanbieter zu Treibern von Geschäftsmodellen und Angebotsformen der Branche werden.

XML macht sich unauffällig

In den XML-Anwendungen der ersten Generation arbeiteten die Nutzer der Publishing-Systeme in der Regel noch direkt auf den XML-Quelldaten. Wer auf diese Weise Produkte machen wollte, kam ungewollt kaum darum herum, direkt mit der fremden Welt der Web-Technologien auf Tuchfühlung zu gehen – auch wenn dies dem gewohnten Selbstverständnis und der Qualifikation als Lektor, Redakteur oder Produktmanager oft zuwider lief. Die dadurch fast unvermeidlich auftretenden Stolpersteine beim Veränderungsprozess der Verlagsbereiche werden in den Systemen der aktuellen Generation durch eine moderne Schichten-Architektur vermieden.

Die Datenhaltung tritt zunehmend in den Hintergrund und XML wird als solide Backend-Technologie genutzt, auf deren Basis Nutzeroberflächen für Texterstellung, Metadatenpflege, Medienbearbeitung und Prozess-Steuerung für Produkte implementiert sind, die dem Usability-Standard aktueller Web-Anwendungen entsprechen. Die Komplexität der zugrunde liegenden Anwendung wird für die Nutzer zunehmend weniger transparent. Auf der Basis standardisierter Workflows kann sich jeder einzelne Mitarbeiter mehr auf seine eigentlichen Fachkompetenzen konzentrieren. XML-Anwendungen können so zu Produktivitätstools für die Fachabteilungen werden, die neue Angebotsformen erst möglich machen.

XML wird zur Beschreibungssprache für Multichannel-Layouts

In der “reinen Lehre” der medienneutralen Datenhaltung ist ein zentrales Prinzip die möglichst strikte Trennung von Texten, Textstrukturen und ihrer Visualisierung durch die Produktlayouts. In der aktuell vorgestellten Systemgeneration zeigt sich der spannende Trend, dass XML zunehmend auch als Technologie zur internen Speicherung von Layout-Informationen genutzt wird. In generisch aufgebauten Meta-Schemata werden – sauber getrennt von den Content-Strukturen – auch die zentralen Merkmale für die Darstellung in verschiedenen Medienformen vorgehalten. In der XML-Anwendung kommt so eine weitere Datenhaltungsschicht hinzu, die es möglich macht, auch Endgeräte und Produkttypen mit extrem unterschiedlichen Anforderungen an die Visualisierung von Texten effizient und mediengerecht zu bedienen.

Zur Vorbereitung der vielen notwendigen Datenexporte Richtung Print, eBook, Datenbank, App, Web-PDF, Social Media-Kanäle und viele andere Angebotsformen ist es sinnvoll, die dazu notwendigen Zusatzinformationen bereits bei der Textredaktion mit dem Content zu speichern. Viele der gezeigten Systeme bedienen sich dazu eigens implementierter Editoren, die mit tiefer Integration in die XML-Anwendung die Pflege von Gestaltungs- und Verarbeitungsinformationen ermöglichen. Das Arbeiten mit einer modernen, aufgeräumten Web-Oberfläche wird hier zum Standard, die so manche Desktop-Anwendung weit hinter sich lässt.

Ein Herz für Spitzklammern

Der Abschlussvortrag von Ursula Welsch, die eine Lanze für die Spitzklammer bricht, nachdem vor lauter Verschwinden im Backend den Tag über kaum XML zu sehen war, spricht dem Autor aus dem Herzen: Wer so lange mit strukturierten Daten zu tun hatte, ist begeistert davon, welchen Stand die Anwendungen für die Verarbeitung von SGML, XML und HTML durch die Evolution der letzten 15 Jahre erreicht haben. Es bleibt spannend.

Veröffentlicht von

www.dpc-consulting.de

XML- und Digital-Publishing-Professional mit Leib & Seele, seit Berufseinstieg in verschiedensten Projekten rund um Content-Management und Datenbank-basiertes Publizieren unterwegs. Seit 2012 selbständig als Berater und Trainer für digitales Publizieren.