Gedruckte oder digitale Vorschau? Metadaten sind mehr als Schlagwörter

Die digitalen Vorschauen stehen vor der Tür, ob mit VLB TIX, Edelweiss + oder anderen Lösungen. Und den fleißigen Metadatenpflegern winken Goldmedaillen und Rabatte. Und die Diskussionen kreisen erneut um die Frage, ob das der Tod der gedruckten Vorschau sei oder nicht. Bevor man sich in diese “entweder-oder”-Debatte hineinziehen lässt, sollte man wie immer bei den Neuerung auf die Kunden und den Sinn und Unsinn von Tätigkeiten und Prozessen sehen.

Beginnen wir mit der allen bekannten, traurigen Erkenntnis, dass das einstmals stolze VLB, der Katalog der Kataloge, DAS Nachschlagewerk für alle Titelsuchenden, den Gang ins digitale Zeitalter verschlafen hat.
Fakt ist, dass Amazon für die Käufer zum wichtigsten Katalog für Bücher geworden ist, aus mehreren Gründen. Auf diese muss man achten, will man jetzt nicht nochmal den nächsten Schritt verschlafen:

  1. Man hat bei Amazon von Beginn an Metadaten gepflegt und gesammelt, um sie für eine bessere Trefferliste zu nutzen.
  2. Man hat das Kundenerlebnis der Käufer in den Mittelpunkt gestellt und nicht das der Händler.
  3. Man hat digital gedacht: A/B-Testing, agiles Projektmanagement und Kundendaten als Währung der digitalen Wirtschaft sind hier keine bloßen Schlagwörter.
  4. Man hat eine richtige Plattform aufgebaut, die die Zusammenarbeit und Mitwirkung anderer Teilnehmer und Marktplätze begünstigt.
  5. Man hat schnell und konsequent gehandelt, auch weil man nicht die Interessen so verschiedener Stakeholder wie Verlage, Barsortiment und Buchhändler auf einen Nenner bringen musste.

Bei der aktuellen Aufholjagd wird man den Platzhirschen nicht vom Thron stoßen können, sehr wohl aber den Verlagen und Buchhändlern eine besseren Sichtbarkeit bieten können – wenn sie denn die Möglichkeiten des Cross-Channel-Commerce nutzen und ihre Metadaten konsequent pflegen.

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Metadaten sind die Währung der digitalen Welt. Sie gewähren den Zugang zu der Fülle an Informationen, denn sie strukturieren sie, geben ihnen ein Etikett und machen sie so auffindbar. Der Dreh liegt darin, dass heute Daten Rückschlüsse auf Produkte, Kunden und Wünsche zulassen, die auf den ersten Blick nichts damit zu tun haben. Wenn ich also will, dass mein Produkt im Netz sichtbar sein soll, dann muss ich das Handwerk, die Kunst, die Wissenschaft der Metadatenvergabe und –pflege lernen.

 

Metadaten sind die üblichen Schlagworte, mit denen man einen Titel versieht. Das ist aber nur die Grundlage. Ebenso wichtig sind die dauernde Überprüfung und Verbesserung; so wie dies bei Amazon eben auch geschieht. Das heißt man muss den Prozess der Metadatenvergabe neu denken und anders organisieren als bisher. Er darf nicht als ungeliebte Aufgabe den Praktikanten und Aushilfskräften aufgedrückt werden. Erst bei einem anderen Prozess wird das Wissen um die Vorlieben der Kunden auch als Rückmeldungen für die weitere Programmplanung wertvoll. (Für Interessierte mehr dazu in unserem Intensivseminar zu Metadaten.)
Dann ist man auch in der Lage, Daten zu lesen, sie richtig zu interpretieren und Schlüsse daraus zu ziehen.
Die Auseinandersetzung mit VLBtix oder Edelweiss und der Metadatenvergabe darf nicht nur als Befüllung einer Software verstanden werden, sondern als Überprüfung der eigenen Prozesse.
Denn in einem weiteren Schritt ist es für den Verlag entscheidend, dass er weiß, wo seine Zielgruppen unterwegs sind. Und mit welchen Metadaten er sie auf Instagram, YouTube, Twitter oder Facebook findet und wie sie sich dort über seine Angebote und zu seinen Themen äußern. Wenn man Metadaten nur als Teilaufgabe sieht im Rahmen einer Vorschau für Buchhändler, dann springt man zu kurz. Metadaten sind auch für den eigenen Webauftritt, Landingpages, Kundenanalysen und Personaentwicklung zentral. Metadaten geben Auskunft über die eigenen Kunden. Und die sind nicht nur in den Buchhandlungen zu finden. Und ohne einen klugen Prozess des Aufspürens, der Vergabe und Überprüfung der Metadaten kann dieses Wissen über die eigenen Kunden nur unvollständig aufgebaut werden. Amazon ist das vorgelebte Beispiel.

Webervögelmännchen bauen kunstvolle Nester, um so die Weibchen anzulocken und zu überzeugen. Er muss sie gegen die Konkurrenz verteidigen und riskiert, dass das Weibchen das Resultat im wahrsten Sinne des Wortes zerpflückt. Aber diese Nester sind der Garant für Nachhaltigkeit. Der Verlag überzeugt die Buchhandlung durch seine aufwändige Vorschau, zeigt, dass er sich viele Gedanken gemacht hat und viel investiert in einen Titel. Es ist ein kunstvolles Artefakt ohne richtigen Beleg für die Wirksamkeit. Aber es überzeugt.

Nun zur Frage, ob die gedruckte Vorschau wertlos sei. Die Gegenfrage lautet: Sind gedruckte Kochbücher wertlos geworden, nur weil man die Rezepte auf Chefkoch.de oder küchengötter.de auch nachlesen kann? Die Antwort ist nein, denn das Gedruckte hat auch eine andere Funktion als die Übermittlung von Wissen. Die Vorschau hat wie bei Webervögeln die Funktion, dem Anderen zu beweisen, dass man es ernst meint. Solange in dem Ritual die aufwändigere Vorschau das wichtigste Argument war, muss man eben jetzt überlegen, bei wem das noch zieht. Das kann bei manchen sehr wohl der Fall sein. Es kann auch sein, dass gerade eine gedruckte Vorschau ein Argument ist. Ob es dann eine Vorschau ist oder ein sehr gut gemachter Katalog wie beim Verlag Hermann Schmidt oder Seagull Books, das bleibt den Teilnehmern überlassen.
Wichtig ist auch hier: form follows function. Auf welchem Weg der Buchhandel überzeugt werden will, dass dieser nächste Titel unverzichtbar ist, das hängt vom Kunden ab. Manche wollen einen Beleg für die gute Sichtbarkeit im Netz und eine entsprechende Kampagnenplanung, andere trauen dem Schweißgeruch einer aufwändigen Vorschau. Sicher ist, dass sich nicht nur die digitale Vorschau in den nächsten Jahren wie alle digitalen Produkte anpassen und ändern wird, sondern auch die gedruckten Geschwister. Vielleicht werden sie kleiner, vielleicht schöner, vielleicht singen und riechen sie. Hauptsache der Wurm schmeckt dem Vogel.

 

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.