Es liegt am Cover! Wo eBook-Analytics helfen kann

“Never judge a book by its cover” – doch Buchkäufer tun dies ständig und selbstverständlich. Jeder Verlag und jeder Buchhändler weiß, dass ein Buchcover zentral für den Verkauf ist. Entstehen beim Leser bereits beim Betrachten des Coverbildes konkrete Erwartungen über das Buch? Die Antwort ist ein klares “Ja”, betrachtet man die Resultate der ersten Testreihen mit unserer eBook-Analytics-Software Jellybooks.  Hier unser Fallbeispiel für datenbasiertes Marketing, das durch eBook-Analytics erst möglich wird:

Über unser System sind wir in der Lage, in Test-Lese-Kampagnen für Verlage modifizierte eBook-Dateien gezielt an Testleser auszuliefern, die mit einer integrierten Analytics-Software für Tracking und Auswertung des Leseverhaltens versehen sind. Auf der Basis der so gesammelten Daten können wir Verlagen zentrale Kennziffern über das Leseverhalten wie die Lesegeschwindigkeit, den tatsächlich gelesenen Anteil am Titel oder auch die Bewertungen der Leser zur Verfügung stellen.

In den Analytics-Projekten von Jellybooks, die wir in den letzten 18 Monaten durchgeführt haben, gab es zwei Fälle, in denen das Buchcover ganz zentral für die Interpretation der gesammelten Datenreihen war. Die Ergebnisse sind meines Erachtens aufschlußreich für das Kauf- und Nutzungsverhalten von Buchlesern und liefern Erkenntnisse, die ohne ein eBook-Analytics-Tool nicht möglich gewesen wären.

 

Die falsche Geschichte

Der erste Fall betrifft ein Buchcover, das bewusst so gestaltet wurde, dass es sowohl in Online-Shops als auch im stationären Buchhandel die Aufmerksamkeit der Buchkäufer erweckt. Die Gestaltung basierte auf einer dominanten Grundfarbe und sollte mit einem Bild eine ganze Geschichte erzählen. Nach unseren Beobachtungen erzählte es jedoch offenbar die falsche Geschichte.

Die Leser, die den Titel in einer unserer Testkampagnen ausgewählt hatten, erzählten uns in den Umfragen nach der Lektüre, dass sie aufgrund des Covers einen Kriminalroman oder einen Spionage-Thriller erwartet hätten. Sie waren erstaunt, beim Lesen festzustellen, dass es sich bei dem Titel um ein zeitgeschichtliches Sachbuch handelte.

Das Buchs beschreibt die (reale) Geschichte der CIA: Das Thema Spionage und Verbrechen war demnach durchaus präsent, aber nicht in Romanform erzählt, was die Mehrzahl der Leser erwartet hatte. Als Resultat zeigte die Auswertung des Leseverhaltens, dass über 60 Prozent der Leser das Buch bereits während der ersten Kapitel abbrachen, nachdem Ihnen klar wurde, dass es nicht den vermuteten Inhalt hatte.

Aus diesem Test ziehen wir zwei vorsichtige Schlussfolgerungen:

  • Wenn Testleser – wie in unserer Testkampagne – mit einer Auswahl von 20 oder mehr Titeln konfrontiert werden, neigen sie offenbar dazu, sich fast ausschließlich auf die visuellen Hinweise zu verlassen, die die Buchcover geben – und nicht auf die Zusammenfassungen der Inhalte, die natürlich mehr Zeit zum Lesen und Aufnehmen benötigen.
  • Das Buchcover weckt Erwartungen, die sich auf den gesamten Lesevorgang auswirken. Das Buchcover ist damit eben nicht nur “Verpackung”, sondern eine Art visuelle Zusammenfassung des Buchs selbst – und diese Zusammenfassung sollte treffend sein.

 

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Darstellung des Leseverlaufs aus Jellybooks: von einem sehr erfolgreichen Titel (links) bis hin zu einem, den die meisten Leser nicht zuende gelesen haben (rechts). Die Verlaufskurve ganz rechts entspricht etwa dem Bild aus dem ersten, oben skizzierten Fallbeispiel. (Quelle / Copyright: www.jellybooks.com)

 

Enttäuschte Erwartungen

Das zweite Beispiel stammt aus einer anderen Testkampagne. Auch in diesem Beispiel durften die Testleser aus bis zu 20 verschiedenen Verlagstiteln auswählen, sich dabei aber bis zu fünf Titel zur Lektüre aussuchen. Ein Buch, das dabei sehr häufig ausgewählt wurde (wenn auch selten an erster oder zweiter Stelle der Auswahl), war ein psychologischer Thriller mit einem etwas eigenartigen Cover: Das Coverbild zeigte eine Katze, die den Leser eindringlich ansieht. Dennoch waren die Analytics-Resultate für diesen Titel im Verhältnis zu seinen Verkaufszahlen erstaunlich.

Bei dem Buch handelte es sich um einen Debutroman, auf den der Verlag große Hoffnungen setzte. Die Verkaufszahlen bewegten sich aber deutlich unter den Erwartungen. In einem seltenen Fall von konstruktiver Manöverkritik wollte der Verlag herausfinden, ob der Inhalt des Titels oder die Vermarktung der Grund für den Misserfolg war. Die zentralen Kennziffern aus den eBook-Analytics zeigen dabei deutlich, dass der Content und der Autor eindeutig nicht verantwortlich für die unterdurchschnittlichen Verkaufszahlen waren:

  • Der Titel zeigt einen außergewöhnlich hohen Anteil an Lesern, die den Titel komplett gelesen haben: mehr als 75% der Testleser des Buchs blieben tatsächlich auch bis zum Ende – ein Wert, den weniger als 5% der Titel in den bisherigen Jellybooks-Tests erreicht haben.
  • Der Titel wurde außergewöhnlich schnell gelesen. Die Testleser klebten buchstäblich an den Seiten und die Mehrzahl vollendete die Lektüre innerhalb von wenigen Tagen.
  • Der Titel wurde häufig empfohlen, basierend auf dem Net-Promoter-Score-Konzept, das wir in unseren Analysen verwenden. Die Testleser erwiesen sich danach als starke Promotoren des Buchs gegenüber Ihren Freunde und Bekannten.

Dennoch erwähnten viele Teilnehmer in ihren Reaktionen das “merkwürdige” Cover des Buchs. Sie gaben zwar an, dass sie die Lektüre wirklich genossen hätten, aber auch, dass sie auf der Basis des Covers das Buch niemals in einer Buchhandlung gekauft hätten. Warum nicht? Das Coverbild bewegte sich schlicht zu weit außerhalb der visuellen Konventionen für das Thriller-Genre, die Buchkäufer durch ihre Lese-Sozialisation gewohnt sind.

Die verwendete Bild-Metapher sprach einfach nicht die Sorte Leser an, die auf der Suche nach einem Spannungsroman sind. Eine Katze auf dem Cover, egal wie böse sie den Leser ansieht, gibt einem potentiellen Käufer nicht das Versprechen, im Buch einen psychologischen Thriller vorzufinden. In diesem Fall wurde exzellenter Content von der Verpackung negativ beeinflusst. Mit anderen Worten, der Cover-Designer war etwas zu kreativ gewesen.

 

Welche Schlussfolgerungen lassen sich ziehen?

Im ersten Fall musste sich der Verlag eingestehen, dass es nach hinten losgehen kann, wenn das Cover zu originell sein soll. Das Coverbild erfüllte zwar klar den Zweck, die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden zu erregen, der Buchinhalt enttäuschte dann aber die so geweckten Erwartungen. Die Leser, die das Buch zu Ende gelesen hatten, gaben ihm zwar sehr gute Bewertungen – aber es werden zu viele Kunden dazu verführt, in den Titel hineinzulesen, die am Inhalt gar kein Interesse haben. Diese Kunden wiederum geben ihr Urteil an andere weiter und werden so zu negativen Influencern.

Im zweiten Fall überlegt der Verlag, den Titel mit einem neuen Cover (und einem niedrigeren Preis) nochmals neu zu veröffentlichen. Ein Produkt-Relaunch ist natürlich niemals ein einfaches Vorhaben, vor allem weil die knappen Marketingressourcen in der Regel komplett von den Neuerscheinungen beansprucht werden.

In beiden Fällen können auch andere Gründe neben den hier skizzierten Faktoren verantwortlich für die mageren Verkaufszahlen gewesen sein, die durch eBook-Analytics nicht transparent gemacht werden können: zum Beispiel andere Veröffentlichungen im Markt oder schlichtes Pech. Sicher können wir jedoch nach unserer Analyse davon ausgehen, dass der Mißerfolg nicht am Inhalt der Titel lag. Die beste Lösung für dieses Problem liegt sicherlich darin, beim Coverdesign sehr sorgfältig zu sein, um den Titel von Anfang an mit passender Bildsprache und visueller Kommunikation zu begleiten. Der Aufwand dafür ist gering, wenn man ihn mit entgangenen Verkäufen oder den Kosten für eine Korrekturaktion vergleicht.

 

Sie wollen mehr wissen?

Dieser Artikel ist im englischen Original erstveröffentlicht worden auf Medium, die deutsche Übersetzung stammt von Harald Henzler und Fabian Kern. In den letzten Monaten sind daneben eine ganze Reihe weiterer Artikel mit spannenden Ergebnissen unserer Analytics-Projekte erschienen, unter anderem beim Börsenblatt, bei Digital Book World oder auch in der New York Times.

Alle hier vorgestellten Daten wurden in Test-Projekten gesammelt, die von Innovate UK finanziert wurden. Als technisches Verfahren werden dabei modifizierte EPUB3-Dateien verwendet, in denen die Javascript-Bibliothek candy.js als Analytics-Software in das eBook eingebettet wird. Auf diese Weise ist Jellybooks in der Lage, auch das Offline-Leseverhalten der Nutzer auswerten zu können. Die unterstützten Lese-Applikationen sind unter anderem iBooks unter iOS, Adobe Digital Editions und eBook-Apps wie Azardi oder Mantano unter Android.

Die so gesammelten Daten zum Leseverhalten werden an die Jellybooks-Server übertragen, indem der Nutzer die jeweils am Ende der Kapitel oder am Ende des Buchs eingebauten Synchronisations-Buttons benutzt. Die Leser werden bei der Teilnahme an einer Test-Lese-Kampagne über die Funktion der Analytics-Software informiert. Die Daten zum Leseverhalten werden nur mit Zustimmung und aktiver Unterstützung des Nutzers erhoben.

Wenn Sie Testleser bei einer unserer Aktionen werden möchten, können Sie sich bei www.jellybooks.de anmelden, dann schicken wir Ihnen gerne eine Einladung zur nächsten Test-Lese-Kampagne.

Andrew is the founder of Jellybooks, a start-up focused on book discoverability and reader analytics. He previously worked at txtr (whitelabel ebook retail platform), Skype (internet telephony), Reciva (internet radio), gate5 (now Nokia Maps), and Shell. He holds a science Ph.D. from MIT. Follow him on Twitter at @arhomberg or @Jellybooks. He also writes a regular DBW column on data and analytics.