digitale Weiterbildung: Chance oder Luftblase?

Letzte Woche war die digitale Weiterbildung auf dem Publishers´Forum in Berlin einer der Schwerpunkte. Detlef Bluhm hat auf bookbytes schon über das Ende des (Mathematik)buches berichtet in unserer Diskussion unter start-ups, von meinUnterricht.de über bettermarks, Repetico und lectory. Auf hochkarätig besetzten Panels wurde über die bisherigen Erfahrungen im internationalen Markt diskutiert und insgesamt gesehen sind die Ergebnisse nicht eindeutig.

Dass an einem digitalen Markt für Weiterbildung kein Weg vorbeiführt, darin sind sich die meisten einig. Aber dass er sich steiniger und mühsamer gestaltet als angenommen, das erkennen auch alle an.

bettermarks

Bettermarks, eines von mehreren innovativen Beispielen auf dem Kongress, zeigt die Potenziale digitalen Lernens deutlich: Interaktion und eine bessere Wahrnehmung der Lernerfolge sind nur einige der Möglichkeiten. Es ist offensichtlich, dass sich diese Vorteile gegenüber älteren Methoden durchsetzen werden. Die Frage ist nur: wann genau und in welchem Kontext. Wie immer kann man zu früh oder zu spät dran sein und nichts ist ärgerlicher, als zur falschen Zeit am falschen Ort aufzukreuzen.

Der Markt ist zäh, denn das Beharrungsvermögen der Bildungseinrichtungen ist groß. Warum auch sollte ein Lehrer seine Methoden ändern? Da muss schon Druck von oben kommen, von den Eltern und Schülern und die Bereitschaft groß sein, etwas anderes, neues zu wagen. Sprich: Schnell ändert sich dieser Markt nicht, denn die Gehälter fließen auch ohne Bits&Bytes. Fasst man die Erfahrungen von Kate Worlock (“investiert in Kundendaten”), William Chesser, Martyn Leese (“content development gleicht einer Matrix, keinem Wasserfall”), José Borghino und Dr. Rüdiger Salat (“man sollte die kreativen Kräfte der Lehrenden und Lernenden fördern – das ist eine Aufgabe der Verlage”) zusammen, dann zeigt sich ein fragmentierter Markt, der keine Standards kennt, unterschiedlichste Entscheidungswege aufweist und zwischen technologischen Möglichkeiten und wirtschaftlich sinnvollen Geschäftsmodell hin und her schwankt. Nimmt man die üblichen 10% der early adopters und die 10% der Immerverweigerer aus, so hat man es mit diesen 80% Pädagogen zu tun, die wenig Zeit haben, selber testen wollen, Anleitungen und Muster brauchen und dann auch eigene Inhalte einspielen wollen. No country for old men? Oder gerade doch, denn hier ist Erfahrung gefragt, denn auch die Start-ups brauchen einen langen Atem. Jedes der oben erwähnten Start-ups muss seine Taktik immer wieder anpassen und nur weil Lösungen technologisch möglich sind, werden sie noch lange nicht vom Markt belohnt.

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Unser digitales Lernangebot zum Thema e-publishing geht in die zweite Runde und wir können die Erfahrungen nur bestätigen: – digitale Angebote können viel mehr als ein Buch und sind meist auch viel besser – aber sie benötigen eine andere Konzeption von Funktionalitäten und Inhalten – und damit auch andere Kompetenzen und Teams in den Verlagen – sowie neue Geschäftsmodelle bei der Entwicklung und Planung. Und dann macht es richtig Spaß! Denn kreative Freude ist schwer zu toppen.

Die Angst geht um, dass mit einem Streich die Verlage enteignet und die Wikipedias dieser Welt das Ruder übernehmen. Allein der Blick auf die Studie von Wikimedia zum Thema OER (Open Educational Ressources) und deren Einsatz in der Weiterbildung zeigt, wie unbegründet diese Angst ist. Es finden sich dort dieselben Herausforderungen und Aufgaben, die jeder klassische Verlag zu meistern hat: von Akzeptanz bei den Nutzern über Metadaten bis zu Qualitätssicherung, Standards und Zuständigkeiten. Ein Blick in die Tagungsberichte zu OER bestätigt das.

Und diese Herausforderungen benötigen das Wissen um den Umgang mit Informationen. E-Learning-Kurse fallen nicht vom Himmel, nur weil sie kostenlos angeboten werden können. Einige Kursanbieter haben wir hier schon vorgestellt im ein oder anderen Beitrag. Auch deren Entwicklung zeigt: Gute Qualität braucht Zeit, Geld und Fachleute. Man nehme sich auch hier nur die Gliederung des Berichts der UN zu Herzen, wie man gute eLearning-Kurse macht oder die Seite des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung und erkennt, dass Verlagserfahrung nicht von Nachteil ist.

Fazit? Take your chance. Now. Denn wer sich jetzt nicht mit Kundendaten und Know-how wappnet, mit neuen Prozessen und Inhalten vertraut macht, dem bleiben nur die bekannten Werkzeuge. Und die werden nicht reichen. Egal wann sich die Märkte drehen. Und: Achtung vor zu viel Kohlensäure und Luftblasen im Geschäftsmodell. Nicht alles was nach oben treibt sorgt für Aufschwung.

 

 

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.