Die jüngsten Zahlen zum eBook-Markt berichten von Stagnation, in den USA und in Deutschland. War es das? Ein genauer Blick auf den Markt lohnt sich. Denn die zentrale Frage ist, ob man jetzt in einem stagnierenden Markt die Prozesse optimiert und Kosten reduziert oder ob man weitere Innovationen in einem wachsenden Markt planen sollte. Die Diskussion zwischen Jason Illian und Chris Meadows kreist um die Frage, warum bei eBooks die Innovationen fehlen. Amazon beherrscht in den USA den Markt und hat keinen Anlass für große Investitionen, denn die Verlage und Wettbewerber sind noch langsamer in einem Geschäft, das unter 1% ausmacht im Gesamtportfolio. Und: Will der Kunde hier überhaupt Innovationen? Schließlich ist ein eBook nur die digitale Repräsentanz des gedruckten Buches, für Vielleser und das Eintauchen in Krimis und Serien bestens geeignet. Wie immer bei diesen Diskussionen hilft ein genauer Blick auf die verschiedenen Märkte.
eBooks sind nicht gleich eBooks
Bei den zahlreichen Studien zum Thema eBooks fällt immer wieder auf, dass oft nicht zwischen Publikums-, Fach- und Wissenschaftsverlagen differenziert wird. Diese sprechen aber unterschiedliche Märkte mit inzwischen ganz unterschiedlichen Mechanismen an. Die Verkaufszahlen in den Buchhandlungen ist schon längst kein gemeinsamer Nenner mehr, um die Entwicklung im Markt zu erfassen.
Dazu kommen die Grauzonen enhanced eBooks, eMagazine, Downloads, Studien, Whitepaper bis hin zu im Browser lesbare Webbeiträge, die wie Bücher dargestellt werden. Anders als beim Buch gibt es weder beim Fachpublikum noch in der Gesellschaft ein gemeinsames Verständnis, was genau ein eBook ist. Kein Wunder, dass dann bei Kundenbefragungen Angaben herauskommen, dass die meisten eBooks nach dem Laptop auf dem Smartphone gelesen werden.
Literatur braucht Ruhe, Verlage müssen besser vermarkten als Selfpublisher
Dass die Anreicherung von Krimis durch Videos und Interaktion kein Massenmarkt ist, das haben die Experimente der letzten Jahre gezeigt. Dass die gemeinsame Lektüre von Literatur kein elementares Bedürfnis ist, das haben die innovativen Plattformen für Social Reading erkennen müssen, wie z.B. sobooks und flipintu. Für die, die in einen Text abtauchen wollen, ist Ruhe elementar. Eine Übersetzungshilfe oder ein Lexikon mögen noch angehen.
Aber die schnelle Bestellung und Verfügbarkeit, das geringe Gewicht und der günstige Preis sind die klassischen Argumente für eBooks. That´s it. (Siehe auch hierzu die Studie der bitkom zu eBooks zu den Gründen für und gegen eBooks.) Der eBook-Markt für literarische Werke und Sachbücher hat als wesentliche Herausforderung das Thema Selfpublishing. Und hierauf müssen sich die Verlage konzentrieren. Sie müssen hier besser und schneller sein als die guten Autoren. Sonst werden sie überrannt.
Das zeigen die Zahlen von Matthias Matting zur Umsatzverteilung bei eBooks auf Verlage und Selfpublisher bei Amazon und Thalia und natürlich der Aufbau eines eigenen Selfpublishing-Programms bei tolino media. Aus den USA erkennt man das an der Untersuchung von Author earnings. Ausruhen gilt nicht, weil man meint, der eBook-Markt mache ja eh nur ein paar Prozent aus. Alle wissen, dass je nach Genre und Autor der Anteil signifikant höher ist als die im Durchschnitt genannten 5,4% des Umsatzes.
Lehr- und Fachbücher werden sich vom Vorbild der gedruckten Bücher noch weiter lösen, Wissenschaftsverlage müssen mit Open Science ringen
Ganz anders sieht es bei Lehrwerken aus, Fachbüchern oder der wissenschaftlichen Literatur. Dort sind eBooks entweder in ihrer Vernetzung relevant, in der schnellen Einbettung in meinen Arbeitsplatz als Dozent oder Forscher (siehe Dienste wie Smartlaw für Fachinformationen, Moodle für Dozenten oder Mandeley für Wissenschaftler) oder sie wirken nur im crossmedialen Umfeld des blended learning. Dem Lehrbuchmarkt stehen große Veränderungen im Produktportfolio bevor, das zeigen die zahlreichen Konferenzen der letzten Zeit wie z.B. auf dem Publishers Forum und die Investitionen in Bildung durch große Unternehmen oder die Ergänzung des Portfolios um Bildung wie z.B. bei Bertelsmann Education.
Da Bildung immer lokal geprägt ist, entwickeln sich die Märkte auch immer entlang der staatlichen Rahmenbedingungen. Und darin liegt ja die Herausforderung für die jeweiligen Teilnehmer. Und die Wissenschaftsverlage haben mit Open Science eine ähnlich große Herausforderung zu meistern, wie Sven Fund kürzlich wieder betont hat. Die Wissenschaftler wollen das, die Gesetzgeber richten sich nach ihnen und Verlage müssen mitziehen.
Sprich: eBooks sind nicht gleich eBooks und die nötigen nächsten Schritte sind je nach Verlag ganz andere. Sie hängen auch immer vom jeweiligen Markt und Kunden ab.
P.S. Und wer immer noch nicht glaubt, Bücherlesen habe etwas mit Eskapismus zu tun, dem sei dieses Video empfohlen aus einer japanischen Buchhandlung: Der Akt des Lesens erinnert an die kleinen Höhlen, die sich Kinder bauen, zum Schutz und zum Spiel:
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