Smart Business – Smartlaw

Wer kennt sie nicht, die Diskussion um „unsere Kunden wollen Papier“ versus „das Digitale ist die Zukunft“? Dabei hilft oft ein Blick auf scheinbar starre Märkte. Denn das schärft die Sinne. Juristen wollen Papier, weil sie damit ihr Examen bestanden haben. So hieß es früher, als Haufe mit digitalen Produkten in den Markt drängte. Juristen suchen auch mal in einer Datenbank, hieß es dann, als Beck mit seinem Angebot startete. Und da Beck die wichtigsten Autoren der Republik versammelt, sehen sich die Kunden eben die Inhalte digital wie gedruckt an. Wer das herrschende Recht versammelt, an dem kommt niemand vorbei. Aber wird es dabei bleiben?

Jurion ist deshalb einer der interessanteren Lösungswege im B2B-Bereich für Juristen (wir berichteten in dem ein oder anderen Zusammenhang darüber). Was aber, wenn man in den B2C-Bereich wechselt und Fachinformationen für Laien anbieten will? Grund genug, uns mit zwei Experten zu unterhalten: Ingo Mahl, als Geschäftsbereichsleiter bei Wolters Kluwer für das Digitalgeschäft im Bereich Recht zuständig, und Dr. Ralf-Michael Schmidt, Mitgründer von Smartlaw und heute als Head of Legal Digital Formats für alle Rechtsinhalte der Plattform verantwortlich.

 

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Smartlaw bietet Privatpersonen, Start-ups und Kleinunternehmen rechtssichere Informationen und die einfache Erstellung individueller Rechtsdokumente. Dazu wird der herkömmliche Beratungsprozess digital abgebildet. Um das erfolgreich umsetzen zu können, sind juristisches Know-how, eine gut funktionierende Kundenanalyse und eine darauf optimal abgestimmte Usability nötig. Verständlich, dass das neue Teams und ein anderes Zusammenspiel von Kompetenzen erfordert.


Smartlaw wurde 2012 gegründet und verspricht seinen Kunden, mit dem Online-Service u.a. individuelle und rechtssichere Rechtsdokumente einfach erstellen zu können.
Dazu muss die Plattform den klassischen Beratungsprozess beim Anwalt digital spiegeln. Welche Kompetenzen sind hier nötig?

Um unserem hohen Anspruch an rechtssichere Verträge gerecht zu werden, bauen wir auf die Kompetenz von Top-Anwälten und Spitzen-Kanzleien. Das bedeutet für Smartlaw, dass wir ausschließlich mit spezialisierten Rechtsexperten zusammenarbeiten, die seit Jahren mit herausragendem Können und viel Routine in ihren Fachgebieten tätig sind. Das sind außerdem erfahrene Juristen, die beides können: Denken wie ein Jurist und eben auch wie ein Mandant, denn nur so kann man die einzelnen Rechtsdokumente so logisch und kleinteilig aufschlüsseln, dass sie sich in der Fragen- und Antwortlogik eines „Anwaltsautomats“ wieder absolut rechtssicher zusammensetzen. Und dann gehört natürlich auch das technische Know-how dazu, um die IT-Infrastruktur zu schaffen, die das Smartlaw-System erst ermöglicht, angefangen von der reinen Programmierung bis zum erfolgreichen UX-Design.

Trotzdem sei hier ein Hinweis erlaubt: Smartlaw spiegelt nicht einfach den klassischen Beratungsprozess beim Anwalt wieder. Smartlaw geht mit seinen Funktionen und Services weit darüber hinaus und unterstützt seine Kunden auch dort, wo das Anwalt-Mandanten-Verhältnis häufig schon längst wieder beendet ist.

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Ingo Mahl, Geschäftsbereichsleiter bei Wolters Kluwer


Welche neuen Anforderungen kommen auf die Gestaltung der Inhalte zu? Sie müssen ja juristisch einwandfreie Texte liefern und zugleich für den Laien verständlich bleiben in der Abfrage und den Erläuterungen?

Bei Smartlaw stecken ein ganzes Team und viele Arbeitsschritte hinter dem Prozess, bis ein Rechtsdokument online gehen darf: Angefangen in der Konzeption, in der das Legal Publishing-Team in Zusammenarbeit mit unseren Rechtsexperten alle rechtlichen Fakten und Optionen in einzelne Teilschritte zerlegt und den richtigen und laienverständlichen Fragen zuweist. Für jede standardisierbare Gestaltungsmöglichkeit eines Rechtsdokuments müssen die passenden Fragen und Antworten hinterlegt und korrekt mit Plausibilitäten und Bedingungen verknüpft werden.

Das ist ein komplexer und aufwendiger Prozess, dessen Ergebnis anschließend sehr gründlich geprüft wird, um auch wirklich rechtssichere Verträge für unsere Kunden zu erhalten. Das geht bis hin zur Technik, die hinter Smartlaw steckt. Sie wird durch die Arbeit von Programmierern, unseren Marketingfachleuten und den UX-Designern, die sich mit der verständlichen Gestaltung der Oberfläche von Smartlaw beschäftigen, ermöglicht. Denn so komplex wie der Inhalt von Smartlaw auch sein mag, für den nicht juristisch vorgebildeten Benutzer muss alles leicht verständlich und intuitiv bedienbar sein.


Wie viele Personen arbeiten an welchen Themen? Und wie steuern Sie das Projekt?

Zum Kernteam von Smartlaw gehören zurzeit gut 20 Mitarbeiter. Der große Vorteil eines kleinen Teams ist, dass man sehr eng miteinander und abteilungsübergreifend zusammenarbeiten kann. Das ist wohl etwas, was man sich als ehemaliges Start-up gerne bewahrt.

 

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Wie jedes Start-up, weitet auch smartlaw sein Angebot stetig. Neben den Verträgen, Checklisten und Tipps, sind dies vor allem Schulungen und Hinweise auf aktuelle Änderungen. Die Organisation aller Dokumente und Themen über einen Manager nistet sich schon langsam beim Kunden so ein, dass er in eine Abhängigkeit gerät. Und damit sind wir beim klassischen Geschäftsmodell der Fachverlage.


Wie viel können Sie digital abbilden und wo müssen Sie auf eine Beratung verweisen?

Grundsätzlich können wir alles abbilden, was standardisierbar ist. Es gibt nur zwei Einschränkungen, die wir nennen, wenn wir gefragt werden, wann man Smartlaw nicht nutzen sollte. Erstens: Es wird explizit die Haftung eines Rechtsanwalts gewünscht oder benötigt. Zweitens: Der Sachverhalt, der durch unsere Dokumentenerstellung gestaltet werden soll, ist so komplex und von der Norm abweichend, dass ihn unsere Fragen nicht mehr abbilden können und / oder der Mandant ihn selbst nicht mehr eindeutig beantworten kann. In diesen Fällen ist eine anwaltliche Beratung empfehlenswert.


Wie wichtig ist ein Konzern wie Wolters Kluwer im Hintergrund? Und wie organisieren Sie das Zusammenspiel: Hat Smartlaw alle Freiheiten eines Start-ups, gibt es einen Austausch auf Managementebene bzw. in Fachkreisen oder ist es sogar eine Integration bis hin zum CMS und CRM? Und wie nutzen Sie auch die Erfahrungen bei anwalt24.de, die ja ganz anders auftreten?

Sehr wichtig! Mit dem Gründerteam haben wir Anfang 2014, als wir auf der Suche nach neuen Investoren waren, ganz gezielt nach einem strategischen Partner gesucht, der im Bereich der Digitalisierung des Rechtsmarktes fit und bereits erfolgreich ist und sich bereit erklärt, mit uns gemeinsam den nächsten Schritt zu gehen. Wolters Kluwer hat uns die Chance geboten, Smartlaw schnell erfolgreich weiterzuentwickeln. Nicht zuletzt die Erfahrungen der Kollegen von der Legal Tribune Online oder anwalt24.de, mit denen wir eng zusammenarbeiten, haben uns dabei sehr geholfen. Und die Zusammenarbeit mir anwalt24.de wird in Zukunft auch noch sichtbarer werden, so viel sei hier schon mal verraten.

Das Zusammenspiel zwischen Wolters Kluwer und Smartlaw ist über die letzten zwei Jahre gewachsen. Das fing bei Tools und Prozessen an und äußert sich auch darin, dass heute ein Teil des Teams in Berlin und ein Teil in Köln und Mannheim sitzt. Dank moderner Kommunikationsmittel und schneller Flugverbindungen ist das ja heutzutage kein Problem mehr.

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Dr. Ralf-Michael Schmidt, Head of Legal Publishing und Gründer von Smartlaw


Wie oft haben Sie im Laufe der Entwicklung das Geschäftsmodell und das Angebot geändert? In der Regel müssen Start-ups ja mit einem minimum viable product (MVP) starten, um sich dann in der Erprobung den Kundenbedürfnissen und Marktveränderungen anzupassen.

Einmal. Zum Relaunch von Smartlaw im September 2015. Das war der Moment, in dem wir das Versprechen an unsere Kunden, ihren Bedürfnissen entsprechend das Angebot zu erweitern, einlösen konnten. Und zwar nicht mehr nur den Moment der Erstellung des einzelnen Rechtsdokuments abbilden, sondern unsere Kunden kontinuierlich durch all ihre rechtlichen Angelegenheiten begleiten und ihnen rundum Rechtssicherheit in allen Lebenslagen bieten zu können.

Aber natürlich sind auch wir gewachsen über die Zeit. Also wenn Sie das minimum viable product ansprechen, das so typisch für Start-ups ist: Ja, auch wir haben mit nur wenigen Rechtsdokumenten im Angebot und technisch noch recht limitiert angefangen. Inzwischen sind wir auf mehr als 150 Verträge und Rechtsdokumente gewachsen, bieten Rechtsratgebercontent für verschiedenste Belange, den Rechtsradar, Vertragsmanager, automatische Alerts bei Rechtsänderungen, Webinare und vieles mehr.


Wie wichtig ist die Konkurrenzbeobachtung in den USA, z.B. von
LegalZoom oder Rocket Lawyer? Was können Sie trotz der Verschiedenheit der Märkte von dort übertragen? Denn die Angebote sind ja schon länger auf dem Markt und die Kunden stehen digitalen Angeboten aufgeschlossener gegenüber.

Die beiden Unternehmen, die Sie nennen, haben uns damals inspiriert, Smartlaw zu entwickeln. Die Amerikaner sind sehr selbstbewusst und anpackend, wenn es darum geht, rechtliche Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen. Es ist normal, sich selbst für sein Recht einzusetzen und es nicht immer gleich einem Anwalt zu überlassen. Ein Bewusstsein, das auch in Deutschland wächst. Immer mehr Menschen, besonders mit Familie oder Unternehmer, wollen ihre rechtlichen Angelegenheiten in die Hand nehmen, sich präventiv absichern und dabei nichts mehr dem Zufall überlassen. Die Risiken, die zum Beispiel Unternehmer durch veraltete oder fehlerhafte Rechtsdokumente haben, sind mittlerweile einfach zu groß.

Aber im Gegensatz zum amerikanischen Markt spielen in Deutschland Vertrauen und auch offizielle Zertifikate eine besonders große Rolle. Bevor die Deutschen einem glauben, dass das, was sie da bekommen, wirklich gut ist, muss man ziemlich viel und fundierte Überzeugungsarbeit leisten. Daher arbeiten wir wie schon erwähnt ausschließlich mit spezialisierten Rechtsexperten zusammen, die auf ihrem jeweiligen Rechtsgebiet eine besondere Expertise haben. Des Weiteren ist die Dienstleistung von Smartlaw mit dem Trusted-Shops-Siegel ausgezeichnet und von der Zertifizierungsstelle des TÜV Hessen wurde das TÜV-Zertifikat für “Geprüfter Datenschutz” ausgestellt.


Cognitive computing wird eine Reihe von Lösungen bereithalten, die nicht nur selbstgesteuerte Autos und bessere Gesetzesvorlagen bieten. Einige Kunden werden sich daran gewöhnen, dass Siri (oder wie immer sie/er dann heißen mag) eine Antwort hat. So wie wir schon lange nicht mehr den Blick in den Himmel schweifen lassen oder die Tagesschau abwarten, um zu wissen, wie das Wetter wird. Die Frage ist dabei immer, wann das passiert: morgen, in einem Jahr oder in fünf Jahren. Smartlaw bietet hier das Potenzial, selber zu lernen und die Prozesse aufzubauen und zu entwickeln. In welchen Zeiträumen planen Sie?

Das ist richtig. Smartlaw lernt bereits jetzt viel und informiert seine Kunden beispielsweise über Gesetzes- oder Rechtsprechungsänderungen automatisch (sog. Smartlaw-Rechtsradar). Die Information wird aber nicht wahllos an alle Kunden geschickt, sondern nur an diejenigen, für die sich hieraus auch tatsächlich ein Handlungsbedarf ergibt. Derzeit arbeiten wir daran, dieses System noch weiter auszubauen, d.h. Kunden sollen beispielsweise frühzeitig über den Ablauf einer Frist informiert werden, um die für sie relevanten nächsten Schritte in die Wege zu leiten. Unsere Ideen-Schublade ist prall gefüllt und wir arbeiten ständig daran, die neuen Ideen schrittweise umzusetzen und mit den Kunden gemeinsam zu testen. Denn von dem realen Kundenfeedback lernen wir am meisten und spüren so, wo der Schuh wirklich drückt und was sich Kunden konkret wünschen.

 

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.