eBooks im Abo – Teil 1: die schöne Literatur

Im letzten Herbst hat sich mit Legimi ein weiterer Anbieter für eBook-Abos in den Markt gewagt. Streaming und Flatrate-Angebote gelten durch netflix und spotify als das Erlösmodell der Zukunft. In China sind eBooks in der Serie einer der Wachstumstreiber des Marktes. Diese Steigerungsraten lässt Buchverlage hierzulande sehnsüchtig in diese Richtung blicken. Amazon hat mit Prime und Kindle unlimited wieder einmal den Maßstab für Flatratemodelle gesetzt und alle Versuche sind zu begrüßen, durch konkurrierende Angebote ein für Verbraucher breites Spektrum anzubieten. Denn der Markt ist nicht einfach: Wir berichteten an dieser Stelle vor drei Jahren über Abomodelle für Bücher und das Geschäft ist kein Selbstläufer mit starken Wachstumsraten. Scribd ist noch im Markt, hat Librify aufgekauft und zu den Büchern Audiobooks und vor allem Zeitschriften mit ins Programm aufgenommen, um Reichweite und Inhalte zu gewinnen (und auf kindle unlimited zu reagieren, die das ebenfalls im Angebot haben). Mittlerweile haben Oyster sowie blloon geschlossen. Entitle.Books trägt die Bücher nur noch im Namen der Webseite, epic! hat sich in den USA/Canada auf die Zielgruppe der Kinder unter 12 spezialisiert und behauptet sich in der Nische so wie Harlequin im Schnulzensee. 24symbols ist im spanischsprachigen Markt gut unterwegs (hat Círculo de lectores, den alten Buchclub, sowie Nubico deutlich abgehängt), Bookmate im russischen und Brotseiten sucht die Nische in ausgewählten, kurzen Geschichten zum Hören und Lesen in der Schweiz.
Ein so mächtiger Anbieter wie Media Markt hat Juke! mittlerweile wieder auf die Musik zurückgestutzt und eBooks aus dem Programm genommen und Readfy kann allein durch Crowdfunding nicht überleben. Matthias Matting berichtet von geringeren Lesezeiten bei Kindle Unlimited im Dezember 2017 und prophezeit für den größten deutschsprachigen Anbieter Skoobe für 2018 einen Zusammenschluss mit Tolino, denn die Konkurrenz von Kindle Unlimited legt Kooperationen nahe und selbst Random House, Arvato und Holtzbrinck können noch Partner aufnehmen. Denn natürlich gilt bei Abomodellen immer, dass man dem Kunden ein größtmögliches Angebot bieten sollte, um ihn lange bei der Stange halten zu können. Je mehr Titel, je besser das Angebot, desto höher die Erfolgschancen. Und hier baut Amazon auf den Prinzipien der meisten Plattformen auf, nämlich nicht selber die Inhalte zu erstellen, sondern sie durch die Autoren selber erstellen zu lassen und nur als Vermittler aufzutreten. Je mehr Titel es nur auf Amazon gibt und je relevanter diese für die Leser sind, desto erfolgreicher ist Amazon. Sollte es irgendwann mehr Autoren als Leser geben und diese veröffentlichen alle bei kindle direct publishing, so würde das ein langsames Sterben der Verlage bedeuten. Das Problem: Wer will schon die vielen Titel der Selfpublisher lesen und wie relevant sind diese wirklich? Um ein gutes Programm zu machen braucht es ein Profil. Und dazu braucht es eine Haltung und Werte, die über die rein wirtschaftliche Effizienz hinausgehen.

Legimi ist der neueste Anbieter im Bunde und expandiert nach einem erfolgreichen Start in Polen jetzt auch in den deutschsprachigen Markt. Wie bei Amazon werden eReader gleich mit im Angebot zu günstigsten Preisen abgegeben, um so Kunden an die Plattform zu binden. eBooks können auf eReader, Tablets oder Smartphones geladen werden und für ausgewählte Titel kann man auch zwischen Text und Audio wechseln. Bei allen Kinderkrankheiten, die einzelne Plattformen noch haben und die im Laufe der Zeit auch behoben werden: Entscheidend wird neben den Standards zur Usability auch für Legimi sein, ob sie 1. für ihre Zielgruppe auch die richtigen Titel haben und eine genügend große Auswahl  (die Platzhirsche heißen Amazon und skoobe), 2. ihre Kunden so lange wie möglich halten können, um auch rentable Geschäfte abzuwickeln, und 3. mit den Kundendaten auch sinnvoll die weitere Entwicklung vorantreiben.

 

Die Vorteile eines Abos

Abomodelle sind so begehrt, weil sie der digitalen Ökonomie folgen und ein paar Problem lösen könnten und den Kunden besser bedienen:

  • Der Zugang von jedem Ort und zu jeder Zeit (vorausgesetzt man ist online) wird möglich.
  • Die Fülle der angebotenen Titel ist fast unbegrenzbar.
  • Die Transaktionskosten pro Titel lassen sich minimieren, so dass auch kleinteilige, individuelle Wünsche bedient werden können. Dadurch kann das Angebot leicht erweitert werden, denn wesentliche Kosten sind mit dem Aufbau und der Pflege der Plattform schon gedeckt worden und beim Einspeisen von neuen Titeln lassen sich weitestgehend automatisierte Prozesse nutzen.
  • Bestehende Kunden zu halten ist in der Regel günstiger als neue zu gewinnen. Eine treue Kundschaft bietet mehr Erlöse als sprunghafte Käufer und lässt Investitionen in Plattformen ganz anders kalkulieren.
  • Sichtbarkeit zu erhalten bei seinen Kunden bei gleichzeitig steigenden Anforderungen ist immer schwieriger geworden und die Konzentration auf wenige Zielgruppen ist meistens die sinnvollere Entscheidung. Das führt zu einer Favorisierung von Abomodellen.
  • Es können zahlreiche Daten über die Kunden und deren Verhalten gesammelt werden. Dadurch sind Individuelle Empfehlungen zu Titeln und Inhalten möglich, langfristig auch eine Steuerung des Portfolios durch verlässliche Daten.

Vor allem der letzte Punkt bereitet den Konkurrenten von Amazon Kopfzerbrechen, denn wer hat, dem wird noch mehr gegeben. Ab einem bestimmten Punkt verselbständigt sich das Datensammeln und produziert neue Erkenntnisse und ökonomische Möglichkeiten. Aber unterhalb einer bestimmten Schwelle bleiben die ökonomischen Probleme zu groß, um Skaleneffekte zu erzielen. Das Resultat heißt: Die Großen wachsen, die Kleinen sterben oder werden vorher von den Großen aufgekauft.

Wie gemalt für die dynamisch aufstrebende Generation der digitalen Pioniere: Scribd bedient sich des Mottos von Steve Jobs (“Stay hungry, stay foolish”) und macht es in leicht veränderter Form zum Leitbild seiner Plattform. Im Vordergrund steht die persönliche Entwicklung und Bücher sind dabei ein Teil des Medienangebots. Sie befriedigen die Neugier und lassen die Abonnenten auf Entdeckungsreise gehen. Das Buch wird hier weniger als immersives Leseerlebnis angeboten als vielmehr als Teil einer Haltung zum Leben, die neugierig die Welt erobert.

Lässt sich deshalb das Abomodell übertragen auf die Buchbranche?

Bücher liest man länger und kauft deshalb seltener

Für Bücher gilt natürlich nicht dasselbe wie für Musik und Filme. Allein schon die Abhängigkeit vom Trägermedium ist eine andere: Musik und Film brauchen ein digitales Trägermedium und ihre Laufzeit ist wesentlich kürzer, weshalb Transaktionen häufiger vorkommen. Flatrates funktionieren besser, je häufiger der Bezug eines Artikel erfolgt. Dann erhält der Kunde nämlich kontinuierlich das, was er will und muss nicht dauernd zum Geldbeutel greifen, was bekanntermaßen eh nur das Schmerzzentrum im Hirn belastet.

Musik und Film funktionieren im Print schlecht und brauchen ein Abspielgerät

Musiknoten kann nicht jeder lesen und würde man im Kino Drehbücher verteilen, wäre das wie das Servieren von Gräten oder Knochen im Restaurant. Gedrucktes ist hier nur für einen Bruchteil der Nutzer wirklich ein Genuss. Zur Musik wie zum Film gehören deshalb immer eine Aufführung, entweder live oder aufgezeichnet. Ein Abspielgerät ist nötig und das Smartphone ist hier als Schweizer Taschenmesser mit seinen Schnittstellen zu verschiedensten Klangkörpern unschlagbar. Ein digitales Musikabo oder der Zugang zu einer Filmothek löst deshalb nicht nur das Problem des schnellen und unmittelbaren Zugangs, sondern auch des leichtere Abspielens. Ein gedrucktes Buch lässt sich genauso gut lesen und mitnehmen wie ein eReader oder ein Smartphone und ist in der Handhabung sogar in manchen Punkten noch einfacher. Bei Musik und Film geht das nicht.

Musik begleitet, Filme sind eingängig

Musik ist zudem multifunktional. Ein Song, ein Album wird viel häufiger gehört als ein Buch gelesen. Der Zugang zu verschiedenen Playlists ist der Zugang zu verschiedenen Stimmungen und Musik kann als Träger von Emotionen funktionieren, ohne diese zu benennen. Sie ist ein Katalysator und kann nebenbei konsumiert werden. Ohne das Großhirn zu bemühen zu müssen, kann Musik andere Tätigkeiten begleiten und den Hörer durch den Tag tragen.
Ein Buch muss man lesen, konzentriert, ohne Ablenkung.
So wie man häufiger zum Bäcker geht, um frische Semmeln zu holen oder auch mal Brezeln oder Vollkornbrot, und seltener eine Waschmaschine oder ein Sofa kauft, so ist auch der Zugang zu Musik häufiger und variantenreicher als zu Büchern.

Filme haben da schon eine größere Nähe zu Büchern. Denn auch sie müssen aufmerksam wahrgenommen, sie können nicht nebenbei konsumiert werden. Aber sie brauchen weniger Zeit und sprechen mehr Sinne an. Das macht sie eingängiger und einem breiteren Publikum zugänglich als Bücher und lässt die Kunden auch häufiger kaufen als dies bei Büchern der Fall ist.

Nicht von ungefähr ist einer der größten Anbieter für Buchabos die Onleihe, mit steigenden Zugriffszahlen. Für nur 20.-€ im Jahr ist der Zugriff auf die meisten Bücher, viele Filme und eine große Auswahl an Musik vorhanden. Da diese Auswahl so groß ist, können auch Wartezeiten verschmerzt werden, wenn der gesuchte Titel nicht vorhanden ist. Denn mit einem Klick gibt es ähnlich gute Angebote, um sich die Freizeit zu versüßen. Für den professionellen Gebrauch weniger geeignet ist die Onleihe für den privaten Gebrauch eine günstige Alternative. Zudem entfalten die Bibliotheken zunehmend vielfältige Aktivitäten, um ihre Kunden dauerhaft bei der Stange zu halten und zu begleiten. Bibliotheken sind zu Dritten Orten geworden, die Verlagen ernsthafte Konkurrenz machen.

 

Fazit: Ja, Flatrates und Abomodelle bieten auch für Bücher die oben genannten Vorteile, aber die Mechanismen aus der Musik- und Filmindustrie sind nicht so einfach zu übertragen. Denn die Transaktionen sind seltener und die Zielgruppe ist kleiner. Buchabos müssen kleinere Brötchen backen oder kooperieren.

In der Folge heißt das, dass Plattformen für Buchabos ein gutes Gespür erarbeiten müssen, wann sie ihre Kunden wie oft bedienen mit Informationen, um nicht in Vergessenheit zu geraten in der relativ langen Zeit der Lektüre. Und sie müssen ihre Kunden gut kennen, um sie mit den genau richtigen Informationen zu bedienen. Für die erste Aufgabe bieten sich Kooperationen mit Plattformen an, die einen häufigeren Austausch mit ihren Kunden haben. Für das zweite Problem braucht man die richtigen Metadaten zu den eigenen Kunden und Produkten sowie eine ausgefeilte Empfehlungsmaschinerie. Das hatten die hier beschriebenen Plattformen wie mybooks oder flipintu probiert, aber ihnen fehlte die Reichweite. Es lohnt sich deshalb, die dort gemachten Erfahrungen zu reflektieren, um jetzt daraus schlagkräftigere Geschäftsmodelle zu entwickeln.

In diesem ersten Teil widmen wir uns der Belletristik, während der zweite Teil auf den Markt der Schul- und Fachbücher und wissenschaftlichen Publikationen eingeht.

 

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.