Die Innovationsfalle

Kaum jemand wird heute noch sagen können, Innovationen seien nicht wichtig für Unternehmen. Es ist zu offensichtlich, dass sich die Welt in rasendem Tempo bewegt. Deshalb wird jeder, der seinen Job behalten will, auch fleißig nach Neuerungen rufen, ob ihm das nun behagt oder nicht. Nun ist das mit den Neuerungen so, dass sie in der Regel nicht allen liegen. Jungen Menschen gefallen sie in der Regel eher, denn dann können sie den Alten mal zeigen, wo der Unterschied liegt. Je älter man wird, so will es die Regel, desto gefälliger hat man es sich im Leben eingenistet und nimmt Änderungen nur widerstrebend in Kauf. So will es die Regel, die auch hier natürlich nicht immer stimmt. Schauen wir einmal näher hin:

So schön all diese Kreativitätstechniken und Innovationsworkshops auch sind – das Hauptproblem liegt in unserer Zeit nicht an fehlende Ideen, sondern in der guten Umsetzung, der harten Arbeit am “minimal viable product”. Denn neue Ideen muss man eben ein paar Mal drehen und wenden bis sie auch als Geschäftsmodell funktionieren. Und nicht jeder will Neuerungen. Ja, eigentlich wollen weniger das Neue als nötig.
Die limbic types geben uns ganz gut Auskunft, wie stark bestimmte Werte in der Gesellschaft im Durchschnitt vertreten sind. Und ja, die „Stimulanzgetriebenen“, die links oben, das sind statistisch gesehen weniger als die grünen „Sicherheitsapostel“. Und auch die „Dominanten“ sind so gesehen in der Minderheit. Aber: Innovation ist nicht ans Alter allein gebunden. Neugier ist eine Disposition, die bis ins hohe Alter wirken kann, genauso wie Sicherheit! Das zeigte jüngst eine Umfrage bei Lehrern (hier unser Artikel dazu), in dem deutlich wurde, dass die Digitalisierung über alle Altersgruppen hinweg unterstützt bzw. abgelehnt wird und man keine Hoffnung darin setzen sollte, die Jungen würden es schon richten. Machen Sie also nicht den Fehler, bei jungen Mitarbeiter diese Neugier vorauszusetzen. Häufig sind diese nämlich eher an Sicherheit als an Neuem interessiert, weil sie die Überflutung von Neuem satt haben, während ältere Generationen auf Neugier gepolt wurden. Die jüngste Studie zur Generation Z machte hierzu wieder mal Schlagzeilen.

Die von H.G. Häusel und der Gruppe Nymphenburg entwickelten limbic types zeigen die Verteilung von bestimmten Persönlichkeitsprofilen in der Gesellschaft. Neugier und Kreativität findet sich links oben wieder. Die Persönlichkeiten, die davon wesentlich geprägt sind, sind in der Minderheit, überträgt man das rein statistisch auf Unternehmen. Will man also Innovationen als wesentlichen Wert durchsetzen, dann müsste man vor allem Mitarbeiter mit diesem Profil einstellen. Das kann aber nicht funktionieren, denn auch die Sicherheit, die Kontrolle, die Durchsetzungsstärke sind gefragt im Unternehmen. Man braucht die Mischung. (Quelle: Gruppe Nymphenburg)

Was heißt das für Innovationen? Es heißt, dass die, die wirklich an Neuem interessiert sind, immer weniger sind in Unternehmen als die, die den sicheren Hafen nicht verlassen wollen. Und sie sind auch weniger als die, denen das Neue eigentlich egal ist, sondern nur als Mittel zum Zweck dient, als Machtmittel.

Das führt zu der Situation, dass die jungen Wilden eigentlich wenig Chancen haben. Leider aber nicht nur in großen Unternehmen.

Anastasia Mudrova ist mit ihrem Start-up gescheitert und ihr Beitrag fasst die häufigsten Gründe für das Scheitern neuer Ideen gut zusammen. Von Start-ups kann man lernen – vor allem warum sie scheitern. Es sind nämlich nicht die Ideen, sondern die Probleme bei der Umsetzung und  der fehlenden Notwendigkeit bei der Zielgruppe. Es genügt eben nicht, diese mal so in einer digitalen Befragung zu erfassen. Sie fasst das schön in dem Satz zusammen: “Your potential customers lie.” Man muss der Zielgruppe schon mit einem mvp auf den Leib und Geldbeutel rücken, will man wissen, wie sie tickt. – Und wer je schon mal auf einer “Fuckupnight” war, der weiß, dass das auch in Deutschland nicht anders ist. (Quelle: thinkgrowth)

Wenn da nicht diese allgemeine Situation wäre, in der jeder politisch korrekt nach Innovationen ruft. Was dazu führt, dass auch die sicheren und dominanten Paviane dieses Credo vor sich hertragen und nach Innovationen rufen. Was nicht schlecht sein muss. Denn die Innovation ist in Unternehmen – anders als in der Kunst oder Wissenschaft – nicht Selbstzweck. Den meisten Unternehmen geht es frei nach Darwin ums Überleben. Und dafür tun sie (fast) alles. Innovation ist also Mittel zum
Zweck. Denn um sie umzusetzen, braucht es nämlich mehr als eine Idee.

Invention oder Innovation – diese Unterscheidung macht schon Gunther Dueck, um so auf den Unterschied hinzuweisen zwischen einer neuen Idee und der Implementierung dieser Idee. Jared Diamond hat ausführlicher darauf verwiesen, dass mehrere Faktoren zusammenspielen müssen, damit sich eine Idee durchsetzt. Und hier können wir ansetzen.

Ich habe in den letzten Jahren kein einziges Unternehmen gesehen, in dem Langeweile und ein Fehlen von Ideen das Problem wäre. Im Gegenteil: Alle beklagen sie zu viele Aufgaben und zu viele unerledigte Projekte. Warum sollte man also diese Unternehmen mit Ideenworkshops belästigen?

Wir leben in einer Zeit des Überangebots an Neuem. Die Bevölkerungsexplosion, gepaart mit digitalen Technologien, zunehmendem Reichtum und einer globalen Vernetzung führt zu einem nicht mehr fassbaren Angebot an Inventionen und Innovationen. Und dabei geraten wir in Gefahr, uns selbst zu verlieren in dieser Fülle. Die technologischen Möglichkeiten entwickeln sich schneller als unsere Fähigkeit, diese richtig einzuordnen. Denn wir wollen ja Kohärenz, wir wollen uns nicht verlieren, sondern Herr unserer Sinne und Taten sein, soweit möglich.

Für Unternehmen heißt das, dass sie eigentlich keine Kreativworkshops mehr bräuchten, denn es ist alles schon da und täglich sprudeln aus dem Silicon Valley, durch Alibaba oder der Start-up-Szene neue Ideen herein.

Unser Problem sind nicht die fehlenden Ideen, sondern die Fokussierung auf die richtigen Ideen.

Alles einfach, also? Leider nein, denn die Ideen sind noch keine Innovationen im Dückschen Sinne, sondern Ideen. Und die 1 Mio-Dollar-Frage lautet nicht, wie komme ich auf die Idee, sondern welche der vielen Ideen soll ich denn jetzt umsetzen.

Ein Zusammenschnitt zweier populärer Cartoons zeigt die Herausforderung. Die Möglichkeiten sind uferlos, neue Angebote zu erstellen. Am Beispiel des Buches wird dies hier gezeigt und man fühlt sich an die Geschichte vom Müller, seinem Sohn und dem Esel erinnert, bei dem jede Begegnung mit einem Menschen zu einer anderen Empfehlung führt, wie und ob man denn den Esel zu reiten hat. Und hier zur zweiten Abbildung, die so alt ist wie das Thema Projektmanagement: Die Kundenanforderungen auch richtig zu verstehen und daraus ein gutes Produkt zu machen, das ist weder neu noch innovativ. Es ist nur anstrengend und bedarf einer richtigen Analyse und guter Kommunikation.

Und hier kommen die Buyer Personas ins Spiel. Die Innovation muss dem Kunden schmecken, nicht dem Erfinder. Deshalb muss man sich die Zielgruppe genau ansehen und prüfen, was sie wirklich braucht und was nicht. Denn sie entscheidet darüber, ob das Neue sinnvoll ist und ob sich der Aufwand lohnt. Denken wir an das Scheitern der Start-ups. Niemand wartet heute auf Innovationen, weil ihm langweilig ist. Und hier kommen auch die Bewahrer und Machtmenschen im Unternehmen wieder zum Zuge. Sie müssen die Ideen in die Mangel nehmen. Das können sie mit dem Persona-Modell sehr gut. Wenn es gelingt, die innovativen Ideen mit dem prüfenden Blick der Bewahrer und der Peitsche der Durchsetzer zu verknüpfen, dann hat man den Zug zur Innovation.

Denn die Kundenanalyse braucht Empathie und Neugier. Die Prüfung braucht Kontrolle und Vertrauen in die eigene Marke. Und die Umsetzung braucht Treiber und ohne Angst. Auf der limbic map braucht es also ein Team, das alle diese Fähigkeiten vereint.

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.