Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft hat kürzlich eine Studie zur digitalen Bildung an bayerischen Schulen herausgebracht, die sich wohltuend vom allgemeinen Geschrei um zu wenig Infrastruktur, uninteressierte Lehrer und eine verantwortungslose Politik abhebt. Denn dass der Weg steinig und nicht leicht ist, das wissen wir alle, und dass man dabei immer etwas zu kritisieren findet ist auch klar.
Die Studie zeigt vor allem auf, an welchen Stellen die künftigen Bemühungen ausgeweitet werden müssen, um Medienkompetenz bei Lehrern wie Schülern auch wirklich verbessern und entwickeln zu können. Dabei springen vor allem die folgenden fünf Forderungen ins Auge:
1 Die Qualität der “digitalen Bildung” muss verbessert werden, um wirklich Veränderungen zu erzielen.
Das ist wichtig, denn bisher wird viel zu häufig nur auf die Quantität geachtet im Sinne von “welche Technologie wird wo genutzt?”. Das langsame Verfaulen der Smartboards ist hier aber der beste Beleg dafür, dass eine Technologie noch keinen Sommer macht, geschweige denn “gute digitale Bildung”.
Um auch die Qualität zu erfassen, kann man auf verschiedene Modelle zurückgreifen, die mit einem jeweils anderen Schwerpunkt genau das zum Thema haben:
Das SAMR-Modell von Pontedura stellt die Frage, wie digitale Angebote die bisherigen Medien ergänzen und wertschöpfend eingesetzt werden können. Wertschöpfung kann hier von der einfachen Nutzung einer Technologie (der Screen eines Tablets wird an die Wand projeziert, so wie früher eine Folie über einen Overheadprojektor) bis hin zur Neudefinition von Inhalten reichen (Schreiben lernen ist bei WriteReader immer auch das Erstellen eigener Bücher und die Fähigkeit, etwas beim ersten Mal gleich richtig zu schreiben ist weniger wichtig als das Beschreiben von Dingen aus der eigenen Umwelt).
Das 4K-Modell widmet sich den Kompetenzen, die künftig in der Gesellschaft gefragt sind und der Auswirkung auf die Lehrpläne so wie dies die Kultusministerkonferenz mit ihren sechs Kompetenzbereichen (1. Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren, 2. Kommunizieren und Kooperieren, 3. Produzieren und Präsentieren, 4. Schützen und sicher Agieren, 5. Problemlösen und Handeln sowie 6. Analysieren und Reflektieren) getan hat. Die Ziele von Bildung liegen dabei weniger in einzelnen Inhalten und einem vorher definierten Kanon, sondern in der Darstellung sehr allgemein gehaltener Fähigkeiten: Kreativität, kritisches Denken, Kollaboration und Kommunikation.
Das Dagstuhl-Dreieck mit unserer Erweiterung erläutert genauer die fünf Kompetenzen, die Lehrer und Führungskräfte im Blick haben sollten. Hier kommt dem Wissen um das Funktionieren von Medien und deren Bedeutung eine besondere Rolle zu.
(Eine gute Übersicht und eine ausführliche Literaturliste zu verschiedenen Kompetenzmodellen über die Bildung hinaus liefert Christoph Meier in dem hier verlinkten Blogbeitrag.)
2 Qualität heißt, dass interdisziplinär gelernt und gehandelt werden muss
Die oben genannten Modelle versuchen alle eine Antwort darauf zu geben, was Qualität in der Lehre künftig bedeuten kann. Hierbei muss man die wesentlichen Unterschiede im Blick haben, die digitale Medien ausmachen: Interaktion, Vernetzung, multimediale Produktion und Weiterentwicklung erfahren mit den digitalen Medien im Vergleich zu bisherigen Angeboten einen radikalen Wandel. Erst wenn man den ernst nimmt, kann man Medienkompetenz lehren.
Deshalb müssen Lehrer
- die Inhalte in ihren verschiedensten medialen Zugängen auch den Schülern zeigen und wie sich die Inhalte durch das jeweilige Medium anders darstellen,
- anders mit ihren Schülern und ihren Kollegen im Team interagieren als bisher,
- sich mit der Welt außerhalb der Schule anders vernetzen und
- sich auf einen nie endenden Prozess einstellen, bei dem es im Grunde genommen nie ein Abschlusszeugnis gibt, sondern immer nur Zwischennoten.
3 Die Lehrpläne müssen verändert werden und die Schulung der digitalen Kompetenz integrieren
Der oben angesprochene multimediale Zugang zu Inhalten hat zur Folge, dass sich diese Inhalte auch anders darstellen. Man muss nicht soweit gehen wie McLuhan (The medium is the message), aber man muss sich verabschieden von der Vorstellung, es gäbe an irgendeiner Stelle ein unumstössliches Wissen, das an der Schule unumstösslich richtig gelehrt wird. Jeder Zugang zum Wissen beinhaltet in seinem Zugang schon einen anderen Blick darauf. Die digitalen Medien stellen die Wirklichkeit anders dar als bisher und sind deshalb ein anderer, neuer Blick auf die Wirklichkeit.
Jedes Fach muss deshalb seine Zugänge zum Wissen erproben und neu gestalten.
Und im Zusammenspiel aller Fächer und in der oben geforderten Interaktion zeigt sich erst das breite Spektrum digitaler Bildung.
Digitale Kompetenz zeigt sich im gemeinsamen Erarbeiten von Präsentationen im Geographieunterricht zu bestimmten Ländern genauso wie im Komponieren eines Musikstückes oder dem Offenlegen von Muskelsträngen über AR oder VR.
Die Lehrpläne zu einzelnen Fächern sind dabei wie die Noten für einzelne Musikinstrumente. Das Zusammenspiel dieser Noten über mehrere Jahrgänge ist dann erst das klangvolle und sinnvolle Musikstück einer jeden Schulart.
4 Jede Schule muss für sich eine Medienstrategie entwickeln
Jeder Schüler lernt anders. Und eine der privilegierten Aufgaben der Lehrer ist es, auf diese jeweilige Situation richtig einzugehen. Es ist wohl niemand Lehrer geworden, um die Anordnungen eines Ministeriums oder Lehrplans zu befolgen, sondern um junge Menschen zu entwickeln. Deshalb sind Lehrer heute wichtiger denn je geworden, denn sie sorgen für die passende Förderung ihrer Schüler mit den je besten Methoden. Nur ein Lehrer kann persönlich dafür bürgen und dem Schüler gegenüber bezeugen, dass diese Fähigkeiten und Kompetenzen für ihr weiteres Leben sinnvoll sind und deshalb gelernt werden sollen.
Und je besser er das mit seinen Kollegen an der Schule abstimmt, desto schöner wird die musikalische Aufführung zum Ende des Schuljahres.
5 Dass dazu eine andere Ausbildung nötig ist, das versteht sich von selbst
Bisher werden Lehrer in den Inhalten geschult, die sie vermitteln sollen. Dazu gibt es noch eine allgemein didaktische Bildung und ein wenig Übung im Referendariat. Die Schulung mit digitalen Medien kommt dabei überall noch zu kurz und wird in Fortbildungen schrittweise nachgeholt. Zwei der oben genannten Merkmale auf alle Fälle zu kurz: Die Kollaboration mit den Kollegen und Schülern und die Vernetzung mit der Welt. Das sind keine prüfbaren Inhalte, sondern das muss erprobt und eingeübt werden. So wie Projektmanagement immer abstrakt bleibt, wenn man es nicht im Team übt und umsetzt, so darf die bisherige Lehrerausbildung nicht mehr nur Einzelkämpfer für die Front schulen. Und Lehrer dürfen nicht mehr nur an den Stunden gemessen werden, die sie vor Schülern halten, sondern auch an den Projekten, die sie mit anderen Lehrern und Schülern gemeinsam umsetzen. Solange die Ausbildung die Zusammenarbeit auf digitalen Plattformen nicht übt und die Lehrer nur nach ihrer Leistung bewertet werden im Unterricht anhand eines vorgegebenen Lehrplans, so lange wird auch digitale Kompetenz nur begrenzt an Schulen Einzug halten können.
Pingback: Die Innovationsfalle | smart digits