Wann Buyer Personas scheitern können

Buyer Personas können sehr hilfreich sein und sinnvoll. Wer Kundenorientierung sagt, der sollte auch mit Buyer Personas arbeiten. Das haben wir mit einer Serie von Artikeln zu belegen versucht, das können wir durch eigene Projekte und Erfahrungen belegen. Aber sie sind natürlich kein Allheilmittel und wie bei jedem Medikament entscheiden die Dosis, die Anwendung und der Kontext. Hier eine Auflistung von üblichen Fehlern, eine Art Beipackzettel für den richtigen Gebrauch der Buyer Personas im eigenen Haus.

Wir kennen unsere Zielgruppe doch!

Natürlich, jeder kennt seine Zielgruppe. Sonst hätte er in dem Unternehmen irgendwas falsch gemacht. Und natürlich muss das Unternehmen auch schon etwas an seine Zielgruppen verkauft haben. Sonst wäre es ein gescheitertes Start-up.
Die Gefahr liegt eher darin, dass Erfahrungen nicht durch neue Beobachtungen erweitert oder gar ersetzt werden. Gefährdet sind hier vor allem die Experten im Haus, die Produktentwickler und die, die schon jahrelang Angebote entwickelt haben für ihre Zielgruppen. Ihre Erfahrungen verleiten sie leicht dazu, das Altbekannte hochzurechnen und zum Ausgangspunkt aller Überlegungen zu nehmen. Denn bisher waren sie ja auch immer die Spezialisten und konnten den anderen im Unternehmen ihr Wissen mitgeben. Und auch die, die im ständigen Kundenkontakt stehen, sehen nur ihre Kunden. Aber es gibt viele Kontaktstellen und viele mögliche Kunden und viele verlorene Kunden, die man nie zu Gesicht bekommt.
Deshalb nehmen Sie möglichst gemischte Teams, die verschiedenste Kontakte zu unterschiedlichsten Kundengruppen haben. Und überprüfen Sie das sogenannte Expertenwissen im Haus ständig durch Kundenfeedback.

“Kundenorientierung” muss jeder – wir also auch

Es gibt Buzzwords, an denen kaum einer vorbeikommt. “Digitalisierung”, “Innovation” und “Kundenorientierung” gehören dazu, “agil”, “disruptiv” und “Blockchain” dann noch für die Versierteren. Sie schmücken jede Selbstdarstellung und sind im Bullshit-Bingo aus “Firmenphilosophien” nicht wegzudenken. Das liegt daran, dass die Beschäftigung damit ja richtig ist. Die Gefahr liegt eher darin, dass sich jeder dranhängt, auch die, die nicht nur keine Ahnung haben, sondern sich damit auch gar nicht wirklich beschäftigen wollen. Und wirklich beschäftigen wollen heißt verändern wollen. Kundenorientierung heißt immer, dass sich bisherige Verhaltensweisen ändern und andere dazukommen. Sonst hat man irgendwas falsch gemacht. Und hier liegt der Punkt: Will man eigentlich etwas verändern oder nur mit der Mode gehen, um gut dazustehen? Personas müssen Veränderungen bewirken. Wenn sie das nicht tun, hätte man sich den Prozess vorher sparen können. Es ist unmöglich, keine neuen Einblicke in das Verhalten und die Wünsche der eigenen Zielgruppen zu erhalten, wenn man die Methode richtig anwendet. Und das heißt auch, dass man neue Angebote entwickeln sollte und bisherige Prozesse aufgibt. Wenn das nicht der Fall ist, sollte man auf die Personas verzichten.

Die Strategie bestimmt den Kundenwunsch

Man sieht immer gerne was man will. Hat man eine Strategie entwickelt in diesen anspruchsvollen Zeiten, dann sollte man diese auch konzentriert umsetzen. Personas können diesen Prozess verlangsamen und erschweren. Denn die Kunden wollen nicht immer das, was man sich zurechtgelegt hat. Es liegt auf der Hand, dass Strategien auch nur agil entwickelt werden können: iterativ werden neue Angebote getestet und daraus leiten sich wieder die nächsten Rahmenbedingungen für die Strategie ab. Eine Gefahr besteht bei diesen Prozessen, dass die Führungsmannschaft nicht verlässlich auf die hört, die dem Kunden am nächsten sind. Denn sie könnten den Prozess verlangsamen. Und es ist ja auch richtig, dem Kunden nicht bei jedem Seufzer auf den Laim zu gehen. Aber das andere Extrem sind Weisheiten über die Kunden, weil man die Daten aus dem digitalen Markt nicht nutzt.
Unternehmer und Manager, ja alle Führungskräfte, sind viel beschäftigte Menschen, die ihren Weg deshalb gemacht haben, weil sie die Welt und ihre Akteure besser erkannt und dann schneller und energischer zugepackt haben. Warum sollte man sich jetzt unnötig Zeit nehmen für etwas, was doch klar ist?
Die Gefahr für diese Spezies der Leitwölfe liegt darin, dass bei der Entwicklung von Personas zunächst Empathie und die möglichst neutrale Beobachtung gefragt sind, alles Eigenschaften, die niemanden an die Spitze von Hierarchien führt. Und nicht immer haben sie genügend Kenntnis des digitalen Marktes, um dessen KPIs zu verstehen. Es liegt also nahe, dass Führungskräfte meistens nicht die geeigneten Projektleiter für die Entwicklung von Personas sind. Sie sollten sich deshalb davor hüten, die Erfahrungen ihrer Nichten und Neffen bei der Nutzung von Snapchat oder das letzte Gespräch in der Aufsichtstratssitzung oder den tollen Vortrag zu Zukunftsszenarien als entscheidenden Input bei der Ausgestaltung der Personas. Sie müssen, wie es sich für gute Führungskräfte geziemt, in Bescheidenheit üben und wissen, dass sie nicht wissen.

Wir haben doch schon Personas

Personas sind keine ganz neue Methode. In manchen Häusern hat man schon erste Erfahrungen gemacht. Und je nach dem Gebrauch und Einsatz fällt auch das Urteil über die Methode aus. Oft sind dann “Doris” oder “Jakob” schon Bestandteil der Diskussionen, zuweilen auch mit einem müden Lächeln begleitet, denn man kennt sich ja wie in einer eingeschlafenen Ehe. Und da man sich nicht den ganzen Tag mit Personas beschäftigen sollte, sondern diese nur Hilfsmittel sind, so fallen auch meist Neuerungen durch die digitalen Märkte nicht auf. Wir empfehlen deshalb immer, die bisherigen Muster zu überarbeiten. Es gibt z.B. semantische Analysen von Texten (mit Hilfe der limbic map), neue soziale Netzwerke oder neue Aufgabenprofile der Personas – alles Änderungen, die im Blick zu halten sind, um den Anschluss nicht zu verpassen. Denn die rasante Veränderungen in den Märkten zwingen zum dauernden Weiterlernen.

Kim Flaherty führt aus der Sicht einer UX-Entwicklerin ein paar Gründe auf, wann Personas bei der Umsetzung der eigenen Ziele nicht helfen. Wie an anderer Stelle aufgeführt sind Personas bei der Entwicklung nutzerfreundlicher Produkte sehr hilfreich. Hier gelten ganz ähnliche Beobachtungen wie bei der Strategieentwicklung.

  • Die Personas wurden nicht angewandt.
  • Der Nutzen von Buyer Personas wurde von den Führungskräften nicht gesehen.
  • Die Personas wurden in Silos entwickelt und nicht von allen angewandt.
  • Personas wurden nicht kommuniziert und andere im Unternehmen sind nicht eingebunden.
  • Personas sind nicht Personas und der Sinn und Zweck ist nicht klar.

Dass Buyer Personas nur ein Teil des ganzen Themas “Fokussierung auf die Kundenwünsche” ist, sollte natürlich auch klar sein. Je nach Situation des Unternehmens stehen auch andere Dinge im Vordergrund. Gibson Biddle, ehemaliger vize president bei netflix, hat in seinem Longread ausführlich gezeigt, dass die Kundenorientierung bei netflix natürlich mit einem kontinuierlichen A/B-Testing, Befragungen, Fokusgruppen und der Analyse der Daten funktionieren kann.

(Für einen Blick in unser Buch bitte hier klicken.)
Siehe auch unsere anderen Beiträge:
So entwickelt man eine Buyer Persona in vier Schritten
Wozu braucht man eigentlich heute noch Buyer Personas?
Warum man Buyer Personas für die Bewertung von Technologien braucht
Was haben Buyer Personas mit Metadaten zu tun?
Und hier zum Podcast zum Thema.

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.