Selfpublishing – und die Herausforderungen für Verlage

Selfpublishing ist in den USA einer der großen Trends. Es ist die Geschichte vom armen Poeten zum Millionär, die hier in immer neuen Variationen von der Presse genüsslich ausgeschlachtet wird und auf fruchtbaren Boden fällt. Es ist die neue Verheißung, die alle Elemente in sich vereint: Unabhängigkeit, Freiheit, Selbstbestimmung – und das auch noch mit einem Schuss Bildung garniert. Neben die Landlust und die eigene, ökologisch bedenkenlose Marmelade gesellt sich also die Schreiblust. Zahlreiche Plattformen buhlen um die Gunst der Schreiber und bieten ihre Dienste an.
Nicht von ungefähr haben die großen Verlagshäuser durch zahlreiche eigene Imprints nachgezogen. Denn dieser Markt ruft nach Eroberern.
Was zeichnet diese Plattformen aus? Ein Blick darauf lässt Grundzüge des modernen Publizierens erkennen.

Die Cloud macht´s möglich

Entscheidend für den Erfolg von Selfpublishing und die Weiterentwicklung dieser Plattformen sind die folgenden vier Merkmale, die durch die Cloudtechnologie eine Beschleunigung erfahren haben. Sie sind nicht neu, aber markieren im Zusammenspiel die wesentlichen Gründe für den Erfolg von Selfpublishing – und sind zugleich für die etablierten Verlage der Gradmesser im digitalen Geschäft. Denn jeder wird künftig zu diesen Themen eine passende Antwort finden müssen.

  1. Zusammenarbeit: Über die Plattformen können die Autoren zu Verlegern werden. Die entsprechenden Dienstleister wie Lektoren, Grafiker, Vermarkter etc. stehen einen Klick entfernt zur Verfügung. Jeder kann sich sein Team zusammenstellen, das er für die Realisierung seines Buchprojektes benötigt. Es ist der virtuelle Verlag, der hier entsteht: Die Hersteller, Marketingfachleute, Grafiker und Lektoren bieten ihre Dienste den Autoren an.
    Für die Entwicklung multimedialer Inhalte und Interaktion wird der Markt bald weitere, neue Softwaretools und Plattformen hervorbringen (wie es Apple mit iBooks Author getan hat). Dann wird die Technologie nochmal einen Sprung verursachen. Und hier wird sich die Spreu vom Weizen trennen, denn um wirklich gute, multimediale Produkte zu machen, wird man so viel Know-how zusammenbringen müssen, wie es nur geht. Sprich: Man gründet am besten den neuen Verlag 5.0.
  2. Auffindbarkeit: Mit den richtigen Metadaten versehen, sind die digitalen Werke sichtbar. Sie können gefunden werden und hängen viel weniger vom Wohlwollen eines Händlers oder Vertreters ab, der ein Ladengeschäft bestückt. Obwohl gemeinsame Standards noch in weiter Ferne liegen, scheinen sich HTML5 und CSS3 als kleinster gemeinsamer Nenner herauszukristallisieren.
    Gerade in diesem Punkt dürften etablierte Verlage die Nase vorne haben, wenn sie ihre eigenen Daten sinnvoll strukturiert anbieten.
  3. Vertrieb: Über die entsprechenden Plattformen lassen sich die digitalen Werke weltweit vertreiben, ohne zu große Investitionen in die Produktion und Logistik. Die große Herausforderung wird jedoch darin liegen, die eBooks auf möglichst vielen Geräten lesbar zu machen. Die handwerkliche Qualität eines eBooks (lässt sich überall in derselben Form und ohne Fehler lesen) wird im Massenmarkt für manche kleine Plattform zur Herausforderung werden. Produktqualität ist anders als beim gedruckten Buch auch die Fähigkeit, verschiedene Formate und Plattformen bedienen zu können. Denn die Standards (siehe unsere Artikel zu EPub 3.0 bei Google und Apple) sind noch nicht etabliert.
  4. Austausch: Der Autor kann mit seinen Lesern direkt kommunizieren und einen eigenen Kundenstamm aufbauen. Dies wird vor allem die Herausforderung für Verlage darstellen: Der Autor wird fragen, was für sein Werk getan werden kann, was er nicht auch selber machen kann. Vor allem in spezialisierten Themenbereichen wird dies eine Rolle spielen.
    Ob die Internationalisierung dabei eine Chance darstellt, hängt sehr vom Thema und der Fähigkeit ab, die jeweiligen Zielgruppen zu erreichen. Denn von alleine finden Titel selten ihren Weg zum Leser.

Chris Rechtsteiner hat eine gute Übersicht erstellt, in der von 92 identifizierten Plattformen 29 näher beschrieben sind. Allein ein Blick auf die beiden Plattformen 52 Novels und

Aerbook verdeutlichen, dass hier neue Verleger auf den Markt kommen mit dem Anspruch, qualitativ hochwertige Titel zu produzieren.

Meine Schwerpunkte sind die strategische Entwicklung von Unternehmen, die Gestaltung der passenden Geschäftsmodelle und die Kundenanalyse - das klingt nach trockenem Brot. Aber es kann sehr kreativ, anregend und erfüllend sein. Mit dem Master "Digital Media Manager" in München lehre ich Medienkompetenz als Zusammenspiel von Geschäftsmodellen, Technologiebewertung und medialer Kommunikation. Aus meiner Erfahrung als Produktmanager, Verlagsleiter und Geschäftsführer beim Carl Hanser Verlag und Haufe-Lexware kenne ich das Mediengeschäft und die Herausforderungen durch die Digitalisierung. Mit Partnern entwickle ich Plattformen wie flipintu oder lectory und digitale Lernmethoden mit dem Goethe-Institut und verschiedenen Universitäten. Man muss etwas selber erfahren, um es auch vermitteln zu können. Nicht dass ich ein Fan von Steve Jobs wäre, aber seine legendäre Rede in Stanford ist klug und das Motto passt: Stay hungry. Stay foolish. Das Leben ist zu kurz, um es mit sinnlosen Meetings und Phrasen zu vergeuden.